(Stand 2025)
Frage:
Ich fühle mich in meinem Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber, aber auch von Vorgesetzten und von Arbeitskollegen benachteiligt. Hilft mir das neue Gleichbehandlungsgesetz weiter, am Arbeitsplatz, mein Recht zu
finden?
Der Fall:
Arbeitgeber Heinrich von Kleist ist ein sehr sensibler und empfindsamer Arbeitgeber. Er versucht es allen Recht zu machen und ist gleichwohl verzweifelt darüber, dass viele seiner Arbeitnehmer unzufrieden sind
bzw. sich benachteiligt fühlen.
Prokurist Henry de Toulouse-Lautrec erklärt, dass er wegen seiner Kleinwüchsigkeit und Verkrüppelung schon seit seiner Einstellung verspottet und benachteiligt werden.
Finanzleiter Baruch Spinoza fühlt sich als Jude wegen seiner Rasse diskriminiert. Der Pförtner Friedrich Engels meint, dass er als bekennender Marxist wegen seiner Weltanschauung nie befördert worden sei.
Die Chefsekretärin Edith Piaf meint, dass sie als Frau in dieser Firma von den sie umgebenden Obermachos ständig benachteiligt werden. Die Betriebspsychologin Hildegard von Bingen fühlt sich wegen ihrer Religion als praktizierende Christin diskriminiert. Mit ihrem Nonnenschleier dürfe sie noch nicht einmal die Kantine aufsuchen.
Der im Dienst ergraute Lagerarbeiter Nostradamus wird vom Lagerleiter ständig bedrängt, endlich in die Rente zu gehen. Nostradamus fühlt sich wegen seines Alters diskriminiert.
Der Dekorateur und Knabenliebhaber Michelangelo Caravaggio soll zukünftig nur noch mit Damen zusammenarbeiten oder ganz
alleine dekorieren. Er meint, dass diese Anweisung eine Benachteiligung wegen seiner sexuellen Identität beinhalte und rechtswidrig sei.
Können die Mitarbeiter des Arbeitgebers Heinrich von Kleist aufgrund des
allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfolgreich gerichtlich vorgehen?
Die Lösung:
1. Verbotene Belästigung
Nach § 3 Abs. 3 AGG ist eine benachteiligende oder diskriminierende Belästigung verboten. Eine Belästigung in diesem Sinne ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken:
– dass die Würde der betreffenden Person verletzt und
– ein von Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Diese Art der Belästigung ist letztlich eine Sonderform der Diskriminierung. Der Gesetzgeber will verhindern, dass ein „feindliches Umfeld“ im Betrieb geschaffen wird.
Diese Art der Belästigung setzt ein kontinuierliches Handeln von Seiten des Arbeitgebers oder von Seiten der Arbeitskollegen voraus. Sie ist letztlich die Vorstufe zum „Mobbing“. Als Mobbing wird nämlich (verkürzt ausgedrückt) das planmäßige oder systematische Schikanieren, Benachteiligen, Diskriminieren oder Anfeinden von Personen bezeichnet.
Unter diese Art der Belästigung fällt deshalb nicht der einmalige
Wutausbruch oder die einzelne Diskriminierung.
Achtung: Dieser Tatbestand der Schaffung eines „feindlichen Umfelds“ ist für den Arbeitgeber jedoch von besonderer Gefahr und Bedeutung. Sobald er von diskriminierenden Handlungen erfährt, muss er stets eingreifen. Handelt er nicht, duldet er gar bestimmte Benachteiligungen im Betrieb, so läuft er Gefahr, dass er wegen der Mitwirkung am Entstehen eines
feindlichen Umfeldes durch Duldung oder Unterlassung sich schadenersatzpflichtig macht.
2. Sexuelle Belästigung
Nach § 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Belästigung noch einmal hervorgehoben und ganz ausdrücklich verboten.
Eine sexuelle Belästigung ist nach der Definition des Gesetzes eine Benachteiligung, die ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten beinhaltet. Dieses sexuell bestimmte Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird.
Dies gilt insbesondere, wenn ein von Einschüchterung, Anfeindung oder Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Zu sexuellen Belästigungen bzw. dem sexuell bestimmten Verhalten gehören auch:
– unerwünschte sexuelle Handlungen,
– unerwünschte Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, zu entsprechenden Verabredungen,
– sexuell bestimmte körperliche Berührungen,
– Bemerkungen sexuellen Inhalts, entsprechende Witze,
– unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen.
Schon in der Vergangenheit hat sich die Rechtsprechung mit den
Problemen der sexuellen Belästigung im Arbeitsverhältnis bzw. im Betrieb ausführlich befasst. In leichteren Fällen hat die Rechtsprechung den Arbeitgeber verpflichtet, eine Abmahnung auszusprechen. In vielen
Fällen gelangte die Rechtsprechung aber auch zu dem Ergebnis, dass eine ordentliche Kündigung bzw. eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt war.