Folge 296

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz III


Frage:

    Ich fühle mich in meinem Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber, aber auch von Vorgesetzten und von Arbeitskollegen benachteiligt. Hilft mir das neue Gleichbehandlungsgesetz weiter, am Arbeitsplatz, mein Recht zu
    finden?


Der Fall:

    Arbeitgeber Heinrich von Kleist ist ein sehr sensibler und empfindsamer Arbeitgeber. Er versucht es allen Recht zu machen und ist gleichwohl verzweifelt darüber, daß viele seiner Arbeitnehmer unzufrieden sind
    bzw. sich benachteiligt fühlen.

    Prokurist Henry de Toulouse-Lautrec erklärt, daß er wegen seiner Kleinwüchsigkeit und Verkrüppelung schon seit seiner Einstellung verspottet und benachteiligt werden.
    Finanzleiter Baruch Spinoza fühlt sich als Jude wegen seiner Rasse diskriminiert. Der Pförtner Friedrich Engels meint, daß er als bekennender Marxist wegen seiner Weltanschauung nie befördert worden sei. Die
    Chefsekretärin Edith Piaf meint, daß sie als Frau in dieser Firma von den sie umgebenden Obermachos ständig benachteiligt werden. Die Betriebspsychologin Hildegard von Bingen fühlt sich wegen ihrer Religion als
    praktizierende Christin diskriminiert. Mit ihrem Nonnenschleier dürfe sie noch nicht einmal die Kantine aufsuchen.

    Der im Dienst ergraute Lagerarbeiter Nostradamus wird vom Lagerleiter ständig bedrängt,
    endlich in die Rente zu gehen. Nostradamus fühlt sich wegen seines Alters diskriminiert. Der Dekorateur und Knabenliebhaber Michelangelo Caravaggio soll zukünftig nur noch mit Damen zusammenarbeiten oder ganz
    alleine dekorieren. Er meint, daß diese Anweisung eine Benachteiligung wegen seiner sexuellen Identität beinhalte und rechtswidrig sei.

    Können die Mitarbeiter des Arbeitgebers Heinrich von Kleist aufgrund des
    allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfolgreich gerichtlich vorgehen?


Die Lösung:


1. Verbotene Belästigung

    Nach § 3 Abs. 3 AGG ist eine benachteiligende oder diskriminierende Belästigung verboten. Eine Belästigung in diesem Sinne ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG
    genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken:

    – daß die Würde der betreffenden Person verletzt und

    – ein von Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung
    gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

    Diese Art der Belästigung ist letztlich eine Sonderform der Diskriminierung. Der Gesetzgeber will verhindern, daß ein „feindliches Umfeld“ im Betrieb geschaffen wird.

    Diese Art der Belästigung setzt ein kontinuierliches Handeln von seiten des Arbeitgebers oder von Seiten der Arbeitskollegen voraus. Sie ist letztlich die Vorstufe zum „Mobbing“. Als Mobbing wird nämlich
    (verkürzt ausgedrückt) das planmäßige oder systematische Schikanieren, Benachteiligen, Diskriminieren oder Anfeinden von Personen bezeichnet.

    Unter diese Art der Belästigung fällt deshalb nicht der einmalige
    Wutausbruch oder die einzelne Diskriminierung.

    Achtung: Dieser Tatbestand der Schaffung eines „feindlichen Umfelds“ ist für den Arbeitgeber jedoch von besonderer Gefahr und Bedeutung. Sobald er von
    diskriminierenden Handlungen erfährt, muß er stets eingreifen. Handelt er nicht, duldet er gar bestimmte Benachteiligungen im Betrieb, so läuft er Gefahr, daß er wegen der Mitwirkung am Entstehen eines
    feindlichen Umfeldes durch Duldung oder Unterlassung sich schadenersatzpflichtig macht.


2. Sexuelle Belästigung

    Nach § 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Belästigung noch einmal hervorgehoben und ganz ausdrücklich verboten.

    Eine sexuelle Belästigung ist nach der Definition des Gesetzes eine Benachteiligung, die ein
    unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten beinhaltet. Dieses sexuell bestimmte Verhalten bezweckt oder bewirkt, daß die Würde der betreffenden Person verletzt wird.

    Dies gilt insbesondere, wenn ein von
    Einschüchterung, Anfeindung oder Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

    Zu sexuellen Belästigungen bzw. dem sexuell bestimmten Verhalten gehören auch:

    – unerwünschte sexuelle Handlungen,

    – unerwünschte Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, zu entsprechenden Verabredungen,

    – sexuell bestimmte körperliche Berührungen,

    – Bemerkungen sexuellen Inhalts, entsprechende Witze,

    – unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen.

    Schon in der Vergangenheit hat sich die Rechtsprechung mit den
    Problemen der sexuellen Belästigung im Arbeitsverhältnis bzw. im Betrieb ausführlich befaßt. In leichteren Fällen hat die Rechtsprechung den Arbeitgeber verpflichtet, eine Abmahnung auszusprechen. In vielen
    Fällen gelangte die Rechtsprechung aber auch zu dem Ergebnis, daß eine ordentliche Kündigung bzw. eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt war.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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