(Stand 2025)
Der Fall
Heidschnuckenschäfer Hermann Löns war bei dem Jungunternehmer Emil von Behring als Landschaftspfleger angestellt, um die Grünanlagen rund um das gesamte Firmengelände und die Produktionsanlagen mit seinen Heidschnucken in Ordnung zu halten.
Im schriftlichen Arbeitsvertrag war ein Gehalt von 2.500 Euro brutto monatlich bei 40 Wochenarbeitsstunden geregelt. Außerdem war vereinbart, dass mit diesem Gehalt sämtliche Überstunden, egal welcher Art und aus welchem Grunde, abgegolten seien.
In § 15 des Arbeitsvertrages war außerdem eine Ausschlussklausel geregelt. Danach war der Arbeitnehmer verpflichtet, sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Fälligkeit schriftlich innerhalb eines Monats geltend zu machen. Andernfalls sollen diese Ansprüche verfallen.
Als Hermann Löns im Frühsommer mit seinen Heidschnucken in der Sonne so still vor sich hin träumte, erhielt er die schneidige Anweisung des Betriebsleiters Doc Holiday, sich die nächsten Wochen über das normale Maß hinaus kräftig ins Zeug zu legen, um die Außenanlagen für den Tag der Offenen Tür der Behringwerke TipTop auf Vordermann zu bringen.
Löns und seine Schafe knieten sich kräftig ins Gras. Zur Erfüllung des Auftrages leistete Löns im Juni 262 Stunden, im Juli 270 Stunden.
Als die Herbstnebel durch das Lahntal zogen, kam dem still vor sich hin sinnierenden Heidschnuckenschäfer die Idee, dass er wenigstens einen Teil seiner Überstunden bezahlt bekommen müsse. Er machte deshalb mit Schreiben vom 20.11. die Bezahlung aller Überstunden geltend, die über 216 Monatsstunden hinaus gingen. Außerdem wollte er einen Zuschlag von 25 % auf die Überstunden.
Unternehmer Emil von Behring ist der Ansicht, dass ein Überstundenanspruch wegen der vertraglichen Regelung generell nicht besteht. Außerdem wäre ein solcher Anspruch durch die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist verfallen und untergegangen.
Doch der von Hermann Löns eingeschaltete Rechtsanwalt Dr. Eisenbart fackelte nicht lange und erhob Klage. Mit Erfolg?
Die Lösung
1. Gesetzliche Arbeitszeit
Das Arbeitszeitgesetz regelt die gesetzliche Arbeitszeit. In § 3 Arbeitszeitgesetz ist vorgesehen, dass die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten darf. Das Gesetz geht allerdings von einer 6-Tage-Woche aus!
Die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden kann bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt wiederum 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Damit ergibt sich eine gesetzlich zulässige monatliche Höchstarbeitszeit von ca. 208 bis 216 Stunden, je nach Anzahl der Monatstage (8 Stunden pro Werktag x 26/27 Werktage). Das ergibt sich auch aus der zulässigen gesetzlichen Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden x 13 Wochen ÷3 Monate = 208 Stunden pro Monat.
2. Tarifliche Arbeitszeit
Die in Tarifverträgen vorgesehene tarifliche Wochenarbeitszeit ist i.d.R. deutlich kürzer, als die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit. Viele Tarifverträge gehen von der 38,5-Stunden-Woche aus, manche Tarifverträge von 35 Arbeitsstunden pro Woche, andere Tarifverträge von 40 Wochenstunden. Darüber hinaus regeln die Tarifverträge die Zahlung von Überstundenzuschlägen.
Die Regeln des Tarifvertrages gelten im Arbeitsverhältnis jedoch nur dann, wenn entweder Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitgeberverband und der zuständigen Gewerkschaft organisiert sind, der Tarifvertrag nach §
5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt wurde, oder die Geltung des Tarifvertrages im Arbeitsvertrag vereinbart wurde bzw. der Tarifvertrag aufgrund betrieblicher Übung im Betrieb allgemein auf alle Arbeitnehmer
Anwendung findet.
3. Vertragliche Arbeitszeit
Findet kein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, so kann, wie bei Hermann Löns, auch eine vertragliche Wochenarbeitszeit vereinbart werden. Diese darf jedoch nicht gegen die im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Höchstgrenzen verstoßen.
4. Überstundenzuschläge
Die Zahlung von Zuschlägen bei Überstunden (z.B. 25 %) ergibt sich nicht aus dem Arbeitszeitgesetz. Lediglich in Tarifverträgen sind solche Überstundenzuschläge geregelt.
Findet ein Tarifvertrag, wie bei Hermann Löns, auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung, so besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Überstundenprozente nur dann, wenn entweder der Tarifvertrag insoweit
arbeitsvertraglich vereinbart wurde, oder im Arbeitsvertrag die Zahlung von Überstundenzuschlägen ausdrücklich vereinbart wurde. Bei Hermann Löns war das nicht der Fall.
5. Pauschale Abgeltung von Überstunden
Sehr oft findet sich die pauschale Abgeltung von Überstunden in Arbeitsverträgen geregelt. Solche Regelungen sind jedoch bei genauer Nachprüfung oft problematisch und teilweise auch klar rechtswidrig.
Teilweise findet sich neben dem Gehalt ein pauschaler Zuschlag zur Abgeltung von Überstunden, teilweise soll mit dem Gehalt auch ohne Zuschlag jede zusätzliche Arbeit abgegolten sein.
Die pauschale Abgeltung von Überstunden durch das Gehalt oder einen Zuschlag ist jedoch nur dann rechtswirksam, wenn die Anzahl der Überstunden mit dem pauschalen Überstundenzuschlag oder dem entsprechend erhöhten Gehalt in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Außerdem muss die Zahl der abgegoltenen Überstunden im Vertrag genau beziffert sein.
Eine Regelung wie im Arbeitsvertrag von Hermann Löns, das mit dem Gehalt sämtliche Überstunden abgegolten sind, egal welcher Art, Güte und Umfang, kann in dieser umfassenden Form nicht rechtmäßig sein.
In der Regel kann mit einer solchen pauschalen Regelung bei einem angemessenen Zuschlag die Arbeitszeit bis max. zur gesetzlichen Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden abgegolten sein. Das muss jedoch im Einzelfall geprüft werden.
Die Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit wird im allgemeinen als „Mehrarbeit“ bezeichnet. Diese Mehrarbeit über das
gesetzlich zulässige Maß hinaus ist regelmäßig nicht von dem übertariflichen Gehalt, dem Überstundenzuschlag etc. mit umfaßt.
Achtung: Dies gilt auch für die Mehrarbeit von sog. außertariflichen Angestellten (AT-Angestellten). Auch bei diesen AT-Angestellten ist die Mehrarbeit nicht automatisch von dem übertariflichen Gehalt abgegolten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das AT-Gehalt nicht ganz erheblich über dem
höchsten Tarifgehalt liegt.
Außerdem muss nach neuer Rechtsprechung die Zahl der damit abgegoltenen Überstunden/Mehrarbeit im Vorhinein im Vertrag genau beziffert festgelegt worden sein. Andernfalls liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs.1 BGB vor, die den Vertrag insoweit unwirksam werden lässt.
Diese Pflicht zur genauen Bezifferung der abgegoltenen Überstunden gilt auch für AT-Angestellte. Sie haben insoweit keinen anderen Status als die „normalen“ Arbeitnehmer, auch wenn sie sich oft als herausgehoben ansehen.