Der Fall:
Arbeitgeber Cosimo Medici betreibt in Marburg die letzte Puppenklinik. Aufgrund der nicht enden wollenden Gesundheitsreformen wachsen die finanziellen Belastungen und Probleme. Die hohen
Ölpreise drohen zusätzlich seine letzten Finanzreserven aufzuzehren. Um die Klinik zu retten und den Puppenpatienten eine ortsnahe Behandlung zu ermöglichen, drosselt er in seiner Verzweiflung die Heizung auf
eine Raumtemperatur von 16 Grad. Per Rundschreiben empfiehlt er allen Mitarbeitern, sich während der Arbeit und auch sonst warm anzuziehen.
Arbeitnehmerin Romy Schneider ist es gewöhnt, ihre Umwelt an ihren
körperlichen Vorzügen durch entsprechende freizügige Kleidung teilhaben zu lassen. Sie fordert vom Arbeitgeber als zuträgliches Raumklima mindestens 26 Grad.
Arbeitnehmerin Käthe Kruse leidet an
Durchblutungsstörungen, insbesondere an den Extremitäten. Damit ihre Finger zur Operation geschmeidig bleiben, braucht sie eine angemessene Raumtemperatur. Auch in der Kantine kann sie vor Zittern ihrer Glieder
kaum die Suppe fleckenfrei löffeln.
Arbeitnehmer Albrecht Wallenstein dagegen war als Zeitsoldat bei der Bundeswehr an die Kälte der winterlichen Heide ebenso gewöhnt wie die der afghanischen Berge. Da er die
schweren Transportkisten und Lieferungen per Hand wichten muß, sind ihm selbst 16 Grad noch zu warm.
Wie muß Arbeitgeber Cosimo Medici seine Heizung einstellen?
Die Lösung:
1. Zuträgliches Raumklima
Es gibt nicht nur das Problem der Überhitzung der Betriebsräume im Sommer. Gerade auch im Winter ist das Raumklima für die Mitarbeiter und für den Arbeitserfolg von erheblicher
Bedeutung. Auf der anderen Seite ist es klar, daß die körperlichen Bedürfnisse der einzelnen Arbeitnehmer voneinander abweichen. Aus diesem Grunde kann der Arbeitgeber i.d.R. nicht jedem Bedürfnis gerecht
werden. Vielmehr ist es so, daß der Gesetzgeber versucht hat, durch angemessene Regeln einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen zu schaffen. Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber die betriebliche
Raumtemperatur nicht nach seinen Bedürfnissen und insbesondere auch nicht alleine nach seinem Geldbeutel ausrichten darf.
Die Arbeitsstättenverordnung legt zur Berücksichtigung dieser Überlegungen fest, daß
in Betriebsstätten und den Arbeitsplätzen eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bestehen müsse. Diese allgemeine Vorschrift ist jedoch in der Praxis nicht ausreichend, da die Beurteilung der
Zuträglichkeit und der gesundheitlichen Eignung je nach Bedürfnis von Arbeitnehmer zu Arbeitnehmer weit auseinander geht.
2. Wärmebilanz
Eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bzw. ein zuträgliches Klima liegt dann vor, wenn die Wärmebilanz des menschlichen Körpers ausgeglichen ist. Dies bedeutet im Ergebnis, daß
zwischen der Wärmeerzeugung des Körpers einerseits und seiner Wärmeabgabe andererseits ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muß. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Wärmeabgabe zunächst immer von der
Raumtemperatur abhängt.
Je höher die Raumtemperatur, umso niedriger ist die Wärmeabgabe. Ist die Raumtemperatur, wie im Sommer, zu hoch, so kann kaum Wärme abgegeben werden. Der Körper schwitzt.
Daneben
ist die Wärmeabgabe auch noch von anderen Faktoren abhängig, wie z.B. der Kleidung, aber auch der Luftfeuchtigkeit. Je höher die Luftfeuchtigkeit ist, umso weniger Temperatur wird abgegeben, umso schneller
schwitzt der Mensch.
Die Wärmeerzeugung des einzelnen Körpers hängt zudem insbesondere von seiner Bewegung, von der Anstrengung und der Schwere der Arbeit ab. Auf der anderen Seite kann ein ausreichendes
Polster von Fettzellen eine mangelhafte Wärmeerzeugung ausgleichen.
3. Konkrete Regeln
Der Gesetzgeber mußte sich bei der Festlegung der verschiedenen Kriterien auf objektive, vom Arbeitgeber zu beeinflussende Faktoren beschränken. Aus diesem Grunde hat die
Ausführungsrichtlinie „Raumtemperatur“ zur Arbeitsstättenverordnung folgende Regelungen zur Raum- bzw. Lufttemperatur in Arbeitsräumen aufgestellt:
a. Arbeiten überwiegend im Sitzen:
– bei leichten Arbeiten 20 Grad Celsius,
– bei mittelschwerer Arbeit 19 Grad Celsius,
b. Arbeit überwiegend oder ganz im Stehen und/oder im Gehen:
– bei leichter Arbeit 19 Grad Celsius,
– bei mittelschwerer Arbeit 17 Grad Celsius,
– bei schwerer Arbeit 12 Grad Celsius.
Arbeitgeber Cosimo Medici muß gewährleisten, daß diese Mindesttemperaturen jedenfalls im Wesentlichen
während der gesamten Arbeitszeit nicht unterschritten werden. Andererseits soll die Raumtemperatur auch im Winter 26 Grad Celsius nicht überschreiten.
Dies bedeutet im Ergebnis, daß die Mitarbeitern Romy
Schneider sich etwas wärmer kleiden sollte. Den Bedürfnissen der Arbeitnehmerin Käthe Kruse muß der Arbeitgeber jedoch nachkommen. Beim Arbeitnehmer Wallenstein im Lager darf der Arbeitgeber Heizkosten
einsparen, da dort schwere Arbeit zu leisten ist.
4. Außenräume
Es ist weiter geregelt, daß der Arbeitgeber in Pausenräumen, aber auch Liege- und Sanitätsräumen sowie in den Toiletten eine Lufttemperatur von mindestens 21 Grad Celsius während der
Nutzungsdauer, d.h. also während den Schichten gewährleisten muß.
In den Waschräumen und den Duschen sollte die Lufttemperatur nach dem Willen des Verordnungsgebers mindestens 24 Grad Celsius betragen.
5. Notfälle
Sinkt die Raumtemperatur in Betrieben aufgrund von Notfällen unter die vorgegebenen Werte ab, so muß der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare und technisch Mögliche tun, um die Raumtemperatur
im Winter wieder entsprechend zu erhöhen. Dies liegt schon in seinem eigenen Interesse, da die Arbeitsleistung sonst entsprechend absinkt.
Eine Möglichkeit besteht darin, kurzzeitig bewegliche Heizgeräte zu
installieren, die z.B. elektrisch betrieben sind. Ggf. kann der Arbeitgeber auch Decken und wärmende Arbeitskleidung ausgeben.
Gelingt es nicht, die Raumtemperatur in einer angemessenen Zeit wieder zu
stabilisieren, so kann bei unzumutbaren Temperaturen die Arbeitsverpflichtung der Arbeitnehmer entfallen.
Machen Arbeitnehmer dann ein Leistungsverweigerungsrecht geltend, müßte der Arbeitgeber Medici die
Arbeitnehmer ggf. wegen Annahmeverzugs nach § 615 BGB in vollem Umfange weiter bezahlen.