Folge 271

Nebentätigkeiten VI


Der Fall

    Arbeitgeber Friedrich Engels ist großzügig und gibt zahlreichen Mitarbeitern seiner Fabrik Nebentätigkeitsgenehmigungen. Betriebsrätin Rosa Luxemburg ist sauer und will eine genaue
    Auflistung aller genehmigten Nebentätigkeiten haben. Friedrich Engels weiß nicht, ob er berechtigt ist, die Daten herauszugeben.

    Arbeitgeber Montesquieu hat mit seinem Privatsekretär Monteverdi
    arbeitsvertraglich ein Nebentätigkeitsverbot mit Genehmigungsvorbehalt vereinbart. Als Montesquieu erfährt, daß Monteverdi heimlich ein professionelles Kompositions-Büro unterhält und viel Geld damit macht, ist
    er beleidigt. Kann er kündigen oder abmahnen oder Schadenersatz verlangen?

    Arbeitnehmer Luigi Buonaventura verschiebt für den amerikanischen Sizilianer Lucky Luciano im Nebenarbeitsverhältnis afghanische und
    libanesische Feldfrüchte. Er möchte von Lucky Luciano wie alle anderen Arbeitnehmer auch Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Feiertagsvergütung an Weihnachten und Ostern sowie an allen Marienfeiertagen
    und Weihnachtsgeld.

    Lucky Luciano meint, daß Teilzeitkräfte und Minijobber nur Anspruch auf den nackten Lohn, nicht aber auf freiwillige Leistungen etc. besitzen.


Die Lösung


1. Betriebsratsbeteiligung

    Es ist in der Rechtsprechung streitig bzw. noch nicht geklärt, ob die Betriebsrätin Rosa Luxemburg einen Anspruch gegen Arbeitnehmer Engels besitzt auf Mitteilung aller
    Nebentätigkeitsgenehmigungen.

    Datenschutzrechtliche Gründe stehen einer solchen Mitteilung nicht entgegen. Die Mitteilung erfolgt innerhalb des Betriebes. Sie stellt deshalb keine Weitergabe von Daten an
    unbefugte Dritte dar. Deshalb würde Arbeitgeber Engels keinen Rechtsverstoß bei der Weitergabe der Daten an den Betriebsrat begehen.

    Ein Anspruch der Betriebsrätin Luxemburg auf Mitteilung ist allerdings
    fraglich. Nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz besteht ein Anspruch auf Mitteilung aller Daten und Unterlagen bei der Einstellung eines Mitarbeiters, bei Versetzungen und Eingruppierungen. Nach § 102
    Betriebsverfassungsgesetz besteht ein Anspruch auf Anhörung bei Kündigung eines Arbeitnehmers. Der Gesetzgeber hat jedoch für im Laufe des Arbeitsverhältnisses erteilten Nebentätigkeitsgenehmigungen keinen
    Anspruch des Betriebsrats im Gesetz vorgesehen.

    Andererseits hat auch die Betriebsrätin Rosa Luxemburg gemeinsam mit dem Arbeitgeber darüber zu wachen, daß die Mitarbeiter im Rahmen der geltenden
    Tarifverträge und Gesetze beschäftigt werden. Diese Fürsorge- und Überwachungspflicht des Betriebsrats für Gesundheit und Wohlergehen der Mitarbeiter sowie die Einhaltung der Gesetze spricht wiederum für eine
    Mitteilung des Arbeitgebers an den Betriebsrat.

    Im Zweifel ist deshalb dem Arbeitgeber zu empfehlen, dem Betriebsrat eine entsprechende Kenntnis über die Nebentätigkeitsgenehmigungen einzuräumen. Der
    Arbeitgeber verletzt damit keine Rechtsvorschriften. Ihm entstehen dadurch auch keine Nachteile.


2. Sanktionen des Arbeitgebers

    Hat der Arbeitnehmer vertragswidrig eine Nebentätigkeitsgenehmigung nicht eingeholt, so muß dem Arbeitgeber eine Sanktion zustehen, um zukünftig vertragsgemäßes Verhalten zu erreichen.
    Arbeitgeber Montesquieu ist zu Recht empört.

    – Schadenersatz

    Sofern der Arbeitnehmer durch seine ungenehmigte, vielleicht auch unerlaubte Nebentätigkeit dem Arbeitgeber Schaden zugefügt hat, kann ein
    Schadenersatzanspruch entstehen. Der Schadenersatzanspruch setzt jedoch das Vorhandensein eines konkreten Schadens voraus.

    Schadenersatzansprüche können insbesondere entstehen, wenn der Arbeitnehmer eine
    unerlaubte Wettbewerbstätigkeit durchgeführt hat. Dies gilt z.B. im Falle des Figaros Viktor von Scheffel, der am Feierabend seine frisurbedingten Hausbesuche macht. Hier könnten tatsächliche oder potentielle
    Kunden des Arbeitsgebers betroffen sein.

    Ein Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers kann auch entstehen, wenn der bandscheibenerkrankte Schokoladenarbeiter Wenzelslaus von Knobelsdorff unerlaubt die
    Nebenerwerbslandwirtschaft seines Vaters aufnimmt, dadurch die Bandscheibe noch mehr schädigt und noch mehr krankheitsbedingte Ausfälle am Arbeitsplatz entstehen. Das gleiche gilt, wenn die Maschinenarbeiterin
    Bertha von Suttner unerlaubterweise abends ihre Kneipe betreibt und in der nächsten Frühschicht zeitweise vor sich hindämmert.

    Sollte der Arbeitgeber wegen Überschreitens der Höchstarbeitszeit des
    Arbeitszeitgesetzes ein Ordnungsgeld zahlen müssen, so könnte ein Schadenersatzanspruch entstehen, wenn die Nebentätigkeit des Arbeitnehmers nicht genehmigt war.

    – Kündigung

    Übt der Arbeitsnehmer
    verbotswidrig eine Nebentätigkeit aus, so kann auch eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Dies setzt aber voraus, daß der Arbeitnehmer seine Pflichten massiv verletzt hat bzw. das besondere
    Vertrauensverhältnis dadurch massiv gestört ist.

    Eine Kündigung kommt jedoch vor allem dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer gegen das Nebentätigkeitsverbot bzw. den Genehmigungsvorbehalt trotz Abmahnung
    immer wieder hartnäckig verstößt und eine Besserung nicht zu erkennen ist.

    – Abmahnung

    Bei einem Verstoß gegen das Genehmigungsverbot kommt i.d.R. zunächst eine Abmahnung in Betracht. Mit der Abmahnung
    kann jede Vertragsverletzung angesprochen werden, die eine gewisse Bedeutung besitzt. Der Verstoß gegen Nebentätigkeitsregeln ist im Arbeitsverhältnis immer von Bedeutung.

    – Fristlose Kündigung

    Eine
    fristlose Kündigung kommt bei der Verletzung eines Nebentätigkeitsverbotes nur im absoluten Ausnahmefall in Betracht. Sie wäre denkbar, wenn der Arbeitnehmer in einem besonders starken Maße das
    Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber verletzt hat, so daß eine weitere Zusammenarbeit undenkbar erscheint.

    Es kommen insoweit vor allem Fälle des Wettbewerbsverstoßes vor. Wenn ein Arbeitnehmer gegenüber
    seinem Arbeitgeber in gravierender Weise Wettbewerb betreibt, so ist i.d.R. eine weitere Zusammenarbeit auch während der Kündigungsfrist dem Arbeitgeber nicht zumutbar.

    Im Falle von Montesquieu liegt zwar ein
    Vertrauensverstoß vor. Monteverdi ist aber nicht im Wettbewerbsbereich tätig geworden. Er hat lediglich heimlich viel Geld gescheffelt. Montesquieu könnte den Privatsekretär Monteverdi jedenfalls abmahnen, weil
    dieser den vertraglichen Genehmigungsvorbehalt nicht respektiert und so gegen den Arbeitsvertrag verstoßen hat. Eine Kündigung wäre denkbar, wenn Monteverdi auch bei neuen Nebentätigkeiten in Zukunft gegen die
    vertragliche Regelung trotz Abmahnung verstößt.


3. Rechte aus dem Nebentätigkeitsverhältnis

    Sofern ein Arbeitnehmer neben einem Hauptarbeitsverhältnis seine Nebentätigkeit ebenfalls im Arbeitsverhältnis z.B. als Teilzeitbeschäftigter betreibt, gelten im Nebenarbeitsverhältnis
    genau die gleichen Regeln wie in einem sonstigen Arbeitsverhältnis.

    Die Rechtswirksamkeit des Arbeitsvertrags im Nebenverhältnis wird nicht durch ein Nebentätigkeitsverbot im Hauptarbeitsverhältnis berührt.
    Das Nebentätigkeitsverbot im Hauptarbeitsverhältnis gilt nur schuldrechtlich zwischen Arbeitnehmer und dem Haupt-Arbeitgeber, nicht aber zwischen Arbeitnehmer und einem weiteren Arbeitgeber. Es entfaltet keine
    Außenwirkung.

    Da die Nebentätigkeit ein neues, selbständiges Arbeitsverhältnis begründet, gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln auch für dieses neue Arbeitsverhältnis. Dies bedeutet:

    Bei einem
    Arbeitgeber mit mehr als 10 Arbeitnehmern und einer Beschäftigungsdauer von mehr als 6 Monaten gilt das Kündigungsschutzgesetz,

    die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Einstellung, Kündigung etc. im
    Betrieb des Nebenarbeitgebers sind zu beachten,

    das Arbeitszeitgesetz gilt für beide Arbeitsverhältnisse. Die Arbeitszeit in beiden Arbeitsverhältnissen ist zusammenzurechnen. Die Arbeitszeiten insgesamt
    dürfen die Höchstgrenzen der §§ 3, 5 Arbeitszeitgesetz nicht überschreiten,

    das Entgeltfortzahlungsgesetz gilt für den Arbeitnehmer in der Nebenbeschäftigung ebenso, wenn er länger als 4 Wochen beschäftigt
    ist,

    in diesem Falle hat der Arbeitnehmer dann auch Anspruch auf Feiertatgsvergütung für die gesetzlichen Feiertage (also nicht für alle Marien-Feiertage),

    im Rahmen der Gleichbehandlung muß Arbeitgeber
    Lucky Luciano dem Arbeitnehmer zumindest anteilig auch die freiwilligen Leistungen bezahlen, z.B. anteiliges Weihnachtsgeld, anteiliges Urlaubsgeld, anteilige Gewinnbeteiligung etc., soweit freiwillige
    Leistungen vorhanden sind,

    der Teilzeitarbeitnehmer im Nebenarbeitsverhältnis hat auch Anspruch auf anteilige betriebliche Altersversorgung, wenn er lange genug beschäftigt war (mehr als 5 Jahre),

    Anspruch
    auf anteiligen Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz oder geltenden Tarifverträgen nebst entsprechender Urlaubsvergütung.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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