Folge 270

Nebentätigkeiten V – Arbeitszeit


Der Fall

    Arbeitnehmerin Marylin Monroe arbeitet als Bedienung in der Marburger Oberstadt vorwiegend am Abend und am Wochenende, insgesamt 40 Stunden pro Woche. Im Arbeitsvertrag ist geregelt, daß
    jede Nebentätigkeit der Genehmigung des Arbeitgebers Humphrey bedarf. Marylin arbeitet ohne Genehmigung als Fotomodell am Vormittag 2 -3 Stunden. Als Arbeitgeber Humphrey davon erfährt, mahnt er Marylin ab:

    „Sie haben gegen Ihre Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag verstoßen, indem Sie eine Nebentätigkeit als Fotomodell ohne Genehmigung ausüben. Dies ist ein Arbeitsvertragsverstoß. Kommen Sie zukünftig Ihren
    Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nach, müssen wir Sie kündigen.“

    Marylin weint und meint, daß in der heutigen Zeit Fleiß nicht mehr belohnt werde. Die Abmahnung müsse weg.

    Der städtische Busfahrer
    Galileo Galilei will in seiner Freizeit als LKW-Fahrer im Güterverkehr arbeiten. Der Arbeitgeber verweigert die von Galileo beantragte Nebentätigkeitsgenehmigung mit der Begründung, daß die Höchstlenkzeiten dann
    überschritten würden.


Die Lösung


1. Abmahnung

    Mit der Abmahnung gegenüber Marylin Monroe übt Arbeitgeber Humphrey sein Recht als Arbeitgeber aus. Er hat auf die vertraglichen Verpflichtungen hingewiesen und darauf, daß eine
    Verletzung der Pflichten im Nebentätigkeitsbereich nicht geduldet werden.

    Die schriftliche Abmahnung hat eine Hinweis- und Dokumentationsfunktion. Sie hat außerdem eine Warnfunktion. Aus diesem Grunde ist
    wichtig, daß die Abmahnung klar und deutlich ist, den Vorwurf genau präzisiert und auf die geplanten arbeitsrechtlichen Schritte aufmerksam macht.

    Da die Abmahnung zur Personalakte kommt, den Arbeitnehmer in
    seiner beruflichen Entwicklung behindern kann, muß ein ausreichender Anlaß für die Abmahnung gegeben sein. Die Abmahnung muß außerdem in ihrem Vorwurf richtig sein.

    Ist die Abmahnung falsch, so kann die
    Arbeitnehmerin die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine unrichtige Tatsachenbehauptung enthalten ist. Dies gilt aber auch dann, wenn der Grundsatz der
    Verhältnismäßigkeit verletzt ist oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht.

    Im Falle von Marylin gibt es keinen Entfernungsanspruch. Die
    Abmahnung enthält nämlich keine unrichtigen Tatsachen. Arbeitgeber Humphrey wirft ihr vor, eine Nebentätigkeit als Model ausgeübt zu haben, ohne zuvor die Genehmigung einzuholen, die laut Vertrag erforderlich
    ist. Diese Rüge betrifft eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen.

    Die Abmahnung ist nicht unverhältnismäßig. Dem Arbeitnehmer kann nämlich durch die Überschreitung der zulässigen Tages- oder
    Wochenarbeitszeit erhebliches Übel drohen. Er macht sich insbesondere einer Ordnungswidrigkeit schuldig, wenn die Höchstarbeitszeiten des Arbeitszeitgesetzes überschritten sind.

    Merke: Wenn zwischen den
    Parteien im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag zur Nebentätigkeit ein Genehmigungsvorbehalt vereinbart ist, so muß die Arbeitnehmerin vor Aufnahme einer Nebentätigkeit die Genehmigung einholen.
    Andernfalls läge eine Arbeitsvertragsverletzung vor.

    Der Arbeitgeber darf dann allerdings die Nebentätigkeitsgenehmigung nicht willkürlich verweigern. Der Erlaubnisvorbehalt dient nur dazu, dem Arbeitgeber
    bereits vor Aufnahme der Nebentätigkeit eine Überprüfung zu ermöglichen, ob seine Interessen beeinträchtigt sind. Sofern keine schwerwiegenden sachlichen Gründe gegen eine Nebentätigkeit bestehen, muß der
    Arbeitgeber die Nebentätigkeit genehmigen.


2. Arbeitszeit

    Wird eine Nebentätigkeit in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt, so gelten die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes sowohl für das Hauptarbeitsverhältnis wie auch für die Nebentätigkeit.
    Die Arbeitnehmerin und die Arbeitgeber müssen die Höchstarbeitszeiten des § 3 und 5 Arbeitszeitgesetz beachten.

    Danach beträgt die tägliche Arbeitszeit 8 Stunden. Sie kann ausnahmsweise auf 10 Stunden pro
    Arbeitstag ausgedehnt werden. Im Durchschnitt von 24 Wochen / 6 Monaten muß jedoch die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden wieder erreicht werden. Eine Arbeitszeit von mehr als 10 Stunden ist
    generell unzulässig.

    Marylin hat an manchen Tagen mehr als 10 Stunden gearbeitet. Im Durchschnitt des halben Jahres hat sie in jedem Falle mehr als 8 Stunden pro Arbeitstag gearbeitet. Der Verstoß gegen das
    Arbeitszeitgesetz liegt also vor.

    Der Adressat des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes ist der Arbeitgeber. Er muß die Einhaltung der dort bestimmten Höchstarbeitszeiten überwachen. Nach § 2 Abs. 1
    Satz 1 Arbeitszeitgesetz sind die Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern zusammenzurechnen! Aus diesem Grunde hat der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auskunft über die Einzelheiten und den
    Umfang der beruflichen Nebentätigkeit.

    Eine Abmahnung wegen unerlaubter Nebentätigkeit ist deshalb nicht unverhältnismäßig, wenn das zeitliche Ausmaß der Nebenbeschäftigung dazu führt, daß die
    Höchstarbeitszeiten des Arbeitszeitgesetzes überschritten werden.

    Ein Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer länger als 10 Stunden beschäftigt, oder Überschreitungen auch in mehreren Arbeitsverhältnissen zusammen
    duldet, handelt ordnungswidrig und muß mit entsprechenden Geldbußen rechnen. Deshalb darf und muß der Arbeitgeber Humphrey die Arbeitszeitvorschriften kontrollieren. Er handelt damit im Interesse der Gesundheit
    des Arbeitnehmers und der Sicherheit am Arbeitsplatz.

    Werden die Höchstarbeitszeiten überschritten, so darf der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht entsprechend der eigentlichen vertraglichen Arbeitszeit
    beschäftigen, sondern muß die Arbeitnehmerin vorzeitig nach Hause schicken. Nur so kann er dafür Sorge tragen, daß die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.


3. Lenk- und Ruhezeiten

    Die Einhaltung von Ruhezeiten muß der Arbeitgeber schon nach dem Arbeitszeitgesetz überwachen. Danach muß zwischen der vorangegangenen Tätigkeit und der nachfolgenden beruflichen
    Tätigkeit eine Ruhezeit von i.d.R. mindestens 11 Stunden liegen.

    Darüber hinaus gilt für Kraftfahrer die Lenkzeitverordnung. Jeder Arbeitgeber im Speditions- und Beförderungsgewerbe muß neben der Einhaltung
    des Arbeitszeitgesetzes auch die Einhaltung der sonstigen Regeln des Verkehrsgewerbes überwachen und sicherstellen. Dazu gehört, daß die gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden.

    Aus diesem Grunde ist es sachlich gerechtfertigt, wenn im Arbeitsvertrag von Galileo Galilei ein Genehmigungsvorbehalt für anderweitige Nebentätigkeiten vereinbart ist. Der Arbeitgeber hat gerade hier einen
    erhöhten Kontrollbedarf.

    Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber dem Busfahrer Galileo keine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt für eine Tätigkeit im Güterverkehr. Gerade im
    Straßenverkehr, erst recht im Personenbeförderungsverkehr sind die Gefahren einer Übermüdung, fehlender Konzentration etc. so groß, daß hier von Seiten des Arbeitgebers alles getan werden muß, um fahrlässige
    oder vorsätzliche Gefährdungsmomente auszuschließen.

    Aus diesem Grunde ist schon in vielen Tarifverträgen der einschlägigen Gewerbe ein entsprechendes Nebentätigkeitsverbot enthalten. Dieses
    Nebentätigkeitsverbot verletzt die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Grundgesetz nicht.

    Zwar gewährleistet Art. 12 Grundgesetz die freie Wahl des Berufes. Darüber hinaus konkretisiert das
    Grundgesetz das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung.

    Durch Nebentätigkeitsverbote vertraglicher oder tariflicher Art wird in diese
    grundgesetzlich geschützte Freiheit des Arbeitnehmers eingegriffen. Gerade im Verkehrsgewerbe ist dadurch die Freiheit des Fahrers jedoch nicht übermäßig eingeschränkt. Durch das Nebentätigkeitsverbot des
    Arbeitgebers soll die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sichergestellt werden. Dies liegt im berechtigten Interesse des Arbeitgebers, aber auch des Arbeitnehmers. Nur so kann die Einhaltung der Lenk- und
    Ruhezeiten ausreichend von dem einzelnen Arbeitgeber kontrolliert werden. Die Daten aus einem anderen Arbeitsverhältnis sind dem Arbeitgeber i.d.R. nicht zugänglich. Er kann auch nicht kontrollieren, ob etwaige
    vermittelte Daten aus Nebenarbeitsverhältnissen vollständig und richtig sind.

    Aus diesem Grunde ist das Nebentätigkeitsverbot für Galileo Galilei nicht unverhältnismäßig. Es beschränkt auch die Berufsfreiheit
    des Klägers als vollzeitbeschäftigtem Busfahrer nicht in unzumutbarer Weise. Der Arbeitnehmer hat sich freiwillig und in Kenntnis der Gesamtumstände auf dieses Arbeitsverhältnis eingelassen und sich damit
    einverstanden erklärt, daß seine Berufsfreiheit im Bereich des Führens von Kraftfahrzeugen aus nachvollziehbaren Gründen eingeschränkt wird. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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