(Stand 2025)
Der Fall
Die moderne Arbeitgeberin Maria Theresia wickelt ihrer Unternehmens- und Finanzberatung nur noch über das Internet ab. Entsprechend sind ihrer Mitarbeiter während der gesamten Arbeitszeit im Internet beschäftigt.
Seit dem Jahr 2000 befindet sich auf der Startseite des Unternehmens oben links ein rot unterlegter Hinweis: „Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“. Wird dieser Hinweis angeklickt, so erfolgt eine gesperrt geschriebene Warnung. Darin wird mitgeteilt, dass jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und gespeichert wird und dass Mitarbeiter, die hier tätig werden, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.
Außerdem hat Maria Theresia durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter auf das Verbot zur privaten Internetnutzung hingewiesen.
Im Zuge einer Routinekontrolle der Festplatte stellte Maria Theresia fest, daß der von ihr ungeliebte, aber altgediente Mitarbeiter Fritz Pommerol in den letzten 3 Monaten ca. 30.000 Zugänge auf privaten Seiten aufzuweisen hatte, vorwiegend E-bay, aber auch verschiedene Chat-Foren.
Großes Interesse hatte er auf Wohnmobil-Verkaufsseiten gerichtet und auf den Ankauf von Jagdgewehren. Besonders schmerzte sie das Interesse des alten Fritz bei Last-Minute-Angeboten für Reisen nach Schlesien.
Beim Arbeitnehmer Jerome Lustigk stellte sie fest, dass dieser stundenlang mit diversen Freundinnen gechattet hat. Außerdem hat er zu Hunderten pornografische Seiten und Videos heruntergeladen und dann teilweise per E-mail unter Angabe der Firmenadresse in seinem weiten Bekanntenkreis verschickt.
Maria Theresia kündigt beiden Mitarbeitern wegen grober Treuewidrigkeit fristlos. Jerome und Fritz sind beleidigt, weil sie dies für eine überzogene Reaktion halten.
Sie behaupten, von dem Verbot der privaten Internetnutzung nichts gesehen und gehört zu haben. Maria Theresia habe keine klaren Verhältnisse geschaffen. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.
Die Lösung
10. Unbefugter Download
Eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten kann sich auch daraus ergeben, dass Arbeitnehmer eine erhebliche Menge Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme herunterladen. Dies gilt insbesondere dann, wenn dadurch die betrieblichen Datensysteme bzw. ihre Speicherkapazitäten teilweise blockiert werden oder wenn damit die Gefahr einer möglichen Infizierung mit Viren oder anderen Störungen des betrieblichen Betriebssystems verbunden sein können.
Eine Pflichtverletzung könnte auch darin bestehen, dass die privat heruntergeladenen Daten, Videos etc. zudem im Betrieb während der Arbeitszeit vom Arbeitnehmer weiterverarbeitet oder an andere Arbeitskollegen weiterversandt werden.
11. Rufschädigung
Ein besonderes Problem stellt die private Internetnutzung dar, wenn erotische oder pornografische Seiten aufgesucht werden, oder gar solche pornografischen Darstellungen auf die betrieblichen Datensysteme heruntergeladen werden. Der Arbeitnehmer muss davon ausgehen, dass auch bei einer zulässigen privaten Internetnutzung es gleichwohl generell untersagt ist, pornografische Seiten aufzusuchen oder gar solche Darstellungen auf die Geräte des Arbeitgebers herunterzuladen.
Dies gilt ebenso für das Herunterladen strafbarer Inhalte oder Darstellungen.
In einem solchen Falle muss der Arbeitnehmer damit rechnen, dass im Zweifel eine Abmahnung überflüssig ist und der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zumindest ordentlich kündigen kann.
Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer solche pornografischen Darstellungen dann auch noch verschickt, wie im Falle des Arbeitnehmers Jerome Lustigk.
In diesem Falle ist die Arbeitgeberin mit dem Vorgehen des Arbeitnehmers Jerome nicht nur durch die verlorene Arbeitszeit und entsprechende Kosten belastet. Vielmehr muss die Arbeitgeberin zusätzlich eine massive Rufschädigung durch das Versenden der pornografischen Inhalte befürchten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein solches Vorgehen im Zweifel eine Kündigung, ggf. auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
12. Kosten / Arbeitszeit
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Rechtsprechung zur Privatnutzung des Internets durch Arbeitnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Kündigung auch zu berücksichtigen ist, dass dem Arbeitgeber dadurch zusätzliche Kosten entstehen und der Arbeitnehmer die Betriebsmittel unberechtigt genutzt und damit blockiert hat.
Gravierend sieht die Rechtsprechung auch den Verlust der Arbeitszeit für den Arbeitgeber. Während ein Arbeitnehmer im Internet zu privaten Zwecken surft, belastet er den Arbeitgeber nicht nur durch die für diese Zeit erfolgte Vergütungszahlung. Vielmehr erbringt er in dieser Zeit seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht oder nicht in der erforderlichen Weise und belastet dadurch den Arbeitgeber ein weiteres Mal. Gerade die Vernachlässigung der Arbeitspflicht kann beim Arbeitgeber erhebliche Schäden verursachen.
13. Interessenabwägung
Im Rahmen einer Kündigung, insbesondere einer außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber vor Ausspruch die Interessen beider Seiten in angemessener Weise abwägen. Neben der eigentlichen Vertragsverletzung sind auch die sonstigen Umstände, insbesondere die Dauer des bisherigen Arbeitsverhältnisses, eine etwaige bisher beanstandungsfreie Erbringung der Arbeitsleistung, die Schwere
und der Umfang der Pflichtverletzung, der Umfang etwaiger Schäden, abzuwägen. Es ist dann zu prüfen, ob die festgestellten Pflichtverletzungen in Anbetracht dieser zusätzlichen Abwägungen für eine ordentliche
oder außerordentliche Kündigung ausreichen.
14. Fazit
a. Bei der unzulässigen oder übermäßigen privaten Nutzung des Internet durch Arbeitnehmer im Betrieb kann eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht oder vertraglicher Nebenpflichten sich aus verschiedenen Umständen ergeben, nämlich insbesondere
– durch eine Nutzung gegen ein ausdrückliches Verbot des Arbeitgebers,
– durch das Nichterbringen der arbeitsvertraglich
geschuldeten Arbeitsleistung während des privaten Surfens im Internet,
– durch das Herunterladen erheblicher Datenmengen aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme (unbefugter Download),
– durch die
zusätzlichen Kosten, die mit einer privaten Internetnutzung entstehen,
– durch die Rufschädigung des Arbeitgebers, wenn strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden.
Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Arbeit, wenn er während der Arbeitszeit einer privaten Internetnutzung nachgeht ohne Erlaubnis des Arbeitgebers. Diese Pflichtverletzung ist umso schwerer zu werten, je mehr der Arbeitnehmer im Rahmen der Privatnutzung des Internets in zeitlicher, aber auch in inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt.
Soweit der Arbeitnehmer die private Internetnutzung in erheblicher oder gar exzessiver Weise zeitlich ausdehnt, muss er davon ausgehen, dass der Arbeitgeber dies generell nicht dulden will. Dies gilt auch bei einem Fehlen eines ausdrücklichen Verbots der privaten Internetnutzung.