Folge 265

Surfen im Internet – Kündigung V


Der Fall

    Die moderne Arbeitgeberin Maria Theresia wickelt ihrer Unternehmens- und Finanzberatung nur noch über das Internet ab. Entsprechend sind ihrer Mitarbeiter während der gesamten
    Arbeitszeit im Internet beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 befindet sich auf der Startseite des Unternehmens oben links ein rot unterlegter Hinweis: „Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“. Wird dieser Hinweis
    angeklickt, so erfolgt eine gesperrt geschriebene Warnung. Darin wird mitgeteilt, daß jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und
    gespeichert wird und daß Mitarbeiter, die hier tätig werden, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

    Außerdem hat Maria Theresia durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter auf das Verbot zur
    privaten Internetnutzung hingewiesen.

    Im Zuge einer Routinekontrolle der Festplatte stellte Maria Theresia fest, daß der von ihr ungeliebte, aber altgediente Mitarbeiter Fritz Pommerol in den letzten 3
    Monaten ca. 30.000 Zugänge auf privaten Seiten aufzuweisen hatte, vorwiegend E-bay, aber auch verschiedene Chat-Foren. Großes Interesse hatte er auf Wohnmobil-Verkaufsseiten gerichtet und auf den Ankauf von
    Jagdgewehren. Besonders schmerzte sie das Interesse des alten Fritz bei Last-Minute-Angeboten für Reisen nach Schlesien.

    Beim Arbeitnehmer Jerome Lustigk stellte sie fest, daß dieser stundenlang mit diversen
    Freundinnen gechattet hat. Außerdem hat er zu Hunderten pornografische Seiten und Videos heruntergeladen und dann teilweise per e-mail unter Angabe der Firmenadresse in seinem weiten Bekanntenkreis verschickt.

    Maria Theresia kündigt beiden Mitarbeitern wegen grober Treuewidrigkeit fristlos. Jerome und Fritz sind beleidigt, weil sie dies für eine überzogene Reaktion halten. Sie behaupten, von dem Verbot der
    privaten Internetnutzung nichts gesehen und gehört zu haben. Maria Theresia habe keine klaren Verhältnisse geschaffen. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.


Die Lösung


10. Unbefugter Download

    Eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten kann sich auch daraus ergeben, daß ein Arbeitnehmer eine erhebliche Menge Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme
    herunterläd. Dies gilt insbesondere dann, wenn dadurch die betrieblichen Datensysteme bzw. ihre Speicherkapazitäten teilweise blockiert werden oder wenn damit die Gefahr einer möglichen Infizierung mit Viren
    oder anderen Störungen des betrieblichen Betriebssystems verbunden wären.

    Eine Pflichtverletzung könnte auch darin bestehen, daß die heruntergeladenen Daten, Videos etc. im Betrieb während der Arbeitszeit vom
    Arbeitnehmer weiterverarbeitet oder an andere Arbeitskollegen weiterversandt werden.


11. Rufschädigung

    Ein besonderes Problem stellt die private Internetnutzung dar, wenn erotische oder pornografische Seiten aufgesucht werden, oder gar solche pornografischen Darstellungen auf die
    betrieblichen Datensysteme heruntergeladen werden. Der Arbeitnehmer muß davon ausgegangen werden, daß auch bei einer privaten Internetnutzung es generell untersagt ist, pornografische Seiten aufzusuchen oder gar
    solche Darstellungen herunterzuladen.

    Dies gilt ebenso für das Herunterladen strafbarer Inhalte oder Darstellungen.

    In einem solchen Falle muß der Arbeitnehmer damit rechnen, daß im Zweifel eine Abmahnung
    überflüssig ist und der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zumindest ordentlich kündigen kann.

    Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer solche pornografischen Darstellungen dann auch noch verschickt, wie im
    Falle des Arbeitnehmers Jerome Lustigk.

    In diesem Falle ist die Arbeitgeberin mit dem Vorgehen des Arbeitnehmers Jerome nicht nur durch die verlorene Arbeitszeit und entsprechende Kosten belastet. Vielmehr
    muß die Arbeitgeberin zusätzlich eine massive Rufschädigung durch das Versenden der pornografischen Inhalte befürchten.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein solches Vorgehen im Zweifel
    eine Kündigung, ggf. auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.


12. Kosten / Arbeitszeit

    Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Rechtsprechung zur Privatnutzung des Internets durch Arbeitnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen, daß im Rahmen einer Kündigung auch zu
    berücksichtigen ist, daß dem Arbeitgeber dadurch zusätzliche Kosten entstehen und der Arbeitnehmer die Betriebsmittel unberechtigt genutzt und damit blockiert hat.

    Gravierend sieht die Rechtsprechung auch den
    Verlust der Arbeitszeit für den Arbeitgeber. Während ein Arbeitnehmer im Internet zu privaten Zwecken surft, belastet er den Arbeitgeber nicht nur durch die für diese Zeit erfolgte Vergütungszahlung. Vielmehr
    erbringt er in dieser Zeit seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht oder nicht in der erforderlichen Weise und belastet dadurch den Arbeitgeber ein weiteres Mal. Gerade die Vernachlässigung der
    Arbeitpflicht kann beim Arbeitgeber erhebliche Schäden verursachen.


13. Interessenabwägung

    Im Rahmen einer Kündigung, insbesondere einer außerordentlichen Kündigung muß der Arbeitgeber vor Ausspruch die Interessen beider Seiten in angemessener Weise abwägen. Neben der
    eigentlichen Vertragsverletzung sind auch die sonstigen Umstände, insbesondere die Dauer des bisherigen Arbeitsverhältnisses, eine etwaige bisher beanstandungsfreie Erbringung der Arbeitsleistung, die Schwere
    und der Umfang der Pflichtverletzung, der Umfang etwaiger Schäden, abzuwägen. Es ist dann zu prüfen, ob die festgestellten Pflichtverletzungen in Anbetracht dieser zusätzlichen Abwägungen für eine ordentliche
    oder außerordentliche Kündigung ausreichen.


14. Fazit

    a. Bei der unzulässigen oder übermäßigen privaten Nutzung des Internet durch Arbeitnehmer im Betrieb kann eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht oder vertraglicher
    Nebenpflichten sich aus verschiedenen Umständen ergeben, nämlich insbesondere

    – durch eine Nutzung gegen ein ausdrückliches Verbot des Arbeitgebers,

    durch das Nichterbringen der arbeitsvertraglich
    geschuldeten Arbeitsleistung während des privaten Surfens im Internet,

    durch das Herunterladen erheblicher Datenmengen aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme (unbefugter Download),

    durch die
    zusätzlichen Kosten, die mit einer privaten Internetnutzung entstehen,

    durch die Rufschädigung des Arbeitgebers, wenn strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden.

    Der Arbeitnehmer
    verletzt seine Pflicht zur Arbeit, wenn er während der Arbeitszeit einer privaten Internetnutzung nachgeht ohne Erlaubnis des Arbeitgebers. Diese Pflichtverletzung ist umso schwerer zu werten, je mehr der
    Arbeitnehmer im Rahmen der Privatnutzung des Internets in zeitlicher, aber auch in inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt.

    Soweit der Arbeitnehmer die private Internetnutzung in erheblicher oder gar exzessiver
    Weise zeitlich ausdehnt, muß er davon ausgehen, daß der Arbeitgeber dies generell nicht dulden will. Dies gilt auch bei einem Fehlen eines ausdrücklichen Verbots der privaten Internetnutzung.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.