Folge 264

Surfen im Internet – Kündigung IV

(Stand 2025)


Der Fall

Die moderne Arbeitgeberin Maria Theresia wickelt ihrer Unternehmens- und Finanzberatung nur noch über das Internet ab. Entsprechend sind ihrer Mitarbeiter während der gesamten Arbeitszeit im Internet beschäftigt.

Seit dem Jahr 2000 befindet sich auf der Startseite des Unternehmens oben links ein rot unterlegter Hinweis: „Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“. Wird dieser Hinweis angeklickt, so erfolgt eine gesperrt geschriebene Warnung. Darin wird mitgeteilt, dass jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und gespeichert wird und dass Mitarbeiter, die hier tätig werden, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

Außerdem hat Maria Theresia durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter auf das Verbot zur privaten Internetnutzung hingewiesen.

Im Zuge einer Routinekontrolle der Festplatte stellte Maria Theresia fest, dass der von ihr ungeliebte, aber altgediente Mitarbeiter Fritz Pommerol in den letzten 3 Monaten ca. 30.000 Zugänge auf privaten Seiten aufzuweisen hatte, vorwiegend E-Bay, aber auch verschiedene Chat-Foren.

Großes Interesse hatte er auf Wohnmobil-Verkaufsseiten gerichtet und auf den Ankauf von Jagdgewehren. Besonders schmerzte sie das Interesse des alten Fritz bei Last-Minute-Angeboten für Reisen nach Schlesien.

Beim Arbeitnehmer Jerome Lustigk stellte sie fest, daß dieser stundenlang mit diversen Freundinnen gechattet hat. Außerdem hat er hunderte pornografische Seiten und Videos heruntergeladen und dann teilweise per E-mail unter Angabe der Firmenadresse in seinem weiten Bekanntenkreis verschickt.

Maria Theresia kündigt beiden Mitarbeitern wegen grober Treuewidrigkeit fristlos. Jerome und Fritz sind beleidigt, weil sie dies für eine überzogene Reaktion halten.

Sie behaupten, von dem Verbot der privaten Internetnutzung nichts gesehen und gehört zu haben. Maria Theresia habe keine klaren Verhältnisse geschaffen. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.


Die Lösung


8. Gestattete Privatnutzung

Soweit die Arbeitgeberseite die Internetnutzung ausdrücklich gestattet, empfiehlt es sich wiederum dringend, den Umfang der Privatnutzung durch die Arbeitnehmer im einzelnen klar zu gestalten. Dies dient einerseits den Interessen des Arbeitgebers. Im Streitfall kann er den Nachweis führen, wo er die Grenzen gesetzt hat.

Eine solche klare Regelung dient andererseits aber auch den Interessen
der Arbeitnehmer, die dann genau wissen, in welchen Bereichen und in welchem Umfang sie privat surfen dürfen.

Die Großzügigkeit des Arbeitgebers darf in diesem Falle nicht zu einer Rechtsunsicherheit führen.

Zwar geht diese Unklarheit im Zweifel zu Lasten des Arbeitgebers. Gleichwohl kann im Ergebnis der daraus entstehende Streit und das Misstrauen einzelnen Arbeitnehmern den Arbeitsplatz kosten. Das kann aber nicht der Sinn der Gestattung sein.

Es ist deshalb wichtig, dass die Grenzen für die Nutzung durch den Arbeitnehmer genau festgelegt sind, d.h. klar ist, welche Teile des Internet vom Arbeitnehmer privat genutzt werden dürfen, wer die Kosten der Privatnutzung trägt und – vor allem – welche Arbeitszeit für eine Privatnutzung auf Kosten des Arbeitgeber aufgewandt werden darf. Gerade der letzte Punkt kann von ausschlaggebender Bedeutung sein.

Nach den gerichtlichen Erfahrungen sind Mitarbeiter ohne Grenzziehung versucht, mehr und mehr Zeit für die private Internetnutzung zu verwenden.

Sofern der Arbeitgeber die Privatnutzung beenden will, muss er dies mit der Nennung eines Zeitpunktes ebenfalls klar und deutliche allen Arbeitnehmern mitteilen. Im Streitfall muss er vor Gericht beweisen, dass alle Arbeitnehmer ordnungsgemäß informiert worden sind.
Auch hier empfiehlt es sich dringend, den Empfang der Mitteilung durch die Arbeitnehmer im einzelnen quittieren zu lassen.

Überschreitet der Arbeitnehmer den gestatteten Privatnutzungsbereich im Internet, so wäre der Arbeitnehmer im Zweifel zunächst abzumahnen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Überschreitung nicht sozial adäquate Ausmaße angenommen hat. Hier kann noch nicht von einer generellen vorsätzlichen Straftat, nämlich Zeitbetrug, ausgegangen werden.

Im Falle von Fritz Pomerol jedoch liegt eine sehr umfängliche, nahezu exzessive Inanspruchnahme der Internetnutzung für private Zwecke vor. Selbst wenn die Arbeitgeberin Maria Theresia die private Internetnutzung ohne genauere Eingrenzung gestattet hat, musste jedem verständigen Arbeitnehmer klar sein, dass diese Internetnutzung nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und des Sozialadäquanz gestattet war.

Ein Arbeitnehmer, der diese Grenzen deutlich überschreitet und das
Internet exzessiv nutzt, muß damit rechnen, daß die Arbeitsgerichte eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung als begründet erachten. Dies gilt insbesondere, wenn ein Arbeitnehmer im Durchschnitt jeden Arbeitstag
mehrere Stunden im Internet privat gesurft hat und dadurch seine Arbeitspflicht in beträchtlichem zeitlichen Umfange nicht nachgekommen ist.

Geht diese Nutzung über einen angemessenen zeitlichen Umfang hinaus,
kann kein Arbeitnehmer davon ausgehen, dass ihm dies gestattet sei. Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass ihm dieses Verhalten als vorsätzlicher Zeitbetrug angerechnet wird.

Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer wegen fehlendem Arbeitsanfall in dieser Zeit ohnehin untätig gewesen wäre („Däumchen drehen“).


9. Duldung der Privatnutzung

Bei einer fehlenden ausdrücklichen Gestattung des Arbeitgebers ist eine private Nutzung des Internets nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich untersagt.

Duldet der Arbeitgeber aber gleichwohl eine private Internetnutzung durch Arbeitnehmer, ohne Widerspruch zu erheben, so kann er die Mitarbeiter zunächst nicht arbeitsrechtlich belangen, soweit diese Internetnutzung nicht
einen angemessenen zeitlichen Umfang überschreitet.

Es muß auch bedacht werden, daß der Arbeitgeber durch die durch Unterlassung geschaffene Unklarheit seine Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern verletzt.

Eine Sinneswandel muss der Arbeitgeber dann allen Mitarbeitern klar und deutlich mitteilen. Die Arbeitnehmer erwerben durch die Duldung – auch über lange Zeiträume hinweg – keinen Anspruch auf private Nutzung des Internet. Der Arbeitgeber kann dies jederzeit durch eine klare Mitteilung beenden. Es entsteht kein „Gewohnheitsrecht“ auf private Tätigkeit während der Arbeitszeit durch Duldung.

Verstoßen dann Arbeitnehmer gegen das neu eingeführte Nutzungsverbot, so wären sie zunächst abzumahnen. Im Wiederholungsfall könnte eine
Kündigung zulässig sein.

Auch bei einer Duldung der Privatnutzung durch den Arbeitgeber gilt der Grundsatz, dass diese Duldung sich nur auf eine Privatnutzung im normalen oder angemessenen zeitlichen Umfang erstrecken kann.

Jeder verständige Arbeitnehmer muss wissen, dass der Arbeitgeber auch im Falle einer stillschweigenden Duldung nicht erlaubt, dass Arbeitspflichten massiv vernachlässigt werden oder erhebliche Arbeitszeiten ohne Erbringung der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber bezahlt werden.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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