Folge 261

Surfen im Internet – Fristlose Kündigung I

(Stand 2025)


Der Fall

Die moderne Arbeitgeberin Maria Theresia wickelt ihrer Unternehmens- und Finanzberatung nur noch über das Internet ab. Entsprechend sind ihrer Mitarbeiter während der gesamten Arbeitszeit im Internet beschäftigt.

Seit dem Jahr 2000 befindet sich auf der Startseite des Unternehmens oben links ein rot unterlegter Hinweis: „Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“. Wird dieser Hinweis angeklickt, so erfolgt eine gesperrt geschriebene Warnung. Darin wird mitgeteilt, dass jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und gespeichert wird und dass Mitarbeiter, die hier tätig werden, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

Außerdem hat Maria Theresia durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter auf das Verbot zur privaten Internetnutzung hingewiesen.

Im Zuge einer Routinekontrolle der Festplatte stellte Maria Theresia fest, dass der von ihr ungeliebte, aber altgediente Mitarbeiter Fritz Pommerol in den letzten 3 Monaten ca. 30.000 Zugänge auf privaten Seiten aufzuweisen hatte, vorwiegend E-Bay, aber auch verschiedene Chat-Foren.

Großes Interesse hatte er auf Wohnmobil-Verkaufsseiten gerichtet und auf den Ankauf von Jagdgewehren. Besonders schmerzte sie das Interesse des alten Fritz bei Last-Minute-Angeboten für Reisen nach Schlesien.

Beim Arbeitnehmer Jerome Lustigk stellte sie fest, daß dieser stundenlang mit diversen Freundinnen gechattet hat. Außerdem hat er hunderte pornografische Seiten und Videos heruntergeladen und dann teilweise per E-mail unter Angabe der Firmenadresse in seinem weiten Bekanntenkreis verschickt.

Maria Theresia kündigt beiden Mitarbeitern wegen grober Treuewidrigkeit fristlos. Jerome und Fritz sind beleidigt, weil sie dies für eine überzogene Reaktion halten.

Sie behaupten, von dem Verbot der privaten Internetnutzung nichts gesehen und gehört zu haben. Maria Theresia habe keine klaren Verhältnisse geschaffen. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.


Die Lösung


1. Verhaltensbedingte Kündigung

Verletzt ein Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag gravierend, so sieht der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung vor. Gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht, so kann der Arbeitgeber ohnehin ohne Angabe oder Vorlegen bestimmter Kündigungsgründe das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen.

In Ausnahmefällen, bei Vorliegen besonders gravierender Vertragsverletzungen kann auch nach § 626 Abs. 1 BGB außerordentlich, fristlos gekündigt werden. Diese fristlose Kündigung ist jedoch nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes durch den Arbeitgeber möglich.

Kündigungsgründe für eine verhaltensbedingte Kündigung können sich aus dem Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, seinen Arbeitskollegen oder Dritten ergeben, soweit dadurch das Arbeitsverhältnis unmittelbar beeinflusst wird. Der Regelfall besteht in Vertragsverletzungen gegenüber dem Arbeitgeber.

Eine verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz ist dann gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar ist. Dabei müssen die Interessen beider Seiten ordnungsgemäß abgewogen werden. Es können nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die einen unmittelbaren Bezug zum Arbeitgeber bzw. zum Betrieb haben.

Verfehlungen im außerdienstlichen Bereich sind nur ausnahmsweise zu berücksichtigen.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus „wichtigem Grund“ ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer den Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider
Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann.

Achtung: Das Gesetz benutzt den unbestimmten und ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“. Dieser Begriff wird sehr oft missverstanden!

Der Begriff des wichtigen Grundes ist nach objektiven Maßstäben auszulegen und zu füllen. Es kommt nicht darauf an, was der einzelne Kündigende rein subjektiv für sich und seinen Betrieb oder sein Arbeitsverhältnis als wichtigen Grund ansieht.

Warnung: Es wird in der Praxis viel zu oft fristlos gekündigt, statt des Ausspruchs einer Abmahnung oder einer ordentlichen Kündigung.

Eine unwirksame fristlose Kündigung kann vor dem Arbeitsgericht für den Arbeitgeber sehr teuer werden. Ein wichtiger Grund liegt meist nur vor, wenn der Vertragspartner eine strafbare Handlung gegen den Arbeitgeber oder Arbeitskollegen oder Kunden im dienstlichen Bereich begangen hat.

Sonstige Vertragsverletzungen müssen außergewöhnlich gravierend oder hartnäckig sein, um als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung auszureichen.


2. Prüfungsschema fristlose Kündigung

Die Berechtigung einer fristlosen Kündigung muss nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in einem zweistufigen Verfahren erfolgen.

Vor Beginn der Prüfung muss jedoch zunächst der Sachverhalt aufgeklärt werden. Wer kündigen will, braucht neben der Sachverhaltsaufklärung außerdem noch stichhaltige Beweise, da der Kündigende vor dem Arbeitsgericht die Rechtmäßigkeit seiner Kündigung darlegen muss – und beweispflichtig ist.

Wer keine Beweise hat, mag zwar im Recht sein, er wird im Prozess vor Gericht jedoch im Zweifel trotzdem verlieren, wenn er beweispflichtig ist.

Nach Aufklärung des Sachverhalts und der Sicherung der Beweise ist dann in der ersten Stufe zu prüfen, ob der ermittelte Sachverhalt nach der Rechtsprechung generell als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet und anerkannt ist. Reicht der Sachverhalt in einer generalisierenden Betrachtungsweise nach der Rechtsprechung nicht aus, so ist dringend zu raten, die Finger von einer fristlosen Kündigung zu lassen.

Liegen diese Voraussetzungen ebenfalls vor, so muss in einer zweiten Stufe geprüft werden, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. die Einhaltung der Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

In dieser Einzelfallprüfung hat die Rechtsprechung eine Interessenabwägung integriert. Danach müssen einerseits die persönlichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Andererseits aber müssen auch die Interessen des Arbeitnehmers, seine
Beschäftigungsdauer, sein Lebensalter, seine Unterhaltsverpflichtungen, ein eventuelles Mitverschulden des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen, ein Organisationsverschulden des Arbeitgebers etc. abgewogen werden.

Achtung: Bei Diebstahl, Unterschlagung und anderen Straftaten ist es unerheblich, ob es nur um einen geringfügigen Wert geht. Entscheidend ist stets der Grad des Vertrauensverstoßes.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.