Folge 256

Heiße Tage am Arbeitsplatz II


Der Fall

    Arbeitgeberin Annette von Droste hat wunderschöne Betriebsräume im Herbst angemietet mit großen Fenstern, Helligkeit und Südhanglage. Im Sommer aber knallt die Sonne auf das Gebäude und
    heizt die Räume auf 30 Grad und mehr auf.

    Arbeitnehmer Schopenhauer ist sonnen- und wärmeempfindlich. Er kann kaum noch arbeiten und verlangt hitzefrei bei voller Bezahlung.

    Arbeitnehmern Charlotte Buff
    ist von Johann Wolfgang im 6. Monat schwanger. Sie leidet sehr unter der Hitze und will von den großen Fenstern weg.

    Arbeitnehmer Fjodor Ivanovic war schon im Winter recht durstig. Jetzt fordert er von
    Arbeitgeberin Annette wegen der Hitze kostenlose Getränke aller Art.

    Dem Betriebsrat Guiseppe Verdi hat es bei den hohen Temperaturen fast die Stimme verschlagen. Er macht ein Mitbestimmungsrecht geltend und
    verlangt von Annette das Anbringen von Sonnenjalousien, die Einführung von Nachtarbeit, kostenlose Getränke für alle und eine bezahlte verlängerte Mittagspause mit Liegestühlen unter schattigen Bäumen.

    Arbeitgeberin Annette ist verzweifelt. Sie will die Räume wieder kündigen, wenn sie eine andere Betriebsstätte findet. Kurzfristig bietet sie den Arbeitnehmern Kurzarbeit an, allerdings bei voller Lohnkürzung.


Die Lösung


4. Arbeitsstättenverordnung

    Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) gilt für alle Betriebe in der Bundesrepublik mit Ausnahme der Bergwerke, des Reisegewerbes und Marktverkehrs, von Transportmitteln im
    Öffentlichen Verkehr und für Felder und Wälder von landwirtschaftlichen Betrieben sowie mit Ausnahme des Bundeskanzleramtes und diverser Bundesministerien.

    Arbeitsstätten können sich in Gebäuden oder im
    Freien befinden. Arbeitsplätze sind die Bereiche von Arbeitsstätten, in denen sich Beschäftigte regelmäßig und nicht nur kurzfristig aufhalten.

    Die Arbeitsstättenverordnung ist am 12. August 2004 neu gefaßt
    und ausgedünnt worden.

    Nach § 3 Abs. 1 ArbStättV hat die Arbeitgeberin dafür zu sorgen, daß die Arbeitsstätten den Vorschriften dieser Verordnung einschließlich ihres Anhangs entspricht. Die Arbeitsstätten
    müssen so betrieben werden, daß von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Wendet die Arbeitgeberin die Regeln nicht an, so muß sie durch andere Maßnahmen die
    gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz der Beschäftigten erreichen.

    Damit bleibt die Arbeitsstättenverordnung jedenfalls zunächst ähnlich vage und unbestimmt wie § 618 Abs. 1 BGB.

    Die alte
    Vorschrift des § 6 ArbStättV, wonach eine „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ herrschen muß und bei starker Hitzeentwicklung diese „im Rahmen des betrieblich Möglichen auf eine zuträgliche Temperatur
    gekühlt werden“ muß, besteht nicht mehr.

    Allerdings gibt es einen Anhang zu § 3 ArbStättV neuer Fassung. In Ziffer 3.5. des Anhangs verlangt der Gesetzgeber eine „gesundheitlich zuträgliche“ Raumtemperatur.

    Aus diesen Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung folgt, daß der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare und technisch Mögliche unternehmen muß, um jedenfalls Gesundheitsgefährdungen oder gar
    Gesundheitsbeeinträchtigungen der Mitarbeiter zu vermeiden.


5. Arbeitsstättenrichtlinien

    In einer Übergangszeit von maximal 6 Jahren (2012) gelten noch die Arbeitstätten-Richtlinien zur Arbeitsstättenverordnung alter Fassung weiter.

    Dort findet sich zur Frage der
    Raumtemperaturen die Arbeitsstätten-Richtlinie Raumtemperaturen / ASR 6. Zur Frage der Höchsttemperaturen in Betriebsstätten besagt die Ziffer 3.3 der ASR 6:

    „Die Lufttemperatur in Arbeitsräumen soll Plus 26
    Grad Celsius nicht überschreiten. Bei darüberliegender Außentemperatur darf in Ausnahmefällen die Lufttemperatur höher sein.“

    Weiter regelt die Ziffer 3.4 der ASR 6, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, an
    Fenstern oder Oberlichtern wirksame Schutzvorkehrungen gegen direkte Sonneneinstrahlung vorzunehmen.

    Dies bedeutet, daß die Arbeitgeberin Annette insbesondere die an der Fensterfront tätigen Mitarbeiter
    Schopenhauer und Charlotte Buff durch Sonnenjalousien, Sonnensegeln oder ähnliche Maßnahmen vor der Sonne schützen muß. Dies gilt jedenfalls so weit, wie diese Maßnahmen technisch möglich und der Arbeitgeberin
    Annette wirtschaftlich zumutbar sind.

    Achtung: Eine der Möglichkeiten, um die Raumtemperatur herabzusetzen, ist schlicht das Öffnen von Fenstern oder Türen, sofern die Außentemperatur niedriger ist, als die
    Raumtemperatur. Dabei ist jedoch zu beachten, daß Zugluft entstehen kann. Nach Ziff. 5.1 der ASR 6 ist bestimmt, daß Arbeitnehmer keiner vermeidbaren Zugluft ausgesetzt sein dürfen. Hier muß also beim Öffnen von
    Fenstern oder der Einführung eines Gebläses abgewogen werden zwischen der Hitze einerseits und der Beeinträchtigungen oder Schädigungen durch Zugluft andererseits.


6. Vermieterpflichten und Kündigung

    Annette von Droste ist Mieterin der Gewerberäume. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem vergleichbaren Fall durch Urteil vom 18.10.1994 entschieden, daß ein Arbeitgeber in gemieteten
    Gewerberäumen vom Vermieter bei zu hohen Raumtemperaturen Nachrüstung oder Maßnahmen verlangen kann wegen Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjekts. Dies gilt nach dieser Entscheidung jedenfalls dann, wenn bei
    einer Außentemperatur von 32 Grad Celsius die Innentemperatur nicht wenigstens 6 Grad weniger beträgt, als die Außentemperatur. Das Oberlandesgericht ging davon aus, daß der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer in
    diesem Falle nicht beschäftigen dürfe.

    Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf in einem ähnlichen Fall (Urteil vom 4.6.1998) soll die dauernde und krasse Überschreitung der Grenze von 26 Grad Celsius
    sogar zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigen. Das OLG Düsseldorf ging dabei von einer Gesundheitsgefährdung der Personen aus, die sich länger in Räumen mit solcher Hitze aufhielten.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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