(Stand 2025)
Der Fall
Der Großinquisitor Konrad von Marburg beschäftigt in seinem Hospital bei der Elisabethkirche neben anderen Mitarbeitern die Krankenschwester Elisabeth von Thüringen. Er will auch deren Familienangehörige in ein firmenkonformes Verhalten einbinden.
Deshalb hat er eine Ethik-Richtlinie erlassen, wonach es Familienangehörigen untersagt ist, bei Konkurrenzunternehmen zu arbeiten, oder sich an Wettbewerbsunternehmen gesellschaftsrechtlich oder aktienmäßig zu beteiligen. Elisabeth hat diese Richtlinie unterschrieben.
Als ihr Ehemann Ludwig sein Hospital in Eisenach dem konkurrierenden
Arbeiter-Samariter-Bund übergab und sich mit 20 % am Gesellschaftskapital der Marburger Krankenhausbetriebe GmbH beteiligte, drohte Konrad von Marburg der Elisabeth die fristlose Kündigung an.
Großinquisitor Konrad legt außerem großen Wert auf eine schöpfungsgerechte Ökologie. Deshalb hat er in seiner Ethik-Richtlinie weiterhin allen Bediensteten den Genuss von Fast-Food dienstlich und privat untersagt. Gestattet ist nur der Kauf von Öko-Tomaten vom seinem Hof Capelle aus Beltershausen.
Zusätzlich ist jeder Mitarbeiter durch die Ethik-Richtlinie verpflichtet worden, in seinem Zimmer den Strom ausschließlich mit Solarzellen herzustellen.
Konrad stellt fest, dass die Krankenschwester Elisabeth in der Hospitalkantine Holland-Tomaten auspackte. In ihrer Dienstwohnung über der Sakristei der E-Kirche fehlten immer noch die Solarzellen.
Schließlich ertappte Konrad die Mitarbeiter Elisabeth und den Krankenpfleger Hermann von Salza, wie sie im Fast-Food-Restaurant McBarbarossa einen Pruzzen-Burger aus dem Fleisch des fast ausgerotteten ostpreußischen Elches verzehrten. Nun kündigte Konrad von Marburg das Arbeitsverhältnis und die Dienstwohnung über der Sakristei fristlos.
Da Handy- und Internetnutzung für den Charakter schädlich ist, hat Konrad von Marburg zudem für alle Hospitalmitarbeiter in den Ethik-Richtlinien auch deren Privatnutzung im Dienst streng untersagt. Er erfasst sämtliche Zielnummern über Festnetz und WLAN und kontrolliert heftig.
Junker Jörg als Betriebsrat will dabei mitbestimmen.
Die Lösung
1. Familienangehörige
Manche Arbeitgeber versuchen in ihren Ethik-Richtlinien nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch deren Familienangehörigen einzubeziehen und ihnen Verhaltenspflichten aufzuerlegen.
Es ist kein Ausnahmefall, dass Arbeitgeber Familienangehörigen z.B. höhere Positionen bei Mitbewerbern oder gar Gesellschaftsbeteiligungen untersagen, wenn dadurch Informationen an die Mitbewerber fließen könnten, bzw. dort Geschäftsentscheidungen von Familienangehörigen mitgetragen werden.
Deshalb erfolgen Kündigungen aus solchen Gründen.
Auch wenn die Ethik-Richtlinie in diesem Punkt durch die Unterschrift von Elisabeth Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist, beinhaltet die Richtlinie insoweit einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter. Das BGB hat Verträge zu Lasten Dritter generell untersagt. Dies gilt selbst dann,
wenn der belastete Familienangehörige keine Einwendungen erhebt.
Der Arbeitsvertrag und das Direktionsrecht des Arbeitgebers Konrad von Marburg erstreckt sich alleine auf das Verhältnis mit Elisabeth von
Thüringen, nicht auf das Verhalten von Familienangehörigen.
Achtung: Möglich und sachlich gerechtfertigt wäre es allerdings, wenn Arbeitgeber Konrad der Mitarbeiterin Elisabeth untersagt, ihrem bei der Konkurrenz tätigen Ehemann Ludwig wichtige Geschäftsinformationen weiterzugeben.
Dem Arbeitgeber ist Recht darin zu geben, dass hier ein Interessenkonflikt vorliegen kann, der in jedem Falle unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten gelöst werden muss.
2. Mitbestimmung
Eine Mitbestimmung des Betriebsrats für solche unzulässigen Verträge zu Lasten Dritter besteht nicht. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung wäre ebenfalls wegen Verstoßes gegen zwingendes Bürgerliches Recht rechtsunwirksam.
Außerdem hat der Betriebsrat keine Kompetenz zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen über außenstehende Dritte. Er ist nur berufen zur Vertretung der Mitarbeiter im Betrieb.
3. Ökologierichtlinien
Es ist grundsätzlich begrüßenswert, wenn ein Arbeitgeber im Rahmen von Ethik-Richtlinien die Mitarbeiter zu einem ökologisch vertretbaren Umgang mit den Ressourcen im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses verpflichtet.
Insoweit besteht auch ein Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dieser kann darüber bestimmen, wie die Mitarbeiter in der Firma mit seinen Materialien, Vorräten und Gerätschaften arbeiten. Er hat allerdings die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.
Da hier das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter betroffen ist und nicht das Ordnungsverhalten, besteht auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der Frage, ob bzw. wie ökologisch gearbeitet wird.
3. Privatleben
Der Arbeitgeber kann jedoch die Mitarbeiter nicht per Direktionsrecht verpflichten, sich auch in ihrem Privatleben ökologisch zu verhalten bzw. zu wirtschaften. Welche Tomaten Elisabeth einkauft und wie sie ihren Strom bezieht oder erzeugt, ist nicht Sache des Arbeitgebers.
Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, im Rahmen von Ethik-Richtlinien missionarisch tätig zu sein und das von ihm al richtig erkannte ethische Verhalten auch im Privatleben der Mitarbeiter zu erzwingen.
Die Ethik-Richtlinien des Konrad von Marburg verstoßen insoweit gegen das Persönlichkeitsrecht der Elisabeth von Thüringen und gegen ihr Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Artikel 2 Grundgesetz. Entsprechende Anweisungen oder Verträge sind rechtsunwirksam.
4. Handy- und Internetnutzung
Arbeitsvertraglich hat der Arbeitgeber das Recht, darüber zu bestimmen, ob oder inwieweit Mitarbeiter das betriebliche Internet, wie auch das betriebliche Telefon oder das betriebliche Handy privat nutzen dürfen.
Soweit der Arbeitgeber die dienstliche Nutzung von Internet oder Firmentelefon zur Gänze untersagt, besteht kein Mitbestimmungsrecht.
Wenn der Arbeitgeber allerdings eine private Nutzung jedenfalls zum Teil zulässt, betrifft dies nicht das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter, sondern die Ordnung des Betriebes. Aus diesem Grunde liegt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vor.
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist auch gegeben in Bezug auf die Kontrolle des Telefon- und Internetverhaltens der Mitarbeiter. Auch hier ist die Ordnung des Betriebes betroffen. Dies gilt insbesondere für
die Frage der Zielnummererfassung, der Kontrolle der einzelnen Festplatte etc. Dem Arbeitgeber Konrad ist dringend anzuraten, mit dem Betriebsrat Junker Jörg insoweit eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.