(Stand 2025)
Der Fall
Arbeitgeber Lucky Luciano hat lange genug diverse Etablissements betrieben, um zu wissen, wie Auftragnehmer, Lieferanten, Kunden, Behörden etc. am besten geschmiert werden. Als Kenner
der Materie betreibt Lucky Luciano nunmehr auch einen großen Selbstbedienungs-Supermarkt mit einem Bewachungsunternehmen.
Er meint, aus gutem Grund folgende Ethik-Richtlinie per Rundschreiben an alle Mitarbeiter einführen zu müssen:
„Es ist den Mitarbeitern nicht erlaubt, von Kunden, von Lieferanten, potentiellen Lieferanten und Kunden Geschenke und Zuwendungen anzunehmen, danach anzufragen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass diese Person dadurch Einfluss auf eine Geschäftsentscheidung nehmen kann. Auch im Bereich der Dienstleistung, z.B. dem Restaurant, dürfen vom Kunden keinerlei Zuwendungen angenommen werden.
Beispiele für Geschenke/Zuwendungen: Trinkgelder, kostenlose Waren, Lebensmittel, Essen, Alkoholika aller Art, Tickets für Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen, Schmiergelder in Form von Waren
oder Geld, abgelaufene Muster oder Waren, bezahlte Reisen und alle Arten von persönlichen Dienstleistungen, Gefälligkeiten etc. von Dritten.
Sie haben zu beachten:
Jedes Geschenk oder jede Zuwendung muss unter Hinweis auf diese Richtlinie zurückgegeben werden. Sofern eine Rückgabe unmöglich ist, geht das Geschenk in das Eigentum des Arbeitgebers über.
Jedes Angebot von Dritten wegen eines Geschenks oder einer
Zuwendung muss sofort dem Vorgesetzten gemeldet werden.“
Der generell sehr geradlinige Mitarbeiter Thomas Müntzer hält die Ethik-Richtlinie für stark überzogen. Er hat gerade beim Anliefern von Waren in der Kirchengemeinde „Maria Regina“ einen silbernen Rosenkranz geschenkt bekommen zur Förderung seiner geplanten Wallfahrt nach Santiago de Compostela. Er will den Rosenkranz weder an die Gemeinde, noch an Lucky Luciano zurückgeben.
Der Betriebsratsvorsitzende August Bebel meint, dass nach der Wertigkeit der Trinkgelder und Geschenke unterschieden werden müsse. Die üblichen Gelegenheitsgeschenke wie Feuerzeuge, Kulis, Taschenkalender könne der Arbeitgeber nicht einfach verbieten. Jedenfalls besteht insoweit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
In der Ethik-Richtlinie regelt Arbeitgeber Lucky Luciano außerdem das generelle Verbot zur Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.
Die Lösung
4. Verbot der Gelegenheitsgeschenke
Meines Erachtens bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass der Arbeitgeber generell alle Zuwendungen verbietet, auch sozial adäquate Gelegenheitsgeschenke. Andererseits kann der Arbeitgeber auch zulassen, dass Mitarbeiter Gelegenheitsgeschenke bis zu einer gewissen Wertgrenze annehmen.
Ein generelles Trinkgeldverbot ist allerdings in den Branchen problematisch, in denen das Trinkgeld traditionell als Teil des Lohnentgelts gilt bzw. gerechnet wird ( Z.B. Friseurbranche, Gastronomie). Hier müsste der Arbeitgeber bei einem solchen Verbot evtl. das Gehalt adäquat erhöhen, um den entstehenden Verlust auszugleichen.
Möglich wäre allerdings, dass der Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Betriebsrat – falls einer existieren sollte – anordnet, dass alle Trinkgelder in eine Gemeinschaftskasse einzulegen sind. Diese werden dann einmal oder zweimal im Jahr an alle Arbeitnehmer gleichmäßig oder nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. Damit ist gewährleistet, dass auch die Mitarbeiter im „Back Office“, z.B. in der Küche oder dem Lager vom Trinkgeld profitieren können.
Der Arbeitgeber ist der Geschäftsherr, für den der Mitarbeiter bezahlt arbeitet. Aus diesem Grunde kann der Arbeitgeber vertraglich über die
Erfüllung der Arbeitsleistung und über den Umgang der Mitarbeiter mit Kunden, Lieferanten etc. bestimmen. Dazu gehört auch, Geschenke jeglicher Art zu verbieten.
Zum anderen kann nicht generell unterstellt werden, dass die Annahme von Gelegenheitsgeschenken ohne Auswirkung auf die Arbeitsleistung wäre. Jeder Restaurantbesucher weiß, dass die Höhe des Trinkgeldes durchaus geeignet ist, das Entgegenkommen der Bedienung zu beeinflussen. Der Arbeitgeber hat deshalb das Recht, durch ein gänzliches Verbot die Neutralität des Arbeitnehmers sicherzustellen.
5. Was sind Gelegenheitsgeschenke?
In der Praxis ist auch die Frage sehr problematisch, was ein sozial adäquates Gelegenheitsgeschenk ist. In der gerichtlichen Praxis gibt es genügend Fälle, wo Arbeitnehmer im Außendienst oder im Bereich der Auftragsvergabe teure Restauranteinladungen oder Weinpräsente für sozial adäquat und geringfügig halten.
Bei einer Obergrenze ist die Frage, ob und wie oft die Annahme von wiederholten Geschenken unterhalb der Grenze zulässig ist.
Sofern der Arbeitgeber die Annahme von Gelegenheitsgeschenken im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung zulässt, ist dringend zu empfehlen, exakte Festlegungen zu treffen.
6. Mitbestimmungsrecht
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf meint, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei den üblichen Werbe- und Gelegenheitsgeschenken besitzt, dass dies noch in den Bereich des
Ordnungsverhaltens falle.
Diese Ansicht ist problematisch. Richtigerweise muss davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber bei einem völligen Verbot der Geschenkannahme zunächst nur die Arbeitsleistung konkretisiert. Insoweit besteht dann kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Arbeitgeber bei der Vorteilsannahme in Höhe und Art differenziert oder Regelungen trifft, wie bei
Geschenkannahme zu verfahren ist, welche Genehmigung einzuholen ist etc. Insoweit hat Betriebsrat August Bebel Recht.
Bei der Festlegung von Obergrenzen oder einzelner zulässiger Vorteile, wie auch bei der Regelung der Verfahrensweise wird insbesondere das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen. Hier hat der Betriebsrat mitzubestimmen.
Dies gilt im vorliegenden Falle auch bei der Anweisung von Lucky
Luciano, Geschenke im Zweifel beim Arbeitgeber abzuliefern und schon jedes Angebot eines Vorteils dem Vorgesetzten zu melden.
7. Betriebsgeheimnisse
Die Regelung über den Umgang von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen stellt eine Konkretisierung des Arbeitsverhaltens und der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar. Aus diesem Grunde
besteht insoweit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Achtung: Bei solchen Regelungen sollte der Arbeitgeber jedoch klar regeln und deutlich machen, was er unter Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen
versteht.
Der Arbeitgeber muss sich darüber im Klaren sein, dass er nicht die Weitergabe jeglicher Information über den betrieblichen Alltag verbieten kann. Betriebsgeheimnisse in diesem Sinne sind nur die Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen und nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt bzw. nicht offenkundig sind.
Der Arbeitgeber muss ein berechtigtes wirtschaftliches und rechtliches Interesse daran haben, diese Tatsachen vor Dritten geheim zu halten. Geschäftsgeheimnisse beziehen sich dann neben den persönlichen und wirtschaftlichen Interessen zusätzlich auf technische Angelegenheiten.
Die Verschwiegenheitspflicht als arbeitsvertragliche Nebenverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis besteht jedoch nicht bei den sonstigen täglichen und oft banalen Vorgängen im Betrieb.