Folge 248

Ethik-Regeln VIII – Verbot von Geschenken und Zuwendungen / Betriebsgeheimnisse


Der Fall

    Arbeitgeber Lucky Luciano hat lange genug diverse Etablissements betrieben, um zu wissen, wie Auftragnehmer, Lieferanten, Kunden, Behörden etc. am besten geschmiert werden. Als Kenner
    der Materie betreibt Lucky Luciano nunmehr auch einen großen Selbstbedienungs-Supermarkt mit einem Bewachungsunternehmen.

    Er meint, aus gutem Grund folgende Ethik-Richtlinie per Rundschreiben an alle
    Mitarbeiter einführen zu müssen:

    „Es ist den Mitarbeitern nicht erlaubt, von Kunden, von Lieferanten, potentiellen Lieferanten und Kunden Geschenke und Zuwendungen anzunehmen, danach anzufragen, wenn Grund
    zur Annahme besteht, daß diese Person dadurch Einfluß auf eine Geschäftsentscheidung nehmen kann. Auch im Bereich der Dienstleistung, z.B. dem Restaurant, dürfen vom Kunden keinerlei Zuwendungen angenommen
    werden.

    Beispiele für Geschenke/Zuwendungen: Trinkgelder, kostenlose Waren, Lebensmittel, Essen, Alkoholika aller Art, Tickets für Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen, Schmiergelder in Form von Waren
    oder Geld, abgelaufene Muster oder Waren, bezahlte Reisen und alle Arten von persönlichen Dienstleistungen, Gefälligkeiten etc. von Dritten.

    Sie haben zu beachten:

    Jedes Geschenk oder jede Zuwendung muß
    unter Hinweis auf diese Richtlinie zurückgegeben werden. Sofern eine Rückgabe unmöglich ist, geht das Geschenk in das Eigentum des Arbeitgebers über.

    Jedes Angebot von Dritten wegen eines Geschenks oder einer
    Zuwendung muß sofort dem Vorgesetzten gemeldet werden.“

    Der generell sehr geradlinige Mitarbeiter Thomas Müntzer hält die Ethik-Richtlinie für stark überzogen. Er hat gerade beim Anliefern von Waren in der
    Kirchengemeinde „Maria Regina“ einen silbernen Rosenkranz geschenkt bekommen zur Förderung seiner geplanten Walfahrt nach Santiago de Compostela. Er will den Rosenkranz weder an die Gemeinde, noch an Lucky
    Luciano zurückgeben.

    Der Betriebsratsvorsitzende August Bebel meint, daß nach der Wertigkeit der Trinkgelder und Geschenke unterschieden werden müsse. Die üblichen Gelegenheitsgeschenke wie Feuerzeuge, Kulis,
    Taschenkalender könne der Arbeitgeber nicht einfach verbieten. Jedenfalls besteht insoweit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

    In der Ethik-Richtlinie regelt Arbeitgeber Lucky Luciano
    außerdem das generelle Verbot zur Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.


Die Lösung


4. Verbot der Gelegenheitsgeschenke

    Meines Erachtens bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, daß der Arbeitgeber generell alle Zuwendungen verbietet, auch sozial adäquate Gelegenheitsgeschenke. Andererseits kann
    der Arbeitgeber auch zulassen, daß Mitarbeiter Gelegenheitsgeschenke bis zu einer gewissen Wertgrenze annehmen.

    Ein generelles Trinkgeldverbot wäre nur in den Branchen problematisch, in denen das Trinkgeld
    traditionell als Teil des Lohnentgelts gilt bzw. gerechnet wird.

    Der Arbeitgeber ist der Geschäftsherr, für den der Mitarbeiter bezahlt arbeitet. Aus diesem Grunde kann der Arbeitgeber vertraglich über die
    Erfüllung der Arbeitsleistung und über den Umgang der Mitarbeiter mit Kunden, Lieferanten etc. bestimmen. Dazu gehört auch, Geschenke jeglicher Art zu verbieten.

    Zum anderen kann nicht generell unterstellt
    werden, daß die Annahme von Gelegenheitsgeschenken die Arbeitsleistung nicht beeinflussen könnte. Jeder Restaurantbesucher weiß, daß die Höhe des Trinkgeldes durchaus geeignet ist, das Entgegenkommen der
    Bedienung zu beeinflussen. Der Arbeitgeber hat deshalb das Recht, durch ein gänzliches Verbot die Neutralität des Arbeitnehmers sicherzustellen.


5. Was sind Gelegenheitsgeschenke?

    In der Praxis ist auch die Frage sehr problematisch, was ein sozial adäquates Gelegenheitsgeschenk ist. In der gerichtlichen Praxis gibt es genügend Fälle, wo Arbeitnehmer im Außendienst
    oder im Bereich der Auftragsvergabe teure Restauranteinladungen für sozial adäquat und geringfügig halten. Bei einer Obergrenze ist die Frage, ob die Annahme von wiederholten Geschenken unterhalb der Grenze
    zulässig ist.

    Sofern der Arbeitgeber die Annahme von Gelegenheitsgeschenken im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung zuläßt, ist dringend zu empfehlen, exakte Festlegungen zu treffen.


6. Mitbestimmungsrecht

    Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf meint, daß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei den üblichen Werbe- und Gelegenheitsgeschenken besitzt, daß dies noch in den Bereich des
    Ordnungverhaltens falle.

    Diese Ansicht ist höchst problematisch. Richtigerweise muß davon ausgegangen werden, daß der Arbeitgeber bei einem völligen Verbot der Geschenkannahme zunächst nur die Arbeitsleistung
    konkretisiert. Insoweit besteht dann kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

    Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Arbeitgeber bei der Vorteilsannahme differenziert oder Regelungen trifft, wie bei
    Geschenkannahme zu verfahren ist, welche Genehmigung einzuholen ist etc. Insoweit hat Betriebsrat August Bebel Recht.

    Bei der Festlegung von Obergrenzen oder einzelner zulässiger Vorteile, wie auch bei der
    Regelung der Verfahrensweise wird insbesondere das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen. Hier hat der Betriebsrat mitzubestimmen.

    Dies gilt im vorliegenden Falle auch bei der Anweisung von Lucky
    Luciano, Geschenke im Zweifel beim Arbeitgeber abzuliefern und schon jedes Angebot eines Vorteils dem Vorgesetzten zu melden.


7. Betriebsgeheimnisse

    Die Regelung über den Umgang von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen stellt eine Konkretisierung des Arbeitsverhaltens und der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar. Aus diesem Grunde
    besteht insoweit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

    Achtung: Bei solchen Regelungen sollte der Arbeitgeber jedoch klar regeln und deutlich machen, was er unter Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen
    versteht.

    Der Arbeitgeber muß sich darüber im Klaren sein, daß er nicht die Weitergabe jeglicher Information über den betrieblichen Alltag verbieten kann. Betriebsgeheimnisse in diesem Sinne sind nur die
    Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen und nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt bzw. nicht offenkundig sind. Der Arbeitgeber muß ein berechtigtes wirtschaftliches und
    rechtliches Interesse daran haben, diese Tatsachen vor Dritten geheim zu halten. Geschäftsgeheimnisse beziehen sich dann neben den persönlichen und wirtschaftlichen Interessen zusätzlich auf technische
    Angelegenheiten.

    Die Verschwiegenheitspflicht als arbeitsvertragliche Nebenverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis besteht jedoch nicht bei den sonstigen täglichen und oft banalen Vorgängen im Betrieb.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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