Folge 247

Ethik-Regeln VII – Verbot von Geschenken und Zuwendungen

(Stand 2025)


Der Fall

Arbeitgeber Lucky Luciano hat lange genug diverse Etablissements betrieben, um zu wissen, wie Auftragnehmer, Lieferanten, Kunden, Behörden etc. am besten geschmiert werden. Als Kenner
der Materie betreibt Lucky Luciano nunmehr auch einen großen Selbstbedienungs-Supermarkt mit einem Bewachungsunternehmen.

Er meint, aus gutem Grund folgende Ethik-Richtlinie per Rundschreiben an alle Mitarbeiter einführen zu müssen:

„Es ist den Mitarbeitern nicht erlaubt, von Kunden, von Lieferanten, potentiellen Lieferanten und Kunden Geschenke und Zuwendungen anzunehmen. Solche Angebote sind der Geschäftsleitung zu melden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die außenstehende Person dadurch Einfluss auf eine Geschäftsentscheidung nehmen wollte oder könnte. Auch im Bereich der Dienstleistung, z.B. dem Restaurant, dürfen vom Kunden keinerlei Zuwendungen angenommen werden.

Beispiele für Geschenke/Zuwendungen: Trinkgelder, kostenlose Waren, Lebensmittel, Essen, Alkoholika aller Art, Tickets für Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen, Schmiergelder in Form von Waren
oder Geld, abgelaufene Muster oder Waren, bezahlte Reisen und alle Arten von persönlichen Dienstleistungen, Gefälligkeiten etc. von Dritten.

Sie haben zu beachten:

Jedes Geschenk oder jede Zuwendung muss unter Hinweis auf diese Richtlinie zurückgegeben werden. Sofern eine Rückgabe unmöglich ist, geht das Geschenk in das Eigentum des Arbeitgebers über.

Jedes Angebot von Dritten wegen eines Geschenks oder einer
Zuwendung muß sofort dem Vorgesetzten gemeldet werden.“

Der generell sehr geradlinige Mitarbeiter Thomas Müntzer hält die Ethik-Richtlinie für stark überzogen. Er hat gerade beim Anliefern von Waren in der Kirchengemeinde „Maria Regina“ einen silbernen Rosenkranz geschenkt bekommen zur Förderung seiner geplanten Wallfahrt nach Santiago de Compostela. Er will den Rosenkranz weder an die Gemeinde, noch an Lucky Luciano zurück- bzw. herausgeben.

Der Betriebsratsvorsitzende August Bebel meint, dass nach der Wertigkeit der Trinkgelder und Geschenke unterschieden werden müsse. Die üblichen Gelegenheitsgeschenke wie Feuerzeuge, Kulis, Taschenkalender könne der Arbeitgeber nicht einfach verbieten. Jedenfalls bestehe insoweit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

In der Ethik-Richtlinie regelt Arbeitgeber Lucky Luciano außerdem das generelle Verbot zur Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.


Die Lösung


1. Schmiergeldverbot

Jeder Arbeitnehmer hat die vertragliche Nebenpflicht, von Kunden, Auftraggebern, Lieferanten oder sonstigen dritten Personen keine Schmiergelder entgegenzunehmen.

Dazu gehört auch, dass er sich von Dritten keine Vorteile anderer Art gewähren und versprechen lässt, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsleistung stehen oder zum Nachteil seines Arbeitgebers Einfluss auf geschäftliche Entscheidungen bewirken könnten.

Dabei spielt es keine Rolle, ob das „Schmiergeld“ in Form von Geld oder Sachleistungen, Dienstleistungen oder Zuwendungen und geldwerter Vorteile anderer Art erfolgt. Entscheidend ist nur, dass diese Zuwendungen mehr oder weniger im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder dem Arbeitgeber stehen.

Eine Verletzung dieser Nebenpflicht stellt stets einen Verstoß gegen die Interessen des Arbeitgebers dar. Der Arbeitnehmer riskiert in solchen Fällen den Ausspruch einer rechtlich dann nicht zu beanstandenden ordentlichen oder gar fristlosen Kündigung.

Es kommt nicht darauf an, ob die Gewährung von Vorteilen an den
Arbeitnehmer tatsächlich auch zu einer Schädigung des Arbeitgeber geführt hat. Es reicht vielmehr aus, daß der gewährte Vorteil allgemein die Gefahr begründet, der Annehmende werde nicht mehr alleine im Interesse des Arbeitgebers handeln.

Der tiefere Grund für die Wirksamkeit sogar einer fristlosen Kündigung liegt darin, dass der Arbeitnehmer mit der Annahme von Vorteilen und Vergünstigungen in Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung zeigt, dass er unbedenklich den eigenen Vorteil bei der Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben wahrnehmen will, obwohl er vom Arbeitgeber dafür bezahlt wird, dessen Interessen zu wahren.


Durch dieses Verhalten zerstört er das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und in seine Redlichkeit.

Der Arbeitnehmer muß deshalb Schmiergelder aller Art, Güte und Höhe ablehnen.

Hat Thomas Müntzer den silbernen Rosenkranz alleine im Zusammenhang mit der geplanten Wallfahrt nach Santiago bekommen, läge kein Verstoß gegen das Schmiergeldverbot vor. Da die Schenkung jedoch im tatsächlichen Zusammenhang mit der geschäftlichen Anlieferung erfolgte, spricht jedenfalls der erste Anschein dafür, dass dieses Geschenk von Seiten des Schenkenden wie auch von Seiten eines objektiven Betrachters im Zusammenhang mit der Erfüllung von Dienstpflichten steht.

Auch wenn der Arbeitgeber keinen Nachteil erleidet, ist Thomas Müntzer dringend zu empfehlen, den Rosenkranz an die Kirchengemeinde zurückzugeben, um eine Kündigung zu vermeiden.


2. Sozialadäquate Gelegenheitsgeschenke

Arbeitgeber Lucky Luciano verbietet in seiner Ethik-Richtlinie nicht nur die Annahme von Schmiergeldern, sondern die Annahme sämtlicher Geschenke und Zuwendungen einschließlich Trinkgelder und geringwertiger Waren. In der Rechtsprechung und Literatur wird davon ausgegangen, dass die üblichen Werbegeschenke und sozial adäquaten Gelegenheitsgeschenke keine Schmiergelder im rechtlichen Sinne darstellen. Mit solchen geringwertigen Geschenken ist i.d.R. nicht die Absicht des Schenkenden verbunden, im geschäftlichen Verkehr Vorteile zu erzielen oder gewährt zu erhalten. Stattdessen soll damit die
Verbundenheit oder Wertschätzung durch den Schenkenden ausgedrückt werden.

Es ist deshalb umstritten, ob und in welchem Umfange der Arbeitgeber die Annahme solcher Gelegenheitsgeschenke verbieten kann und ob
insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht.

Der Arbeitgeber könnte auch regeln, dass sämtliche Zuwendungen an ihn oder in eine Trinkgeld- oder Sozialkasse abgeliefert werden, deren Bestand dann in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat an die Belegschaft verteilt wird.


3. Trinkgeld als Lohnbestandteil

Etwas anderes muß dann gelten, wenn in bestimmten Branchen das Trinkgeld quasi als Lohnbestandteil angesehen oder gar mitgerechnet wird, z.B. im Bereich der Gastronomie oder des Friseurgewerbes. Wegen der z.T. niedrigen Löhne ist das Trinkgeld für den einzelnen Arbeitnehmer hier existentiell wichtig.

In diesen Branchen wäre ein generelles Trinkgeldverbot bzw. eine Ablieferungspflicht an den Arbeitgeber rechtlich höchst problematisch.

Achtung: Denkbar wäre aber die Bildung eines Trinkgeldpools, um das Trinkgeld an alle Arbeitnehmer gleichmäßig zu verteilen, auch an die 
„Hintergrundarbeitnehmer“. Das muss allerdings vertraglich mit allen Arbeitnehmern geregelt werden. Falls ein Betriebsrat existiert, muss mit ihm darüber eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Diese gilt
dann zwingend für alle Arbeitnehmer.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.