Folge 247

Ethik-Regeln VII – Verbot von Geschenken und Zuwendungen


Der Fall

    Arbeitgeber Lucky Luciano hat lange genug diverse Etablissements betrieben, um zu wissen, wie Auftragnehmer, Lieferanten, Kunden, Behörden etc. am besten geschmiert werden. Als Kenner
    der Materie betreibt Lucky Luciano nunmehr auch einen großen Selbstbedienungs-Supermarkt mit einem Bewachungsunternehmen.

    Er meint, aus gutem Grund folgende Ethik-Richtlinie per Rundschreiben an alle
    Mitarbeiter einführen zu müssen:

    „Es ist den Mitarbeitern nicht erlaubt, von Kunden, von Lieferanten, potentiellen Lieferanten und Kunden Geschenke und Zuwendungen anzunehmen, danach anzufragen, wenn Grund
    zur Annahme besteht, daß diese Person dadurch Einfluß auf eine Geschäftsentscheidung nehmen kann. Auch im Bereich der Dienstleistung, z.B. dem Restaurant, dürfen vom Kunden keinerlei Zuwendungen angenommen
    werden.

    Beispiele für Geschenke/Zuwendungen: Trinkgelder, kostenlose Waren, Lebensmittel, Essen, Alkoholika aller Art, Tickets für Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen, Schmiergelder in Form von Waren
    oder Geld, abgelaufene Muster oder Waren, bezahlte Reisen und alle Arten von persönlichen Dienstleistungen, Gefälligkeiten etc. von Dritten.

    Sie haben zu beachten:

    Jedes Geschenk oder jede Zuwendung muß
    unter Hinweis auf diese Richtlinie zurückgegeben werden. Sofern eine Rückgabe unmöglich ist, geht das Geschenk in das Eigentum des Arbeitgebers über.

    Jedes Angebot von Dritten wegen eines Geschenks oder einer
    Zuwendung muß sofort dem Vorgesetzten gemeldet werden.“

    Der generell sehr geradlinige Mitarbeiter Thomas Müntzer hält die Ethik-Richtlinie für stark überzogen. Er hat gerade beim Anliefern von Waren in der
    Kirchengemeinde „Maria Regina“ einen silbernen Rosenkranz geschenkt bekommen zur Förderung seiner geplanten Walfahrt nach Santiago de Compostela. Er will den Rosenkranz weder an die Gemeinde, noch an Lucky
    Luciano zurückgeben.

    Der Betriebsratsvorsitzende August Bebel meint, daß nach der Wertigkeit der Trinkgelder und Geschenke unterschieden werden müsse. Die üblichen Gelegenheitsgeschenke wie Feuerzeuge, Kulis,
    Taschenkalender könne der Arbeitgeber nicht einfach verbieten. Jedenfalls besteht insoweit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

    In der Ethik-Richtlinie regelt Arbeitgeber Lucky Luciano
    außerdem das generelle Verbot zur Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.


Die Lösung


1. Schmiergeldverbot

    Jeder Arbeitnehmer hat die vertragliche Nebenpflicht, von Kunden, Auftraggebern, Lieferanten oder sonstigen dritten Personen keine Schmiergelder entgegenzunehmen. Dazu gehört auch, daß
    er sich von Dritten keine Vorteile anderer Art gewähren und versprechen läßt, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsleistung stehen oder zum Nachteil seines Arbeitgebers Einfluß auf geschäftliche Entscheidungen
    bewirken könnten. Dabei spielt es keine Rolle, ob das „Schmiergeld“ in Form von Geld oder Sachleistungen, Dienstleistungen oder Zuwendungen anderer Art erfolgt. Entscheidend ist nur, daß diese Zuwendungen mehr
    oder weniger im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder dem Arbeitgeber stehen.

    Eine Verletzung dieser Nebenpflicht stellt stets einen Verstoß gegen die Interessen des Arbeitgebers dar. Der Arbeitnehmer
    riskiert in solchen Fällen den Ausspruch einer rechtlich dann nicht zu beanstandenden ordentlichen oder gar fristlosen Kündigung.

    Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gewährung von Vorteilen an den
    Arbeitnehmer tatsächlich auch zu einer Schädigung des Arbeitgeber geführt hat. Es reicht vielmehr aus, daß der gewährte Vorteil allgemein die Gefahr begründet, der Annehmende werde nicht mehr alleine im
    Interesse des Arbeitgebers handeln.

    Der tiefere Grund für die Wirksamkeit sogar einer fristlosen Kündigung liegt darin, daß der Arbeitnehmer mit der Annahme von Vorteilen und Vergünstigungen in Zusammenhang
    mit seiner Arbeitsleistung zeigt, daß er unbedenklich den eigenen Vorteil bei der Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben wahrnehmen will, obwohl er vom Arbeitgeber dafür bezahlt wird, dessen Interessen zu wahren.
    Durch dieses Verhalten zerstört er das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und in seine Redlichkeit.

    Der Arbeitnehmer muß deshalb Schmiergelder aller Art, Güte und Höhe ablehnen.

    Hat Thomas Müntzer den
    silbernen Rosenkranz alleine im Zusammenhang mit der geplanten Walfahrt nach Santiago bekommen, läge kein Verstoß gegen das Schmiergeldverbot vor. Da die Schenkung jedoch im tatsächlichen Zusammenhang mit der
    geschäftlichen Anlieferung erfolgte, spricht jedenfalls der erste Anschein dafür, daß dieses Geschenk von Seiten des Schenkenden wie auch von Seiten eines objektiven Betrachters im Zusammenhang mit der Erfüllung
    von Dienstpflichten steht. Auch wenn der Arbeitgeber keinen Nachteil erleidet, ist Thomas Müntzer dringend zu empfehlen, den Rosenkranz an die Kirchengemeinde zurückzugeben, um eine Kündigung zu vermeiden.


2. Sozialadäquate Gelegenheitsgeschenke

    Arbeitgeber Lucky Luciano verbietet in seiner Ethik-Richtlinie nicht nur die Annahme von Schmiergeldern, sondern die Annahme sämtlicher Geschenke und Zuwendungen einschließlich
    Trinkgelder und geringwertiger Waren. In der Rechtsprechung und Literatur wird davon ausgegangen, daß die üblichen Werbegeschenke und sozial adäquaten Gelegenheitsgeschenke keine Schmiergelder im rechtlichen
    Sinne darstellen. Mit solchen geringwertigen Geschenken ist i.d.R. nicht die Absicht des Schenkenden verbunden, im geschäftlichen Verkehr Vorteile zu erzielen oder gewährt zu erhalten. Stattdessen soll damit die
    Verbundenheit oder Wertschätzung durch den Schenkenden ausgedrückt werden.

    Es ist deshalb umstritten, ob und in welchem Umfange der Arbeitgeber die Annahme solcher Gelegenheitsgeschenke verbieten kann und ob
    insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht.

    Der Arbeitgber könnte auch regeln, daß sämtliche Zuwendungen an ihn oder in eine Trinkgeld- oder Sozialkasse abgeliefert werden, deren Bestand dann
    in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat an die Belegschaft verteilt wird.


3. Trinkgeld als Lohnbestandteil

    Etwas anderes muß dann gelten, wenn in bestimmten Branchen das Trinkgeld quasi als Lohnbestandteil angesehen oder gar mitgerechnet wird, z.B. im Bereich der Gastronomie oder des
    Friseurgewerbes. Wegen der z.T. niedrigen Löhne ist das Trinkgeld für den einzelnen Arbeitnehmer hier existentiell wichtig.

    In diesen Branchen wäre ein generelles Trinkgeldverbot bzw. eine Ablieferungspflicht
    an den Arbeitgeber rechtlich höchst problematisch.

    Achtung: Denkbar wäre aber die Bildung eines Trinkgeldpools, um das Trinkgeld an alle Arbeitnehmer gleichmäßig zu verteilen, auch an die „
    Hintergrundarbeitnehmer“. Das muß allerdings vertraglich mit allen Arbeitnehmern geregelt werden. Falls ein Betriebsrat existiert, muß mit ihm darüber eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Diese gilt
    dann zwingend für alle Arbeitnehmer.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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