Folge 245

Ethik-Regeln V – Test im laufenden Arbeitsverhältnis

(Stand 2025)


Der Fall:

Arbeitgeber Pietro Metastasico will Ethik-Regeln per Rundschreiben im Betrieb einführen. Die Regel Nr. 1 lautet:

„Die Firma Metastasico setzt sich für eine drogen- und alkoholfreie
Arbeitsumgebung ein. Sie kämpft mit strengen Richtlinien gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch. Deshalb verlangt Metastasico von allen Bewerbern für einen Arbeitsplatz als Teil des Einstellungsprozesses einen Leber- und Drogentest. Ein Bewerber, der positiv auf Drogen getestet wird, wird nicht eingestellt.

Bei Beförderung wird ebenfalls jeder Bewerber auf Drogenkonsum und Alkoholabhängigkeit getestet. Ein solcher Test findet außerdem statt im Falle von Arbeitsunfällen und jederzeit bei einem begründeten Verdacht“.

Der Betriebsratsvorsitzende Rinaldo Kuttelwascher ist empört. Er ist nicht generell gegen Alkohol- und Drogentests. Er reklamiert jedoch für sich ein Mitbestimmungsrecht und will dem Arbeitgeber untersagen, ohne Zustimmung des Betriebsrats ein Alkohol- und Drogenscreening durchzuführen.

Der Bewerber Johnny Schneeweiß und die Mitarbeiterin Emmy Asbach fragen sich, ob sie verpflichtet sind, solche Tests durchzuführen, was passiert bei einer Weigerung?

Pietro Metastasico verweist darauf, dass die „sauberen
Arbeitnehmer“ nichts zu befürchten haben. Deshalb seien die Tests unbedenklich. Wer sich weigert, wird nicht eingestellt bzw. abgemahnt und gekündigt.


Die Lösung:


1. Prüfungsbedarf

Immer mehr Arbeitgeber sehen einen betrieblichen Bedarf zu Alkohol- und Drogentests im laufenden Arbeitsverhältnis. Zum einen wurden teilweise bei der Einstellung schon abhängige Mitarbeiter eingestellt, zum anderen aber kann eine Abhängigkeit durchaus auch erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses entstehen.

Es gibt mittlerweile Arbeitgeber, die von ihrem Personal routinemäßig in
regelmäßigen Abständen von z.B. einem oder mehreren Jahren solche Tests verlangen. Andere Arbeitgeber verlangen sie anlassbezogen, wie z.B. Pietro Metastasico.


2. Verweigerungsrecht des Arbeitnehmers?

Der Arbeitgeber kann Blut-, Leber- oder Haartests nicht zwangsläufig gegen den Willen des Arbeitnehmers durchsetzen. Das wäre nur im Strafprozess möglich.

Allerdings kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer abmahnen oder gar kündigen, wenn er die Mitwirkung an einer Untersuchung zu Unrecht verweigert. Die Pflicht zur Untersuchung kann sich aus dem Arbeitsvertrag, aber auch aus dem Gesetz oder Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben.

Merke: Eine solche Pflicht besteht jedoch im laufenden Arbeitsverhältnis stets nur im Ausnahmefall!


3. Arbeitsvertragliche Verpflichtung

Eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Untersuchung besteht nur bei einem konkreten, dringenden Anlass. Dies gilt insbesondere dann, wenn begründete Zweifel bestehen, dass der Arbeitnehmer den Anforderungen des Arbeitsplatzes z.B. aus gesundheitlichen Gründen nicht gerecht wird.

Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn der auf Tatsachen begründete Verdacht besteht, dass eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit besteht bzw. ein entsprechender Konsum im Betrieb stattgefunden hat.

Achtung: Ein Alkohol- oder Drogenmissbrauch im Privatbereich führt in der Regel nicht zur Untersuchungspflicht des Arbeitnehmers, solange er während der Arbeitszeit sauber bleibt.

Regelmäßige Routinekontrollen lassen sich ebenfalls nicht aus den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen herleiten.


4. Gesetzliche und andere Regelungen

In Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen finden sich i.d.R. nur wenige Regelungen.

Gesetzliche Rausch- und Drogenverbote bestehen für den Wach- und Sicherheitsdienst sowie für Besatzungsmitglieder von Flugzeugen. Auch nach dem Waffengesetz sind rauschmittel- oder trunksüchtige Personen als unzuverlässig anzusehen. Solche Verbote können sich auch in berufsgenossenschaftlichen Vorschriften finden.

Gleichwohl kann der Arbeitgeber auch in diesen Fällen z.B. von einem Wachmann oder Bauarbeiter nicht verlangen, dass er sich ohne besondere Verdachtsmomente routinemäßigen Kontrollen insoweit unterzieht. Stichprobenartige Kontrollen z.B. zu Beginn des Dienstes könnten allerdings zulässig sein.

In Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen finden sich vor allem Regelungen zu Rauchverboten, kaum aber zu Alkohol- und Drogenkontrollen. Es ist auch nicht Aufgabe der Betriebspartner, einen „allgemeinen Gesundheitsfeldzug“ zu führen.


5. Zustimmung des Mitarbeiters

Drogen- und Alkoholtests mit Zustimmung des Mitarbeiters sind generell zulässig. Solche freiwilligen Tests können auch gerichtlich verwertet werden.

Voraussetzung ist jedoch die volle Kenntnis des Mitarbeiters über den Umfang des Tests sowie die Freiwilligkeit. Wird der Verzicht des Mitarbeiters auf sein Persönlichkeitsrecht durch Druck, Drohung oder eine Zwangslage vom Arbeitgeber herbeigeführt, wäre die Zustimmung unwirksam und das Ergebnis gerichtlich nicht verwertbar.


6. Der Fall

Eine Ethik-Richtlinie mit der Pflicht zum Test für alle Bewerber bei Beförderungen oder Tests nach jedem Arbeitsunfall würde einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht darstellen.

Ein sachlicher Grund bzw. eine Notwendigkeit für Alkohol- oder Drogentests bei Beförderungen ist nicht generell anzunehmen. Dies kann nur bei einzelnen wichtigen Positionen erforderlich sein, deren Stelleninhaber über das Wohl des Unternehmens oder über Leib und Leben der Mitarbeiter maßgeblich bestimmt.

Eine Pflicht zum Alkohol- oder Drogenscreening nach Arbeitsunfällen stellt im allgemeinen ebenfalls einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht dar. Es ist jeder Einzelfall zu prüfen und damit festzustellen, ob ein dringender Verdacht auf Mitverursachung durch Alkohol oder Drogen gegeben ist.

Im Falle eines begründeten Verdachts sind Gesundheitstests zulässig. Der Arbeitnehmer hat insoweit eine Pflicht zur Untersuchung. Allerdings muss sich der Verdacht auf konkrete Fakten gründen und die Tests im Rahmen der Verhältnismäßigkeit notwendig erscheinen, um weiteren Schaden vom Arbeitgeber abzuwenden.

Im Ergebnis bedeutet dies, daß Mitarbeiter Tests ablehnen dürfen, soweit kein dringender sachlicher Grund zur Durchführung dieser Tests
besteht. Sollte jedoch ein dringender Verdacht im Rahmen konkreter Vorkommnisse oder eines Arbeitsunfalls bestehen, so führt die Verweigerung durch den Arbeitnehmer ggf. zur sozial gerechtfertigten Kündigung durch den Arbeitgeber.


7. Mitbestimmung des Betriebsrats

Betriebsratsvorsitzender Renaldo Kuttelwascher hat Recht, wenn er die Wahrung der Rechte des Betriebsrats fordert. Die Einführung von Alkohol- und Drogentests durch Arbeitgeber Metastasico berührt in jedem Falle das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Diese Tests stellen einen Teil der Ordnung des Betriebes im Sinne des Mitbestimmungsrechtes dar.

Sie berühren ebenfalls das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb außerhalb seiner eigentlichen Arbeitsleistung. Ob ein Arbeitnehmer die Verpflichtung hat, an solchen Tests teilzunehmen oder nicht, ist
keine Frage des mitbestimmungsfreien Arbeitsverhaltens, sondern eine Frage des Ordnungsverhaltens.

Aus diesem Grunde muss der Arbeitgeber Metastasico vor der Einführung solcher Ethik-Regeln die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Etwas anderen gilt nur, wenn entweder bereits eine gesetzliche Regelung existiert (z.B. Wachpersonal, Fliegerpersonal) oder wenn ein reiner Einzelfall vorliegt ohne kollektiven Bezug.

Ein kollektiver Bezug ist jedoch nahezu immer gegeben, weil praktisch immer betriebliche Interessen bei einem solchen Fehlverhalten des Mitarbeiters berührt sind.

Achtung: Gesetzliche Regeln sind auch Unfallverhütungsvorschriften. Soweit diese ein Alkohol- oder Drogenverbot vorschreiben, ist gleichwohl die Art der Kontrolle, die Häufigkeit und die Regelung der Gesamtumstände bzw. des Verfahrens mitbestimmungspflichtig. Insoweit besteht dann ein weiteres Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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