Folge 244

Ethik-Regeln IV – Alkohol- und Drogentests

(Stand 2025)


Der Fall:

Arbeitgeber Pietro Metastasico will Ethik-Regeln per Rundschreiben im Betrieb einführen. Die Regel Nr. 1 lautet:

„Die Firma Metastasico setzt sich für eine drogen- und alkoholfreie
Arbeitsumgebung ein. Sie kämpft mit strengen Richtlinien gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch. Deshalb verlangt Metastasico von allen Bewerbern für einen Arbeitsplatz als Teil des Einstellungsprozesses einen Leber- und Drogentest. Ein Bewerber, der positiv auf Drogen getestet wird, wird nicht eingestellt.

Bei Beförderung wird ebenfalls jeder Bewerber auf Drogenkonsum und Alkoholabhängigkeit getestet. Ein solcher Test findet außerdem statt im Falle von Arbeitsunfällen und jederzeit bei einem begründeten Verdacht“.

Der Betriebsratsvorsitzende Rinaldo Kuttelwascher ist empört. Er ist nicht generell gegen Alkohol- und Drogentests. Er reklamiert jedoch für sich ein Mitbestimmungsrecht und will dem Arbeitgeber untersagen, ohne Zustimmung des Betriebsrats ein Alkohol- und Drogenscreening durchzuführen.

Der Bewerber Johnny Schneeweiß und die Mitarbeiterin Emmy Asbach fragen sich, ob sie verpflichtet sind, solche Tests durchzuführen, was passiert bei einer Weigerung?

Pietro Metastasico verweist darauf, dass die „sauberen
Arbeitnehmer“ nichts zu befürchten haben. Deshalb seien die Tests unbedenklich. Wer sich weigert, wird nicht eingestellt bzw. abgemahnt und gekündigt.


Die Lösung:


1. Allgemeines

Ganz unmerklich steigt die Zahl der Unternehmen, die bei der Einstellung Alkohol- und Drogentests verlangen. Drogentests werden insbesondere bei der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer immer häufiger gefordert.

Solche Tests greifen tief in das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein. Mit dem Ergebnis der Tests kann insbesondere auch ein Rückschluss auf das
Privatleben gezogen werden. Bei Leber-, Blut- und Haartests kann auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit betroffen sein.

Die Problematik gliedert sich in zwei rechtlich und tatsächlich
unterschiedliche Bereiche, nämlich in Tests bei der Einstellung einerseits und Tests während des laufenden Arbeitsverhältnisses andererseits.


2. Tests bei Einstellung

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Arbeitgeber generell berechtigt, vor der Einstellung eines Mitarbeiters eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zu verlangen. Der untersuchende Arzt des medizinischen Dienstes prüft die Tauglichkeit des Bewerbers für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung im allgemeinen und im speziellen auf den Arbeitsplatz bezogen.

Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob der Arbeitnehmer gesundheitlich überhaupt in der Lage ist, die von ihm geforderte Arbeitsleistung vertragsgemäß zu erbringen.

Der untersuchende Arzt darf dem Arbeitgeber aber nur das generelle Ergebnis der Untersuchung mitteilen, also „geeignet“ oder „nicht geeignet“. Will er mehr wissen, muss der Arbeitnehmer den Arzt von der Schweigepflicht entbinden.


3. Zulässigkeit eines Alkohol- und Drogentests

Bei der Einstellung von Mitarbeitern darf Arbeitgeber Metastasico nicht generell von jedem Bewerber einen vorsorglich Leber-, Blut- oder Drogentest verlangen. Eine entsprechende Untersuchung ist nur dann zulässig, wenn die Eignung des Bewerbers bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch generell entfällt.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Suff oder im Drogenrausch noch in der Lage ist, vernünftige Arbeitsergebnisse zu erzielen. Käme es darauf an, müsste quasi jeder Arbeitnehmer entsprechend untersucht werden.

Vielmehr verlangt die Rechtsprechung auf den konkreten Arbeitsplatz
bezogen eine besondere Risikolage bei Alkohol- und Drogenkonsum, die über das allgemeine Risiko einer Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Rauschfalle hinausgeht.


4. Beispiele

Die besonders hohe Risikolage bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz muss in jedem Einzelfalle kritisch geprüft werden. Eine solche Risikolage liegt insbesondere dann vor, wenn die durch Alkohol und Drogen bedingte Einschränkung des Arbeitnehmers zu einer besonderen Gefahrenlage für Leib und Leben von Arbeitskollegen oder Dritten führt.

Aus diesem Grunde wird im allgemeinen bei Berufsgruppen
mit besonderen Gefährdungslagen die Berechtigung eines solchen Tests befürwortet.

Darunter fallen z.B. Kraftfahrer, Gefahrgutfahrer, Waffenträger, Sicherheitsfachleute, Geldtransportfahrer, Piloten, aber auch
Chirurgen und Arbeitnehmer, die arbeitsbedingt Umgang mit Drogen haben.

Z.T. wird darauf abgestellt, ob eventuell besonders hohe Sachschäden drohen. Zu denken ist an das Personal von teuren oder gefährlichen
Spezialgeräten, die Bedienungsmannschaften von Hochöfen, Atomkraftwerken, Großbaggern oder Kränen, aber auch das Kassenpersonal in Banken.

Als weitere Gruppe von Arbeitnehmern kommen diejenigen in Betracht,
die sich selbst gefährden, wie z.B. Dachdecker, Taucher, Testfahrer oder Wartungspersonal von Elektrizitätswerken und Überlandleitungen.


5. Recht zur Verweigerung

Jeder Bewerber hat das Recht, solche Tests zu verweigern. Allerdings muss er damit rechnen, dass er dann nicht eingestellt wird. Schadenersatzansprüche sind in solchen Fällen kaum zu realisieren.

Schmerzensgeld dürfte ausscheiden, da durch die Weigerung gerade die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes vermieden wurde. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Bewerber relativ hilflos dem Verlangen
nach solchen Tests ausgeliefert ist.


6. Mitbestimmung des Betriebsrats

Einzig der Betriebsrat kann eventuell dem Missbrauch von solchen Tests durch den Arbeitgeber entgegentreten:

Mitwirkung bei Einstellung: Hat der Arbeitgeber Metastasico in unzulässiger Weise unter Verletzung des Persönlichkeitsrechtes einen Test gefordert, so kann der Betriebsrat der Einstellung des getesteten Mitarbeiters nach § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG widersprechen. Der Arbeitgeber hat nämlich gegen geltendes Recht und damit gegen ein „Gesetz“ verstoßen.

Mitbestimmung bei Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG): Will der Arbeitgeber Metastasico entsprechend seiner Ethik-Richtlinien zukünftig nur noch Bewerber einstellen, die einen Test mit negativem Ergebnis durchlaufen haben, so hat er mit der Ethik-Richtlinie eine mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG aufgestellt. Der Betriebsrat hat insoweit ein Mitbestimmungsrecht. Er kann seine Zustimmung verweigern oder eine Veränderung der Richtlinie verlangen. Im Streitfall muss der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen.

Führt der Arbeitgeber die Ethik-Richtlinie ohne den Betriebsrat ein, so kann der Betriebsrat die Aufhebung der Richtlinie und Unterlassung der Durchführung verlangen. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, kann der Betriebsrat einerseits selbst die Einigungsstelle anrufen. Andererseits kann er zunächst beim Arbeitsgericht im Wege des Eilverfahrens/Einstweilige Verfügung beantragen, die weitere Anwendung der rechtswidrig zustande gekommenen Ethik-Richtlinie dem Arbeitgeber zu untersagen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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