(Stand 2025)
Der Fall:
Kammerherr Theseus arbeitet beim geldgierigen König Midas, der teilweise die Löhne nur mit monatelanger Verspätung auszahlt.
Die Textilarbeiterin Ariadne ist bei dem Spinnereiunternehmer Minotaurus beschäftigt. Wegen schlechter Auftragslage bekommt Minotaurus regelmäßig Tobsuchtsanfälle und beschimpft die Arbeitnehmer.
Die Bedienung Aphrodite arbeitet beim Gastwirt Bacchus. Dieser verfolgt ihre weiblichen Reize leider nicht nur mit Augen.
Eurydike arbeitet als Animateurin beim Thermenbetreiber Poseidon. Eurydike behauptet, von Poseidon ständig gemobbt zu werden.
Können diese Arbeitnehmer es wagen, das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen oder per Aufhebungsvertrag zu beenden, ohne eine Sperrfrist zu bekommen?
Die Lösung:
1. Eigenkündigung
Ein Arbeitnehmer, der eine Eigenkündigung ausspricht, hat ebenso die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 159 Abs. 1 SGB III herbeigeführt, wie ein
Arbeitnehmer, der einen einvernehmlichen Auflösungsvertrag abschließt.
Generell müssen solche Arbeitnehmer deshalb mit einer Sperrfrist von 12 Wochen beim Arbeitslosengeld rechnen.
2. Ausnahme: Wichtiger Grund
Der Gesetzgeber hat bestimmt, dass die Sperrzeit nicht verhängt werden darf, wenn der Arbeitnehmer für sein Verhalten, z.B. die Eigenkündigung, einen wichtigen Grund hat. Dann tritt die Sperrzeit nicht ein. Der Arbeitnehmer muss jedoch alle für die Beurteilung des wichtigen Grundes maßgeblichen Tatsachen darlegen und auch nachweisen! Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Gründe und Tatsachen in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen.
3. Was ist wichtiger Grund?
Ein wichtiger Grund gegen die Verhängung einer Sperrzeit durch die Arbeitsagentur ist stets dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer wegen gravierender Vertragsverletzungen durch den Arbeitgeber Anlass für eine außerordentliche fristlose Kündigung gem. § 626 Abs.1 BGB hat.
Danach müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist.
Im Einzelfall kann dies schwierig zu bestimmen sein. Die Rechtsprechung hat anerkannt, dass erhebliche Lohnrückstände über längere Zeiträume (mehr als 2 Monate), wie bei Kammerherr Theseus ein wichtiger Grund sein kann.
Auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber kann – wie im Fall Aphrodite – ein Grund für eine fristlose Kündigung der Arbeitnehmerin sein.
Dies kann auch für die Fälle von Beschimpfungen durch Minotaurus oder Mobbing durch Poseidon der Fall sein. Es muss allerdings abgewogen werden, wie stark die Beeinträchtigungen sind, was unter Mobbing oder Beschimpfung fällt. Ggf. muss auch der Arbeitnehmer
zunächst das Gespräch suchen oder den Arbeitgeber abmahnen.
Achtung:
Nicht jede Fehlverhaltensweise des Arbeitgebers ist ein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers. Dementsprechend kann die Verhängung einer Sperrzeit in diesen Fällen nicht immer ausgeschlossen werden.
4. Beweislast
Bestreitet der Arbeitgeber seine Fehlverhaltensweisen gegenüber der Arbeitsagentur, so muss der Arbeitnehmer Beweis antreten. Dies kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Das muss sich vor allem die gemobbte Eurydike, die beschimpfte Ariadne und die belästigte Aphrodite klarmachen. Es ist wichtig, dass rechtzeitig Beweise gesammelt und sichergestellt werden!
5. Ratschlag
In solchen Fällen ist den Arbeitnehmern zur Vermeidung einer Sperrzeit generell zu raten, sich vor Ausspruch einer Eigenkündigung oder vor Abschluss eines Auflösungsvertrages zunächst mit der zuständigen Arbeitsagentur in Verbindung zu setzen und die Sachlage abzuklären. Gibt diese eine verbindliche Zusage, so kann die Arbeitnehmerin gehen.
6. Fazit
– Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Unterscheidung zwischen Aufhebungs- und Abfindungsvertrag nur „erfunden“ worden, um eine Sperrzeit zu umgehen. Deshalb kann der Arbeitnehmer nur in Ausnahmefällen damit rechnen, keine Sperrzeit zu bekommen, wenn er solche Verträge abschließt.
– Nur Abwicklungsverträge nach Ablauf der Klagefrist für die Kündigungsschutzklage könnten die Gewähr bieten, keine Sperrzeit zu bekommen. Das gilt jedenfalls dann, wenn lediglich noch Einzelheiten des schon beendeten Arbeitsverhältnisses geregelt und abgewickelt werden, wie z.B. eine Abfindung, ein Zeugnis, die Arbeitspapiere.
– Die Abfindungsregelung nach § 1a KSchG ist von einer Sperrzeitregelung nicht erfasst. Der Gesetzgeber und der Arbeitnehmer müssen sich allerdings nach den gesetzlichen Vorschriften richten.
– Arbeitsgerichtliche Abwicklungsvergleiche mindern das Sperrzeitrisiko. Allerdings ist die Arbeitsagentur an Prozessvergleiche nicht zwingend gebunden, ebenso wenig wie an arbeitsgerichtliche Urteile.
– Im Falle eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrages ist dem Arbeitgeber dringend zu raten, den Arbeitnehmer im Vertrag auf das Sperrzeitrisiko hinzuweisen.
– Das Sperrzeitrisiko minimiert sich oder entfällt, wenn der Arbeitnehmer
schnell eine neue Arbeitsstelle gefunden hat.
-Wichtig in einem Abfindungsvertrag ist es, immer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers aufzunehmen. Sofern eine „einvernehmliche Kündigung“ oder „Eigenkündigung“ des Arbeitnehmers aufgenommen ist, ist im Normalfall eine Sperrzeit ohne vorherige Einschaltung und Zustimmung der Arbeitsagentur unumgänglich.