Der Fall:
Arbeitgeberin Pallas Athene kündigt betriebsbedingt ihren flotten Fahrradboten Hermes. Post- und Frachtbeförderung werden im Weg des Outsourcing auf die
Trojanische Spedition Priamus ausgelagert.
Der altgediente Hermes ist empört. Unter Vermittlung des Rechtsanwaltes und Mediators Sokrates schlossen Pallas Athene und Hermes 2 Wochen nach Ausspruch der
Kündigung einen Abwicklungsvertrag, um eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden. Darin ist geregelt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wird. Im Gegenzug bekommt Hermes eine Abfindung von 5.000
Euro.
Als bei der Arbeitsagentur die zuständige Sachbearbeiterin Cassandra von diesem Abwicklungsvertrag erfuhr, verhängte sie gegen den unglücklichen Hermes unverzüglich eine Sperrfrist von 12 Wochen für das
Arbeitslosengeld.
Hermes ist verzweifelt. Was haben beide Parteien falsch gemacht?
Die Lösung
1. Bisherige Rechtslage
Nach § 147 Sozialgesetzbuch III muß der Arbeitslose mit einer Sperrzeit rechnen, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit
herbeigeführt hat. Dies galt vor allem, wenn er mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden war, das Arbeitsverhältnis „einvernehmlich“ beendet wurde.
Ein solches Einvernehmen wurde deshalb
schon immer bei „Aufhebungsverträgen“ angenommen. Dagegen konnten die Vertragsparteien bei „Abwicklungsverträgen“ damit rechnen, daß gegen den arbeitslosen Arbeitnehmer keine Sperrzeit verhängt wird.
Dies hat
sich nun mit dem neuen Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.12.2003 grundlegend geändert. Das Bundessozialgericht hat insoweit bei der Frage der Sperrfrist zu Lasten des Arbeitnehmers Klarheit geschaffen.
2. Aufhebungsvertrag
Ein Aufhebungsvertrag liegt dann vor, wenn ein Arbeitnehmer mit der Arbeitgeberin zur Vermeidung einer Kündigung einen Vertrag schließt, mit dem das
Arbeitsverhältnis beendet wird.
Unabhängig von der Formulierung, Bezeichnung, Etikettierung gingen die Bundesagentur und die Rechtsprechung davon aus, daß in diesem Falle der Arbeitnehmer aktiv und
einvernehmlich mit der Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis beendete. Eine Sperrzeit war hier schon vorprogrammiert.
Das entscheidende Merkmal des Aufhebungsvertrages besteht darin, daß eine Kündigung vor
Vertragsschluß noch nicht ausgesprochen wurde.
3. Abwicklungsvertrag
Im Gegensatz dazu wurde der Abwicklungsvertrag bisher zeitlich im Anschluß an eine vom Arbeitgeber ausgesprochene, in der Regel betriebsbedingte Kündigung
geschlossen.
In diesem Abwicklungsvertrag akzeptierte der Arbeitnehmer die schon ausgesprochene Kündigung. Er verzichtete praktisch auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder nahm die bereits erhobene
Klage zurück.
Im Gegenzug versprach die Arbeitgeberin eine Abfindung. Weiterhin wurden im Abfindungsvertrag möglichst alle anderen wichtigen Punkte, wie Restlohnzahlung, Urlaub, Zeugnis, Arbeitspapiere etc.
geregelt.
Bei diesen gerichtlichen oder außergerichtlichen Abwicklungsverträgen wurde von der Arbeitsagentur in der Regel bzw. in vielen Fällen keine Sperrzeit verhängt. Das Bundessozialgericht hatte sich
insoweit auch noch nicht auf eine Sperrzeit festgelegt. Zumindest bei außergerichtlichen Abwicklungsverträgen werden zukünftig Sperrzeiten verhängt.
Das hat sich mit der neuen Entscheidung des
Bundessozialgerichtes jedoch grundlegend geändert.
4. Unterlassen der Kündigungsschutzklage
Das bloße Unterlassen einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer löst keine Sperrzeit aus. Dies galt bereits in der Vergangenheit und gilt auch
weiter in der Zukunft. Das Bundessozialgericht hat in der Entscheidung vom 18.12.2003 noch einmal ausdrücklich dazu Stellung genommen.
Es hat ausgeführt, daß das Arbeitslosenversicherungsrecht dem
Arbeitnehmer nicht die Obliegenheit auferlegt, sich zur Vermeidung einer Sperrzeit gegen eine rechtswidrige Kündigung zu wehren. Die Sperrzeitenregelungen des § 144 SGB III knüpft lediglich an ein aktives
Verhalten eines Arbeitnehmers an.
Wenn der Arbeitnehmer nur passiv bleibt, sich also nicht gegen die Kündigung wehrt und auch keinen Auflösungs- oder Abwicklungsvertrag abschließt, kann dem Arbeitnehmer
daraus kein Vorwurf gemacht werden. Die Arbeitsagentur darf keine Sperrfrist verhängen.