Der Fall
Arbeitgeber Schiller will dem scheidenden Arbeitnehmer Goethe kein Zeugnis ausstellen. Go
ethe war so schlecht, daß Schiller sich schämt, dies alles
niederzuschreiben. Gleichwohl fordert Goethe ein wohlwollendes und gutes Zeugnis, um sich zukünftig anderweitig zu bewerben.
Schiller meint, daß das Zeugnis zumindest wahr sein müsse. Andernfalls setze er
sich Schadenersatzansprüchen weiterer Arbeitgeber aus. Er fragt, ob denn tatsächlich ein Zeugnisanspruch besteht.
Die Lösung
1. Gesetzlicher Zeugnisanspruch
Nachdem in der Vergangenheit gesetzliche Zeugnisansprüche sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie im Handelsgesetzbuch und in der Gewerbeordnung verankert
waren, z.T. für Arbeiter aber gar kein gesetzlicher, sondern allenfalls ein vertraglicher oder tariflicher Anspruch bestand, hat nunmehr der Gesetzgeber in § 109 Gewerbeordnung den Zeugnisanspruch für alle
Arbeitnehmer als Spezialnorm einheitlich geregelt. Die Regelung des § 630 BGB gilt somit nur noch für Freie Mitarbeiter, arbeitnehmerähnliche Personen und Dienstverhältnisse allgemeiner Art.
Nach dieser
gesetzlichen Regelung haben alle Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis.
In § 109 Abs. 3 GewO ist die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form
ausgeschlossen. Das Zeugnis muß schriftlich erstellt sein mit der Unterschrift des Arbeitgebers oder seines zuständigen Vertreters im Betrieb, z.B. des Personalleiters. Die Unterschrift muß eigenhändig gefertigt
sein. Eine Kopie oder Faksimileunterschrift reicht nicht aus.
2. Einfaches Zeugnis
Nach der Definition des Gesetzes muß das Zeugnis mindestens Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Dieses einfache Zeugnis ist faktisch ein
Arbeitsnachweis. Dieser Arbeitsnachweis enthält jedoch keine Angaben zur Leistung und zu weiteren Dingen im Arbeitsverhältnis. Es ist in der Regel nur bei kurzfristigen Arbeitsverhältnissen oder bei ganz
einfachen Arbeitsverhältnissen üblich und zu empfehlen.
3. Qualifiziertes Zeugnis
Der Arbeitnehmer kann nach § 109 Abs. 1 GewO verlangen, daß sich die Angaben im Zeugnis darüber hinaus neben Art und Dauer der Tätigkeit auch auf Leistung
und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken. Dies wird als „qualifiziertes Zeugnis“ im Gesetz bezeichnet.
Das qualifiziertes Zeugnis soll ein getreues Spiegelbild aller vom Arbeitnehmer erbrachten
Tätigkeiten und Verhaltensweisen sein. Es muß i.d.R. eine Tätigkeitsbeschreibung enthalten. Die Leistung kann durch verschiedene Kriterien, wie Fachkenntnis, Arbeitsbereitschaft, Arbeitsinitiative,
Arbeitsqualität und Fleiß erfaßt werden.
Das Verhalten erstreckt sich vor allem auf das Sozialverhalten gegenüber vorgesetzten Kollegen und Untergebenen.
Das qualifizierte Zeugnis enthält auch eine
Beurteilung der Leistung und des Verhaltens. Dies ist eine Gesamtnote am Schluß des Zeugnisses. Vor allem diese Benotung im Rahmen der „Zufriedenheits-Formulierungen“ führt zu viel Streit. Es ist zu empfehlen,
auf andere, nicht so abgegriffene Formulierungen auszuweichen, die ein besseres Bild vom Arbeitnehmer geben.
4. Zwischenzeugnis
Das Zwischenzeugnis ist im Gesetz nicht geregelt. Ein gesetzlicher Anspruch besteht insoweit nicht. Nach der Rechtsprechung besteht jedoch ein
vertraglicher Anspruch dann, wenn der Arbeitnehmer seine Stelle wechseln will, wenn maßgebliche Vorgesetzte weggehen oder der Arbeitnehmer versetzt wird oder andere berechtigte Belange bestehen.
5. Wahrheit / Verständlichkeit
Nach § 109 Abs. 2 GewO muß das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es dürfen keine Merkmale oder Formulierungen enthalten sein, die den Zweck
haben, eine andere Aussage zu treffen, als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtlich ist.
Der Gesetzgeber hat mit dieser Formulierung zunächst verboten, daß in Zeugnissen eine Geheimsprache oder
geheime Merkmale verwandt werden, die den Arbeitnehmer über den wirklichen Inhalt des Zeugnisses täuschen sollen.
Es gibt eine Vielzahl von Publikationen, die behaupten, daß in Zeugnissen solche
Geheimsprachen benutzt werden. Im allgemeinen sind die „Verschwörungstheorien“ nicht begründet. Es gibt allgemein-negative Formulierungen, die so stark in Gebrauch sind, daß sie ein normal verständiger Mensch
auch als negative Äußerung erkennt.
Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, daß z.B. innerhalb eines Konzerns oder einer eng verbundenen Gewerbegruppe es durchaus möglich ist, daß solche verdeckten
Formulierungen, eine Art Geheimsprache, gewählt ist. Der Gesetzgeber hat dies aber ausdrücklich verboten.
Darüber hinaus verlangt der Gesetzgeber eine klare und verständliche Formulierung und Zeugnissprache.
Was darunter im einzelnen zu verstehen ist, kann sehr streitig sein. Diese Streitigkeiten werden oft vor Arbeitsgerichten ausgetragen. Jedenfalls aber wollte der Gesetzgeber keine Verschlüsselung und keine
inhaltsleeren, hochtrabenden Formulierungen.
6. Allgemeine Zeugnisgrundsätze
Nach der Rechtsprechung gibt es 4 allgemeine Zeugnisgrundsätze, an den Zeugnisse zu orientieren sind, nämlich
– der Grundsatz der Wahrheit,
– der Grundsatz des Wohlwollens,
– der Grundsatz der Vollständigkeit und
– der Grundsatz der individuellen Beurteilung.
Der Gesetzgeber hat die von der Rechtsprechung geforderte wohlwollende und
zugleich wahrheitsgemäße Abfassung des Zeugnisses nicht im Gesetz aufgenommen. Es bleibt ein Rätsel, warum dies nicht geschehen ist. Diese Grundsätze gelten jedoch nach ständiger Rechtsprechung auch weiterhin.
Deshalb hat Arbeitgeber Schiller recht, daß er den miserablen Arbeitnehmer Goethe nicht ein Glanzzeugnis geben kann. Andernfalls müßte er mit Schadenersatzansprüchen anderer Arbeitgeber rechnen.
Die
Grundsätze von Wohlwollen und Wahrheit widersprechen sich. Ein wahres Zeugnis wird oft nicht wohlwollend sein und umgekehrt. Die Kunst des Zeugnisschreibens besteht deshalb insbesondere darin, neben einer klaren
und verständlichen Sprache bestimmte Dinge wegzulassen, ohne daß der Wahrheitsgehalt erheblich darunter leidet.
7. Ausstellungsdatum
Auch das Ausstellungsdatum unterliegt der Wahrheitspflicht. Aus diesem Grunde ist generell eine Rückdatierung des Ausstellungszeitpunktes problematisch.
Das Zeugnisdatum richtet sich nach dem Zeugnis der Antragstellung. Hat der Arbeitgeber später das Zeugnis auf Verlangen des Arbeitnehmers geändert oder berichtigt, so muß dieses ursprüngliche Zeugnis im neu
formulierten Zeugnis wieder verwandt werden.
8. Schlußformel
In der Schlußformel hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, auf den scheidenden Arbeitnehmer individuell einzugehen und seine Wertschätzung in besonderer
Weise auszudrücken.
Nach allgemeiner Rechtsprechung hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine bestimmte Schlußformulierung. Aus diesem Grunde sind diese Formulierungen für einen neuen Arbeitgeber
besonders interessant und vom Arbeitnehmer in besonderer Weise erwünscht.
Dabei handelt es sich z.B. um das besondere Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers, besonderen Dank oder den Erwerb von
besonderen Verdiensten um die Firma.