Folge 220

Neue Gewerbeordnung IV


Der Fall

    In der Spielbank erhalten die Croupiers keine Vergütung. Vielmehr wird alles Geld, das die Spieler in den Tronc spenden, an die Croupiers verteilt als einzige Einnahmequelle für die
    Croupiertätigkeit. Gastwirt Gscheidle will dies ebenso handhaben. Er stellt Kellner ein ohne Lohnanspruch. Da seine Gäste spendabel sind, reicht das Trinkgeld nach seiner Meinung aus.

    Friseur Charly zahlt nur
    den niedrigsten Tariflohn an seine Mitarbeiter. Er meint, daß diese mit dem Trinkgeld zusätzlich auf ein ausreichend hohes Einkommen gelangen. Gastwirt Bacchus zahlt zwar Festlohn, er verlangt jedoch von allen
    Mitarbeitern, daß sie ihr Trinkgeld bei ihm a

    bliefern. Am Ende des Jahres verteilt er dieses Trinkgeld nach seinen eigenen Grundsätzen für gute und für schlechte Leistungen.



Die Lösung



1. Gesetzliche Regelung


    Der Gesetzgeber hat erstmals in § 107 Abs. 3 die Frage der Anrechnung von Trinkgeld auf Lohn wie folgt geregelt:

    „Die Zahlung eines regelmäßigen
    Arbeitsentgelts kann nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche
    Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.“

    Der Gesetzgeber hat im letzten Satz definiert, was unter Trinkgeld zu verstehen ist. Es ist die Leistung eines
    Dritten, nicht des Arbeitgebers, die ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zufließt, zusätzlich zum Arbeitsentgelt.

    Der Gesetzgeber hatte darüber hinaus in dieser Vorschrift ausdrücklich die
    Verrechnung des Trinkgeldes mit dem regelmäßigen Arbeitslohn untersagt. Dies bedeutet, daß Gastwirt Gscheidle seinen Kellnern den üblichen Lohn, d.h. in diesem Falle den Tariflohn für Gaststättenangestellte
    nachzahlen muß.




    Achtung:


    Gastwirt Gscheidle kann sich nicht auf die Gepflogenheiten in der Spielbank berufen. Die Croupiers dort sind nicht Arbeitnehmer im
    eigentlichen Sinne. Der Tronc ist auch kein Trinkgeld im eigentlichen Sinne. Vielmehr zahlen die Gäste in den Tronc nicht im Sinne von Trinkgeld ein, sondern als eine B

    ezahlung der erbrachten Dienstleistungen.

    Letztendlich ist aus der Vorschrift auch zu folgern, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Anrechnung von Trinkgeld auf den Lohn bzw. die Verrechnung von Trinkgeld mit Lohn generell untersagt ist. Ein
    festvereinbarter Lohn darf deshalb nicht gemindert werden, weil der Arbeitnehmer in einem Monat einen bestimmten Trinkgeldbetrag erhalten hat.

    Andererseits ist es aber zulässig, daß bei der Lohnbemessung
    generell berücksichtigt wird, daß der Arbeitnehmer Nebeneinnahmen durch Trinkgeld besitzt. Es ist deshalb sowohl im Gaststättengewerbe wie auch in anderen Dienstleistungsbereichen, z.B. im Friseurgewerbe,
    durchaus zulässig und Usus, die Festlohnhöhe letztendlich auch mit Blick auf das zu erwartende Trinkgeld entsprechend festzusetzen. Hier erfolgt keine Verrechnung des Trinkgeldes mit dem Lohn. Der Arbeitnehmer
    erhält vielmehr auch vom Friseur Charly den Lohn, den er mit dem Arbeitgeber vereinbart. hat.




    Beachte:


    Nach Definition des Gesetzgebers ist Trinkgeld ein
    Geldbetrag, den ein Dritter an den Arbeitnehmer leistet. Es ist deshalb nicht zulässig, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer g

    egen seinen Willen zwingt, das Trinkgeld abzuliefern
    und der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers zu unterstellen. Die Geschäftspraktiken von Gastwirt Bacchus sind nicht in Ordnung.

    Zulässig ist es dagegen, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die
    Verwendung des Trinkgeldes vertragliche Vereinbarungen treffen. So ist es rechtlich unbedenklich, wenn im Dienstleistungsbereich aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung das Trinkgeld zentral gesammelt wird, um
    es dann nach einem bestimmten, vertraglich vereinbarten Schlüssel an alle Arbeitnehmer zu verteilen. Damit kommen auch die Arbeitnehmer in den Genuß des Trinkgeldes, die nicht unmittelbar im Kundenkontakt
    stehen. Es empfiehlt sich in diesem Falle aber immer, eine entsprechende Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat oder entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit allen Arbeitnehmern.




    Achtung:


    Bedenklich wäre allerdings ein Vertrag, nach dem sich der Arbeitnehmer im Vorhi

    nein verpflichtet, sämtliches Trinkgeld an den Arbeitgeber
    abzuliefern und dem Arbeitgeber die Bestimmungsbefugnis über die Verwendung des Trinkgeldes alleine zu überlassen. Eine solche vertragliche Blankettvereinbarung könnte gegen die guten Sitten verstoßen.



2. Abrechnung der Vergütung


    In § 108 GewO hat der Gesetzgeber die Abrechnung des Arbeitsentgeltes geregelt. Die Abrechnung muß danach stets in Textform, d.h. also in Schriftform
    erteilt werden, allerdings ohne Unterschrift.

    Die Mindestvoraussetzungen für die Abrechnung sind die Angaben des Abrechnungszeitraumes und die Zusammensetzung des Arbeitsentgeltes. Hinsichtlich der
    Zusammensetzung müssen insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge gemacht werden, aufgenommen werden müssen Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse.

    Diese Mindestvoraussetzungen erfordern eine entsprechende detaillierte Abrechnung. Sie sollen den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, die Berechnung ihres Entgeltanspruches überprüfen zu können.




    Achtung:


    Dies ist vor allem wichtig, weil in vielen Tarifverträgen, manchmal auch in Arbeitsve

    rträgen kurze Ausschlußfristen von 2 oder 3
    Monaten enthalten sind, binnen derer Abrechnungsfehler, das Fehlen von Leistungen, Überstunden etc. schriftlich beziffert geltend gemacht werden müssen. Anderenfalls ist der entsprechende Vergütungsanspruch
    verfallen. Diese Ausschlußfristen setzen voraus, daß eine Abrechnung zum einen detailliert ist, zum anderen aber auch verständlich.

    Die vom Gesetzgeber geforderte Textform der Abrechnung nimmt auf § 126 b BGB
    Bezug. Danach muß die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneter Weise abgegeben werden, die Person des Erklärenden genannt und der Abschlußerklärung durch
    Nachbildung der Namensunterschrift oder auf andere Weise erkennbar gemacht werden.

    3. Wegfall der Abrechnungspflicht

    Die Abrechnungspflicht entfällt nach § 108 Abs. 2 GewO, wenn sich die Angaben in der
    Abrechnung gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben. Damit wollte der Gesetzgeber den Abrechnungsaufwand begrenzen. Sofern der Abrechnungsinhalt völlig unverändert ist, muß eine neue
    Abrechnung erst dann erteilt werden, wenn Veränderungen auftauchen.




    Achtung:


    Dies bedeutet aber, daß bei jedem Vorschuß, bei jeder Überstunde, bei Zahlungen
    von Urlaubsgeld, Gratifikationen, Abzügen wegen Vorschüssen oder wegen Sachbezugs j

    eweils eine neue Abrechnung zu erteilen ist.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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