Folge 204

Befristung bei Krankheitsvertretung



Der Fall


    Arbeitnehmerin Sissi vertritt die wegen Krebs langzeiterkrankte Oblatenbäckerin Maria Theresia mit befristeten Verträgen. Die Befristung läuft jeweils 6
    Monate. Die dritte Befristung wegen Krankheitsvertretung endete zum 31.8.2005.

    Maria Theresia teilte im Oktober 2005 mit, daß sie wegen ihrer schweren Krankheit nicht mehr kommen würde. Arbeitgeber Franz
    Josef und Maria Theresia schlossen einen Auflösungsvertrag.

    Arbeitgeber Franz Josef teilte Sissi mit, daß ihr Vertrag am 31.10.2005 wegen Befristung auslaufe. Auf den freigewordenen Arbeitsplatz stellte er
    lieber die junge Romy Schneider ein.

    Sissy ist empört. Sie meint, daß wegen Ausscheidens von Maria Theresia der Arbeitsplatz rechtlich ihr als Vertretungskraft zusteht. Außerdem sei die dritte Befristung
    rechtsunwirksam, weil durch die schwere Krankheit von Maria Theresia ein Dauertatbestand vorliege, der keine Vertretung mehr gerechtfertigt habe.



Die Lösung



1. Zweck und Zeitbefristung


    Nach § 620 BGB kann ein Arbeitsverhältnis auch befristet abgeschlossen werden. Die näheren Einzelheiten der Befristung sind mittlerweile im Teilzeit- und
    Befristungsgesetz geregelt, nämlich in den §§ 14ff. Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).

    Zu unterscheiden ist zunächst zwischen der Zeitbefristung und der Zweckbefristung.

    Ist eine Befristung
    vereinbart mit einem bestimmten Datum als Endzeitpunkt oder eine Befristung mit einem bestimmten Zeitablauf nach Wochen oder Monaten bzw. Jahren bemessen mit einem kalendermäßig bestimmten Anfangsdatum, so liegt
    eine kalendermäßige Befristung bzw. eine Zeitbefristung vor.

    Eine Befristung kann jedoch auch für einen bestimmten Zweck abgeschlossen werden. Die Befristung endet dann mit Erreichen des Zweckes. Insoweit
    liegt eine auflösende Bedingung vor.

    Befristungen wegen Vertretung von anderen kurzfristig oder langfristig ausgefallenen Mitarbeitern sind rechtlich zulässig. Steht der genaue Zeitpunkt der Wiederkehr fest,
    so kann eine kalendermäßige Befristung vereinbart werden.

    Im Falle der Krankheitsvertretung steht in vielen Fällen die genaue Rückkehr der kranken Mitarbeiterin nicht fest. Zumeist weiß diese selbst nicht,
    wann die Genesung endgültig abgeschlossen ist. Aus diesem Grunde kann die Krankheitsvertretung sowohl als Zweckbefristung, wie auch mittels einer kalendermäßigen Befristung verändert werden.

    Im Falle der
    Zweckbefristung ist Befristungszweck die Krankheitsvertretung bis
    zur Genesung bzw. Arbeitsfähigkeit oder bis zum Tod. Es empfiehlt sich hier, ein Enddatum als Höchstdauer oder längste Laufzeit des Vertrages zu vereinbaren.

    Der Arbeitgeber kann aber auch das Risiko
    eingehen, bei entprechend lange andauernden Krankheiten eine Zeitbefristung mit kalendermäßigem Enddatum oder einer bestimmten Laufzeit zu vereinbaren. Kommt allerdings die erkrankte Arbeitnehmerin dann früher,
    hat er zeitweise 2 Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz. Wenn dies vereinbart ist, kann er ggf. vorzeitig das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist beenden.

    Ist bei
    einer Zeitbefristung die erkrankte Mitarbeiterin länger krank, als der Befristungslauf dauert, so ist dies für die Zulässigkeit der Befristung unschädlich.

    Problematisch ist nur der Falle, in dem der
    Arbeitgeber wissentlich eine viel zu lange Befristungsdauer vereinbart. Dann könnte die Differenz zwischen der Erkrankung der vertretenen Mitarbeiterin und der Befristungsdauer zur Rechtsunwirksamkeit der
    Befristung führen.



2. Befristung ohne Sachgrund


    Nach § 14 Abs. 2 TzBfG kann die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 2 Jahren
    durchgeführt werden. Dabei ist eine 3malige Verlängerung der kalendermäßigen Befristung bis insgesamt zu dieser Höchstdauer zulässig.

    Eine solche Befristung ohne Sachgrund ist jedoch unzulässig, wenn die
    Mitarbeiterin mit dem selben Arbeitgeber bereits früher ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis eingegangen war (Vorbeschäftigung).

    Arbeitgeber Franz Josef hätte mit Sissi für 4 Mal 6 Monate
    dauernde Befristungen abschließen können. Dies war jedoch nicht möglich, weil Sissi bereits vor 3 Jahren bei ihm beschäftigt war.



3. Befristung mit Sachgrund


    In § 14 Abs. 1 TzBfG ist die Befristung mit sachlichem Grund geregelt. Die dort aufgeführten Befristungsgründe sind nicht abschließend. Sie entsprechen in
    etwa der bisherigen Rechtsprechung zur Befristung.

    Als sachlicher Befristungsgrund zählt nach § 14 Abs. 1 Ziff. 3 TzBfG auch die Vertretung eines anderen Mitarbeiters. Darunter kann eine Krankheitsvertretung
    fallen. Aber auch Urlaubsvertretungen, Vertretungen wegen Ableistung des Wehr- und Zivildienstes, wegen Sonderurlaub, unbezahlten Urlaub und anderen Ausfallzeiten sind möglich.



4. Krankheitsvertretung – Prognose


    Die Befristung mit Sachgrund wegen Krankheitsvertretung darf vom Arbeitgeber nicht mißbraucht werden. Arbeitnehmerin Sissi sieht einen solche
    Mißbrauchstatbestand, da sie von einer Dauererkrankung der vertretenen Mitarbeiterin Maria Theresia ausgeht.

    Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat dazu ausgeführt, daß der Arbeitgeber eine
    Vertretungskraft so lange befristet beschäftigen darf, wie er mit der Rückkehr der vertretenen Mitarbeiterin rechnen darf. Die Befristung wegen Krankheitsvertretung setzt voraus, daß von vorneherein nur ein
    zeitlich begrenztes Vertretungsbedürfnis vorhanden ist.

    Andererseits aber kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, daß er wegen der Krankheitsprognose der erkrankten Mitarbeiterin klüger ist, als diese
    selbst. Er darf auch bei einer Langzeiterkrankung diese Mitarbeiterin nicht einfach „abschreiben“. Gerade in diesem sensiblen Bereich könnte es fatal sein, wenn er den Arbeitsplatz der kranken Maria Theresia
    bereits auf Dauer mit einer neuen Kraft besetzt hätte. Außerdem geht er ein hohes Risiko ein, wenn diese dann wider Erwarten doch an den Arbeitsplatz zurückkehrt.

    Teil des Sachgrundes der Vertretung ist es
    deshalb auch die Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch Rückkehr der zu vertretenden Mitarbeiterin. Von einer solchen Rückkehr kann in Vertretungsfällen wegen
    Krankheit regelmäßig ausgegangen werden.

    Nur wenn der Arbeitgeber sichere Kenntnis hat oder ausnahmsweise aufgrund der ihm vorliegenden zuverlässigen Informationen erheblichen Zweifel an der Rückkehr der
    Stammkraft haben muß, kann dies nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts dafür sprechen, daß die Sachgrundvertretung tatsächlich nur vorgeschoben ist. Nur unter diesen Umständen kann die Befristung unwirksam sein.

    Auch eine wiederholte Befristung wegen mehrfacher Verhinderung einer zu vertretenden Stammkraft steht der Prognose der Rückkehr nicht entgegen. Sissi hat deshalb nicht recht.



5. Kein Arbeitsplatzanspruch


    Kehrt die vertretene Mitarbeiterin wegen weiterer Erkrankung oder Tod etc. auf Dauer nicht mehr an den Arbeitsplatz zurück, so hat die befristete
    Vertretungskraft gleichwohl keinen Anspruch auf Übernahme des nunmehr freien Arbeitsplatzes. Der Arbeitgeber kann nach der Rechtsprechung frei entscheiden, mit wem er den freigewordenen Arbeitsplatz auf Dauer
    besetzen will. Dies bedeutet, daß Franz Josef anstelle von Sissi auch die junge Romy einstellen darf.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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