Folge 195

Betriebsausflug II



Der Fall


    Der Betriebsausflug bei Arbeitgeber Häberle dauert bis tief in die Nacht, bis 24 Uhr. Notgedrungen mußten auf Arbeitgeberweisung die Abteilungsleiterin
    Kirschblüte und der Buchhalter Gscheidle Notdienst leisten. Sie meinen, wegen dieser „Zusatzleistung“ zumindest Überstundenzuschläge von 50 % beanspruchen zu können.

    Die am Betriebsausflug beteiligten
    Arbeitnehmer verweisen darauf, daß Dienstschluß um 17.00 Uhr war. Die Zeitdifferenz bis 24 Uhr von 7 Stunden möchten sie als Überstunden vergütet bekommen. Zumindest aber müsse Häberle einen Freizeitausgleich
    gewähren.

    Arbeitgeber Häberle hat einen Zuschuß zum Betriebsausflug gegeben. Er hat die Fahrtkosten bezahlt, die Eintritte und ein üppiges Mittagessen spendiert. Arbeitnehmer Gscheidle, der als Notdienst in
    der Telefonzentrale saß, kippt schier über, als er dies hörte. Er möchte auch noch einen Zuschuß entsprechend dieser Arbeitgeberzuwendungen. Häberle dagegen meint, daß die Zuschüsse nur für den Betriebsausflug
    gedacht waren.

    Die ängstliche Mitarbeiterin Susanne verknackst sich beim fröhlichen Abschlußtanz einen Fuß. Lag ein Betriebsunfall vor?

    Arbeitgeber Häberle bekommt Besuch von seinem Steuerberater. Dieser
    prüft, ob Steuer für seine Zuschüsse zum Betriebsausflug zu bezahlen ist. Häberle fühlt sich vom Finanzamt verfolgt.



Die Lösung



1. Notdienst


    In vielen Betrieben ist die Einrichtung eines Notdienstes oder einer „Stallwache“ erforderlich, um bestimmte wichtige betriebliche Funktionen
    aufrechtzuerhalten oder um Kunden bedienen zu können.

    Soweit ein Betriebsrat besteht, empfiehlt es sich, eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung des Notdienstes abzuschließen.

    Besteht kein
    Betriebsrat oder kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, so muß der Arbeitgeber versuchen, innerhalb des Betriebes einvernehmlich Mitarbeiter zu finden, die den Notdienst ableisten. Dies kann durch eine
    Umfrage bei den Mitarbeitern geschehen.

    Sollte jedoch sich niemand zur Durchführung des Notdienstes bereitfinden, so kann der Arbeitgeber die im Betrieb verbliebenen Mitarbeiter für den Notdienst bestimmen.
    Dies ist sachgerecht. Es ist deshalb richtig, daß Arbeitgeber Häberle die zurückgebliebene Arbeitnehmerin Kirschblüte für den Notdienst einteilt.

    Reicht dies nicht aus, um den Notdienst abzudecken, kann der
    Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts auch Mitarbeiter zum Notdienst bestimmen, die am Betriebsausflug teilnehmen wollen. Er hat bei der Durchführung der Auswahl die Grundsätze des billigen Ermessens nach §
    315 BGB zu beachten.

    Generell ist gegen die Bestimmung des Arbeitnehmers Gscheidle zum Notdienst nichts einzuwenden. Im vorliegenden Falle könnte jedoch ein Racheakt des Häberle vorliegen wegen der
    Vorwitzigkeit von Gscheidle. Dann würde die Auswahl von Gscheidle gegen die Grundsätze des Billigen Ermessens verstoßen.

    Da Gescheidle am Betriebsausflug teilnehmen wollte, darf er gegenüber den anderen
    Kollegen nicht benachteiligt werden. Dieses Benachteiligungsverbot führt dazu, daß Gscheidle zum Ausgleich für den Notdienst einen anderen freien Tag fordern kann.



2. Vergütungspflicht


    Soweit Arbeitnehmer am Betriebsausflug teilnehmen, der während der Arbeitszeit stattfindet, ist vom Arbeitgeber die ausgefallene Arbeitszeit auch zu
    bezahlen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betriebsausflug mit seinem Einverständnis stattfand.

    Der Arbeitnehmer Gscheidle im Notdienst ist ebenfalls mit seiner vertraglich geschuldeten Vergütung zu
    bezahlen, da er gearbeitet hat.

    Hätte die im Betrieb ebenfalls verbliebene Mitarbeiterin Kirschblüte wegen der veränderten Betriebsabläufe nicht im Notdienst mitarbeiten müssen, so wäre ihr ggf. unter dem
    Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Lohn zu zahlen gewesen. Dies gilt, wenn sie durch die geänderten Betriebsabläufe ihre Arbeitsleistung nicht hätte erbringen können.

    Arbeitnehmer Gscheidle und
    Abteilungsleiterin Kirschblüte können jedoch keine Zusatz- oder Mehrvergütung für ihren Notdienst verlangen. Sie haben ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Dafür steht ihnen der vereinbarte Lohn zu, mehr
    nicht.

    Auch die Mitarbeiter, die am Betriebsausflug teilnahmen, können nur die Vergütung für die ausgefallene Arbeitszeit verlangen. Soweit sie in ihrer Freizeit am Betriebsausflug teilnahmen, war dies
    freiwillig und löst weder nach dem Arbeitsvertrag, noch nach sonstigen allgemeinen Kriterien eine Vergütungspflicht aus. Es gilt der alte Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn.

    Davon gibt es zwar gewisse
    Ausnahmen, z.B. nach dem Urlaubsgesetz, nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz bei Krankheit oder dem Betriebsverfassungsgesetz bei Betriebsratstätigkeit. Doch auch hier ist stets nur die ausgefallene Arbeitszeit zu
    bezahlen.



3. Freizeitausgleich


    Erstreckt sich der Betriebsausflug über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus, so besteht weder ein Anspruch auf Freizeitausgleich, noch auf
    Überstundenvergütung.




    Achtung:


    Besonderheiten können bestehen in Betrieben mit unterschiedlichen Arbeitszeiten, z.B. bei Schichtarbeit. Hier muß davon
    ausgegangen werden, daß die Schichtarbeitnehmer oder Arbeitnehmer mit verschobenen Arbeitszeiten jedenfalls im Umfang ihrer vertraglich g

    eschuldeten Arbeitszeit einen
    Vergütungsanspruch besitzen, unabhängig davon, ob der Betriebsausflug nun genau in ihrer Schicht fällt oder nicht.

    Teilzeitarbeitnehmer bekommen nur Vergütung für ihre Teilzeit, nicht für den ganzen Tag, es
    sei denn, es wäre vertraglich etwas anderes geregelt.

    Erstreckt sich ein Betriebsausflug über mehrere Tage, so ist es eine Frage der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bzw. zwischen
    Betriebsrat und Arbeitgeber, ob die in der Freizeit liegenden Tage durch Freizeitausgleich oder Vergütung vom Arbeitgeber bezahlt werden.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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