Folge 179

Ein-Euro-Job II


Der Fall:

    Gottfried von Bouillon lungert nach dem Abschluß des Kreuzzuges und seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land seit Jahren arbeitslos herum. Er will wenigstens einen Ein-Euro-Job au

    süben. Trotz seiner Vorstöße bleibt die Arbeitsagentur untätig. Hat er einen Anspruch?

    Oskar von Wolkenstein will Gottfried für eine Arbeitsgelegenheit einstellen. Er plant, seine
    mittelalterlichen Liederhandschriften von Gottfried zu digitalisieren und ins Internet stellen zu lassen.

    August dem Starken sind die Gelder für den Wiederaufbau der Frauenkirche ausgegangen. Er kommt auf
    die Ideen, Ein-Euro-Jobber bei der Arbeitsagentur anzufordern.

    In beiden Fällen verweigert die Arbeitsagentur die Vermittlung.

    Junker Jörg und Emir Saladin fragen bei der Arbeitsagentur nach, mit wem sie
    wegen der Arbeitsgelegenheiten eine Vereinbarung abschließen können.



Die Lösung



1. Recht auf Arbeitsgelegenheit?


    Der Gesetzgeber hat in § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II bestimmt, daß für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, so wie Gottfried von
    Bouillon, Arbeitslegenheiten geschaffen werden „sollen“. Dieses Sollen bedeutet eine Verpflichtung der Leistungsträger, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um solche Arbeitsgelegenheiten zu schaffen und
    anbieten zu können.

    Ungeklärt ist noch, inwieweit Bewerber einen einklagbaren und durchsetzbaren Anspruch auf einen Ein-Euro-Job besitzen. Jedenfalls muß der Leistungsträger wie die Arbeitsagentur oder das
    Job-Center alles in ihren Möglichkeiten stehende tun, um Arbeitsgelegenheiten bei Dritten/Dienstherren zu finden. Es wäre eine grobe Pflichtverletzung, wenn die Arbeitsagentur im Falle von Gottfried mehr oder
    weniger untätig bleibt.

    Gottfried kann also auf eine Verpflichtung des Leistungsträgers verweisen und Druck machen. Ein einklagbarer Anspruch aber ist fraglich.



2. Zusätzliche Arbeit


    § 16 Abs. 3 SGB II fordert für die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs), daß in diesem Bereich der Förderung nur zusätzliche Arbeiten
    verrichtet werden. Außerdem dürfen diese nicht bereits durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert worden sein.

    Was „zusätzliche Arbeit“ ist, definiert das SGB II nicht. Allerdings verweist § 16 Abs. 1 SGB
    II für alle Leistungen zur Eingliederung auch auf die Regelung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im SGB III. Dort ist in § 261 Abs. 2 SGB III gesetzlich definiert, daß Arbeiten dann zusätzlich sind, wenn sie ohne
    die Förderung nicht, nicht in diesem Umfange oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Arbeiten, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind, oder durch die öffentliche Hand
    üblicherweise durchgeführt werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst später als 2 Jahre durchgeführt würden.

    Der Gesetzgeber wollte damit die Schaffung von
    Ein-Euro-Jobs beschränken, um zu verhindern, daß Tätigkeiten des ersten Arbeitsmarktes durch Arbeitsgelegenheiten verdrängt werden. Der Unternehmer, der Ein-Euro-Jobler beschäftigen will, muß deshalb klar
    nachweisen, daß die Tätigkeiten ohne diese Förderung überhaupt nicht oder jedenfalls erst Jahre später durchgeführt würden.

    Oskar von Wolkenstein muß deshalb nachweisen, daß seine Liederhandschriften ohne den
    Ein-Euro-Jobler nie oder erst in Jahren digitalisiert würden. August der Starke bekommt keine Genehmigung, da er die Frauenkirche als reguläre Maßnahme ohnehin aufbauen will. Die Ein-Euro-Jobler würden reguläre
    Bauarbeiter verdrängen. Das ist nicht gewollt.



3. Öffentliches Interesse


    Für die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten ist außerdem ein öffentliches Interesse an den zusätzlichen Arbeiten vom Gesetz gefordert. Auch dieses
    öffentliche Interesse ist nicht im SGB II, sondern wiederum in § 261 Abs. 3 SGB III definiert. Danach liegen Arbeiten im öffentlichen Interesse, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Arbeiten, deren
    Ergebnis überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dienen, liegen nicht im öffentlichen Interesse. Es muß außerdem sicherstellt sein, daß die Arbeiten
    nicht zu einer Bereicherung einzelner führen.

    Der Wiederaufbau der Frauenkirche dienst zwar dem öffentlichen Interesse, ist aber nicht förderungswürdig, weil es keine zusätzliche Arbeit zu den ohnehin
    vorhandenen Plänen ist. Die Digitalisierung der mittelalterlichen Liedhandschrift liegt im öffentlichen Interesse, da hiermit die Mittelalterforschung weltweit erleichtert wird. Oskar von Wolkenstein hätte als
    abgebrannter Minnesänger auf dem normalen Arbeitsmarkt die Digitalisierung nicht bezahlen können. Sein Projekt ist als zusätzliche Arbeit im öffentlichen Interesse deshalb förderungswürdig.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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