Der Fall:
Elektra hat ihre Bruder Orest und ihren Liebhaber Achill gnadenlos gekündigt, um ihren Betrieb und ihr Privatleben neu zu ordnen. Die Zeit der Trauer ist
vorbei. Orest und Achill, die dies nicht glauben wollten, haben in ihrer Betäubung die gesetzliche Klagefrist verpaßt. Sie fragen, ob ihnen vom Arbeitsgericht noch eine Chance gegeben wird.
Die Lösung:
1. § 7 KSchG – wirksame Kündigung
§ 7 KSchG regelt:
“Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, so gilt die Kündigung als von Anfang an
rechtswirksam”!
Dies bedeutet, daß die Versäumung der Klagefrist bei einer schriftlichen Kündigung generell zur Wirksamkeit der Kündigung führt. Das Gesetz hat hier eine Wirksamkeitsfiktion angenommen. Die
Fiktion bedeutet, daß die Kündigung selbst dann wirksam ist, wenn sie unwirksam ist! D.h., die Wirksamkeit der Kündigung wird vom Gesetzgeber bestimmt, obwohl die Kündigung an sich angreifbar wäre, weil der
Arbeitnehmer die Klagefrist versäumt hat.
Nicht Elektra, sondern Orest und Achill müssen nun Trauer tragen.
§ 5 KSchG – Zulassung verspäteter Klagen
Um in begründeten Ausnahmefällen Härte des § 7
erträglicher zu gestalten, hat der Gesetzgeber in § 5 bestimmt:
“War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage
innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen.”
§ 7 bestimmt, daß die Kündigung bei verspäteter Klageerhebung selbst
dann als wirksam gilt, wenn sie gegen den besonderen Kündigungsschutz oder ein Diskriminierungsverbot verstößt oder gar sittenwidrig wäre.
Der Gesetzgeber hat dem Arbeitnehmer die Möglichkeit des Antrags auf
nachträgliche Zulassung der Klage gegeben. Mit dem Antrag ist stets die schriftliche Klage zu erheben. Allerdings sind die Voraussetzungen für eine nachträgliche Klagezulassung sehr hoch gestellt.
Im
Normalfall kann der Antrag nicht erfolgreich sein. Orest und Achill können sich nicht darauf berufen, daß sie vor lauter Schreck gelähmt gewesen seien. Dies reicht nicht aus. Im Rahmen der Telekommunikation sind
nahezu alle Arbeitnehmer in der Lage, entweder einen Anwalt aufzusuchen, oder ihn telefonisch, per Fax, per Handy, per SMS, per e-mail oder wie auch immer, zu erreichen und ihn mit der Erhebung einer
Kündigungsschutzklage zu beauftragen. Dies gilt selbst dann, wenn ein Arbeitnehmer sich im tiefen Dschungel befände, aber per Handy oder elektronisch zu seinem Anwalt Kontakt halten kann.
2. Notfall Schwangerschaft
In § 5 Abs. 1 Satz 2 hat der Gesetzgeber als besonderen Zulassungsgrund den Fall angeführt, in dem eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr
nicht zu vertretenden Grunde erst nach Ablauf der Klagefrist des § 4 KSchG Kenntnis erlangt hat.
Diese Vorschrift entspricht den verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Die gekündigte Arbeitnehmerin muß jedoch
beweisen, daß sie
– zum Kündigungszeitpunkt von ihrer Schwangerschaft nichts wußte,
– daß sie auch während des Laufs der Klagefrist von der Schwangerschaft nichts erfahren hat,
– daß sie die Unkenntnis nicht zu vertreten hat, also nichts dafür kann,
– und sie muß innerhalb von 2 Wochen nach Kenntniserlangung den Antrag auf nachträgliche Zulassung bei Gericht stellen sowie die
Kündigungsschutzklage in dieser Frist erheben.