Der Fall
  
 
  
   Tamina entläßt ihre Rivalin Papagena fristlos. Papagena ist schwanger, weiß zum Kündigungszeitpunkt davon aber nichts. Sie erfährt es erst 4 Wochen
                                    später. Kann sie noch klagen?
   
   Papageno befindet sich erst für 3 Monate im Betrieb. Das Kündigungsschutzgesetz gilt nach nicht. Muß er auch binnen 3 Wochen klagen?
   
   Betriebsrat Tamino hat besonderen
                                    Kündigungsschutz. Er meint, daß er sich deshalb mit dem Klagen Zeit lassen könne, selbst wenn er schriftlich gekündigt wird.
   
   Zarastro ist schwerbehindert. Er hat dies immer vor der Arbeitgeberin Tamina
                                    verborgen. Als die Kündigung kam, wußte Tamina nichts von der Schwerbehinderung. Nach gut 3 Wochen eröffnet Zarastro der Arbeitgeberin die Schwerbehinderung, klagt aber noch nicht, weil er die Mitteilung der
                                    Schwerbehinderung für ausreichend hält.
   
   Tamina fragt ihren Rechtsberater Mozart. Dieser meint, daß die Arbeitnehmer hätten binnen 3 Wochen klagen müssen. Die Kündigungen seien mangels rechtzeitiger
                                    Klageerhebung wirksam geworden.
  
 
 
  
   Die Lösung
  
 
 
  
   1. Alle Rechtsunwirksamkeitsgründe
  
 
  
   Die neue Klagefrist des § 4 KSchG gilt mittlerweile auch für Folgeklagen, mit denen das Fehlen allgemeiner Wirksamkeitsvoraussetzungen bei der Kündigung
                                    gerügt wird und nicht mehr nur für Klagen, mit denen die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht wird. Die Erstreckung der Klagefrist von 3 Wochen auf alle Rechtsunwirksamkeitsgründe einer Kündigung
                                    stellt eine deutliche Erweiterung des Gesetzes, aber auch einen wichtigen Schritt zu mehr Rechtsklarheit dar. Den Arbeitnehmern ist es verwehrt, noch längere Zeit nach Ausspruch einer Kündigung
                                    Rechtsunwirksamkeitsgründe ins Feld zu führen, die außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes angesiedelt sind.
   
   Eine Ausnahme bildet nur der Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB . Kündigt der
                                    Arbeitgeber lediglich mündlich, so muß er damit rechnen, daß auch noch später wirksam geklagt werden kann.
  
 
 
  
   2. Beispiele
  
 
  
   Neben dem Kündigungsschutzgesetz gibt es noch weitere Rechtsunwirksamkeitsgründe für eine Kündigung, die nunmehr auch fristgerecht durch Klage geltend
                                    gemacht werden müssen. Dazu zählen:
   
   – Nichtanhörung/nicht ordentliche Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG,
   
   – Nichtanhörung/nicht ordnungsgemäße Anhörung/fehlende Zustimmung des Personalrats nach §§
                                    79 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4, § 108 Abs. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz (auch entsprechende Landespersonalvertretungsgesetze),
   
   – Nichtbeachtung des Kündigungsverbotes für
                                    Betriebsratsmitglieder/Personalratsmitglieder gemäß § 15 KSchG,
   
   – Verletzung des Maßregelungsverbotes nach § 612 a BGB,
   
   – Kündigung wegen eines Betriebsüberganges, § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB,
   
   – Verstoß
                                    gegen das Kündigungsverbot des § 11 Teilzeit- und Befristungsgesetz,
   
   – Unwirksamkeit der Kündigung wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB,
   
   – Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoß gegen Treu und Glauben,
                                    § 242 BGB,
   
   – Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoß gegen den Grundsatz der Wahrung eines Mindestmaßes an sozialer Gerechtigkeit,
   
   – Verstoß gegen den speziellen Kündigungsschutz von Mandatsträgern in
                                    Parlamenten,
   
   – Verstoß gegen den besonderen Schutz der Schwangeren und Mütter gem. § 9 Mutterschutzgesetz,
   
   – Verstoß gegen den besonderen Schwerbehindertenschutz gem. § 85 SGB IX,
   
   – Verstoß gegen den
                                    besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Elternzeit gem. § 18 Bundeserziehungsgeldgesetz.
   
   Diese Beispiele sind nicht abschließend.
  
 
 
  
   3. Befristung
  
 
  
   Will der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Befristung geltend machen, so muß er gemäß § 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ebenfalls binnen
                                    einer Klagefrist von 3 Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet
                                    worden ist.
   
   Diese Klagefrist gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer bei einem zweckbefristeten Arbeitsvertrag entsprechend § 15 Abs. 2 TzBfG geltend macht, daß die schriftliche Unterrichtung des Arbeitnehmers
                                    über die Zweckerreichung und das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht erfolgt ist.
  
 
 
  
   4. Unkenntnis der Unwirksamkeitsgründe
  
 
  
   Die fristlos gekündigte Papagena wußte nichts von ihrer Schwangerschaft, als die Kündigung zuging. Diese Unwissenheit führt jedoch nicht dazu, daß die
                                    Klagefrist ausgesetzt wird. Selbst wenn ein besonderer Kündigungsschutz dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung unbekannt ist, muß er innerhalb dieser Klagefrist Kündigungsfeststellungsklage erheben. Dies
                                    gilt auch für den Falle einer unbekannten Schwerbehinderung.
   
   Allerdings hat der Gesetzgeber für die schwangere Papagena, die erst 4 Wochen nach Ausspruch der Kündigung von ihrer Schwangerschaft erfährt, in
                                    § 5 Satz 2 KSchG ausdrücklich bestimmt, daß die Schwangere dann, wenn sie von ihrer Schwangerschaft erfährt und die Unkenntnis nicht zu vertreten hat, binnen 2 Wochen nach Kenntnis beim Arbeitsgericht
                                    Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage stellen kann.
  
 
 
  
   5. Kleinbetriebe
  
 
  
   Die Klagefrist des § 4 KSchG gilt auch für Kündigungen in Kleinbetrieben, d.h. in Betrieben mit weniger als 10 Arbeitnehmer und für Arbeitnehmer ohne
                                    Kündigungsschutz in diesen Betrieben.
   
   Dies ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 Satz 1 KSchG. Auch diese Arbeitnehmer müssen unverzüglich klagen.
  
 
 
  
   6. Wartefrist
  
 
  
   Zukünftig müssen auch Arbeitnehmer, die erst kurzzeitig, d.h. weniger als 6 Monate in einem Unternehmen beschäftigt sind, bei Kündigung mit der
                                    gesetzlichen Klagefrist des § 4 KSchG klagen, um die Unwirksamkeit ihrer Kündigung geltend zu machen. Es spielt keine Rolle, daß die Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch keinen Kündigungsschutz genießen. Die
                                    Klage muß gleichwohl erhoben werden, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben soll.