Folge 164

Neue Klagefrist I



Der Fall


    Arbeitgeberin Tamina räumt auf. Sie entläßt ihre Liebesrivalin Papagena fristlos. Ihr ungetreuer Liebling Papageno erhält eine Änderungskündigung und
    wird vom Prokuristen zum Lagerarbeiter degradiert.

    Zarastro erhält von ihr zwar eine ordentliche, schriftliche betriebsbedingte Kündigung. Die Kündigungsfrist ist jedoch viel zu kurz. Den Betriebsrat Tamino,
    der sie schon lange ärgert, feuert Tamina mündlich fristlos mit dem Ausruf: “Hau ab, du Arbeiterverräter”!

    Die Gekündigten wollen sich das nicht bieten lassen. Sie verbringen jedoch gerade einen gemeinsamen
    “Workshop” von 3 Wochen auf Mallorca, um die Wunden zu lecken. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland sollte dann Klage erhoben werden. Ist das noch rechtzeitig?



Die Lösung



1. Klagefrist nach § 4 KSchG


    Will ein Arbeitnehmer geltend machen, daß seine Kündigung sozial ungerechtfertigt

    oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist

    , so muß er
    innerhalb von

    3 Wochen

    nach Zugang der

    schriftlichen Kündigung

    Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.

    Der
    Gesetzgeber hat mit dieser Neufassung des § 4 KSchG seit dem 1.1.2004 die Klagefrist erweitert und bestimmt, daß gegen Kündigungen, egal aus welchem Grunde, binnen 3 Wochen geklagt werden muß, wenn die Kündigung
    schriftlich ergangen ist.



2. Alle Arten der Kündigung


    Aus dieser gesetzlichen Vorschrift wie auch aus weiteren Regelungen geht hervor, daß der Gesetzgeber die Geltung der 3-Wochen-Klagefrist fortan für alle
    Klagen gegen eine schriftliche arbeitgeberseitige Kündigung und für alle Arten der Kündigung gelten lassen will. Die gesetzlichen Konstruktionen sind etwas umständlich und nicht immer ganz verständlich.

    Die
    Geltung der Klagefrist für jede Art der ordentlichen Kündigung folgt aus § 4 Satz 1 KSchG, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. Für ordentliche Kündigungen, auf die das Kündigungsschutzgesetz keine
    Anwendung findet, ergibt sich die Klagefrist aus § 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 KSchG.

    Für außerordentliche, fristlose Kündigungen folgt die Anwendung der 3-Wochen-Frist aus § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
    4 Satz 1 KSchG, sofern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. Wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, folgt die Notwendigkeit der Fristeinhaltung bei außerordentlichen, fristlosen Kündigungen aus
    § 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG.



3. Andere Unwirksamkeitsgründe


    Der Gesetzgeber hat außerdem § 6 KSchG erweitert. Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege
    geltend gemacht, daß eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Kündigung auch auf andere,
    bisher innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen.

    Dies bedeutet, daß die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsfeststellungsklage oder einer Klage, mit der die Unwirksamkeit der Kündigung
    geltend gemacht wird, dazu führt, daß der Arbeitnehmer andere Unwirksamkeitsgründe problemlos nachschieben kann. Voraussetzung ist allerdings, daß die 3-Wochen-Frist bei Klageerhebung eingehalten ist.



4. Änderungskündigung


    Nach § 4 Satz 2 KSchG muß auch die Klage gegen die Änderungskündigung innerhalb dieser Klagefrist erhoben werden. Wichtig ist, daß der Klageantrag
    entsprechend der Neufassung des Satzes 2 formuliert wird:

    Im Falle des § 2 (Änderungskündigung) ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial

    ungerechtfertigt
    oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist

    .

    Wird diese Formulierung nicht verwandt, läuft der Kläger Gefahr, daß weitere Unwirksamkeitsgründe nicht in die gerichtliche Überprüfung mit einbezogen werden.



5. Kündigungsfrist


    Streitig ist, ob auch die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist innerhalb der gesetzlichen Klagefrist geltend gemacht werden muß. Sofern der Arbeitnehmer
    nur die Kündigungsfrist angreift, hält er die Kündigung an sich für rechtswirksam.

    Meines Erachtens ist auch die Kündigungsfrist innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG nunmehr geltend zu machen. Der
    Arbeitgeber will nämlich eine bestimmte Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt aussprechen. Wäre der Zeitpunkt falsch, wäre die Kündigung zu diesem Zeitpunkt letztendlich unwirksam. Dies muß innerhalb der
    gesetzlichen Klagefrist geltend gemacht werden.



6. Mündliche Kündigung


    In § 4 KSchG hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, daß die Klagefrist nur

    nach Zugang der schriftlichen Kündigung

    anfängt zu laufen. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, daß im Fall einer mündlichen Kündigung die Nichteinhaltung der 3-Wochen-Frist ohne Bedeutung ist. Gegen eine mündliche Kündigung kann auch später geklagt werden. Allerdings sollte der Abstand nicht zu groß gestaltet werden, um nicht wegen Prozeßverwirkung schlußendlich doch abgewiesen zu werden.



Der Fall


    Sowohl Papagena (fristlose Kündigung), wie Papageno (Änderungskündigung) und Zarastro (Kündigungsfrist falsch) müßten mit einer Abweisung ihrer Klage
    rechnen, wenn sie erst mehr als 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung in Deutschland klagen sollten. Sie müssen persönlich oder über einen Bevollmächtigten schon vorher für Klage sorgen.

    Nur der
    Betriebsrat Tamino könnte gegen seine mündliche Kündigung noch nach Ablauf der gesetzlichen Klagefrist erfolgreich klagen, da eine mündliche Kündigung die gesetzliche Klagefrist nicht in Gang setzt.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.