Folge 157

§ 1 a KSchG – Die sozialrechtlichen Folgen / Probleme



Der Fall:


    Arbeitnehmer Brentano wird von seinem Arbeitgeber Achim von Arnim betriebsbedingt gekündigt, weil mit der Fertigstellung der Sammlung “Des Knaben
    Wunderhorn” keine Arbeit mehr für Brentano vorhanden ist. Arbeitgeber Arnim macht ein Abfindungsangebot gemäß § 1 a KSchG. Brentano fragt, ob er bei Annahme des Angebots mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
    zu rechnen hat.

    Arbeitgeber Schubert will den alten 58jährigen Heine endlich kündigen. Die teure Abfindung nach § 1 a KSchG will er aber nur zahlen, wenn er aus der noch teureren Erstattungspflicht für das
    Arbeitslosengeld gegenüber dem Arbeitsamt herauskommt. Geht das?



Die Lösung



1.


    Der Gesetzgeber hat § 1 a KSchG geschaffen, um die Arbeitsgerichte zu entlasten und um unnötige Prozesse mit dem Ziel einer Abfindung zu verhindern.

    Nach diesem Sinn und Zweck des Gesetzes kann es nicht richtig sein, wenn das Arbeitsamt dem Arbeitnehmer eine Sperrfrist gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III bei der Zahlung des Arbeitslosengeldes nur deshalb
    verhängt, weil der Arbeitnehmer nicht gegen die Kündigung geklagt hat.

    Allerdings gibt es eine Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit (Stand 8/2003), in der es heißt:

    “Bei einer rechtswidrigen
    Kündigung mit finanziellen Vergünstigungen kann eine Beteiligung des Arbeitnehmers an der Beendigung vorliegen, wenn der Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit erkannt hat oder die Rechtswidrigkeit für ihn
    offensichtlich war”.

    Nach dieser Dienstanweisung könnte die Bundesagentur eine Sperrfrist verhängen, wenn die Rechtswidrigkeit der Kündigung erkennbar war. Dagegen geht die Rechtsprechung des
    Bundessozialgerichts ebenso wie § 1 a KSchG davon aus, daß es legitim ist, wenn ein Arbeitnehmer bei einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und Einhaltung der Kündigungsfrist eine angebotene Abfindung
    ohne Prüfung annimmt und nicht klagt.

    Trotzdem hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Verhängung einer Sperrfrist keine klarstellende gesetzliche Regelung im SGB III getroffen. Andererseits geht aus der
    Gesetzesbegründung des § 1 a KSchG deutlich hervor, daß die Abfindungsvereinbarung sowohl bei rechtmäßiger wie auch bei rechtswidriger Kündigung in gleicher Weise ermöglicht werden sollte.

    In dieser Lage muß
    davon ausgegangen werden, daß die Bundesagentur für Arbeit bzw. das zuständige Arbeitsamt bei der Durchführung des § 1 a KSchG im allgemeinen keine Sperrzeit verhängt. Dies ist nicht sicher, wäre aber ein
    Verstoß gegen den Geist des Gesetzes.

    Allerdings bleibt es dem jeweiligen Arbeitsamt unbelassen, im Einzelfall Umgehungstatbestände zu überprüfen und trotz der Vorgehensweise nach § 1 a KSchG im Einzelfall
    für das Arbeitslosengeld eine Sperrzeit gemäß § 144 Absatz 1 Nr. 1, § 128 SGB III zu verhängen.


    Fazit:

    Ein gewisses Sperrzeit-Risiko bleibt für den Arbeitnehmer bei Verfahren nach § 1 a KSchG



2. Erstattungspflicht nach § 147 a SGB III


    § 147 a SGB III sieht vor, daß der Arbeitgeber bei der Entlassung älterer Arbeitnehmer ab Vollendung des 56. Lebensjahres ggf. eine Erstattungspflicht
    für das nach Vollendung des 58. Lebensjahres gezahlte Arbeitslosengeld trifft. Diese Erstattungsfrist kann längstens für 24 Monate bestehen. Mit dieser Erstattung können auf den Arbeitgeber neben der schon
    gezahlten Abfindung erhebliche zusätzliche Kosten zukommen, die sich evtl. auf weit höhere Beträge belaufen, als die gezahlte Abfindung.

    Neben verschiedenen Befreiungstatbeständen tritt eine
    Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III nicht ein:

    – wenn er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat.

    Dabei ist das Arbeitsamt an
    eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebunden.

    Aus dieser Vorschrift folgt aber auch, daß der
    Abfindungsweg über § 1 a KSchG keinesfalls zu einer Entlastung des Arbeitgebers nach dieser Vorschrift führt. Vielmehr muß das Arbeitsamt auch bei der Vorgehensweise nach § 1 a KSchG prüfen, ob tatsächlich eine
    sozial gerechtfertigte Kündigung vorlag. Im Zweifel wird das Arbeitsamt geneigt sein, eine solche sozial gerechtfertigte Kündigung nicht anzunehmen. Der Arbeitgeber muß deshalb in solchen Fällen neben der
    Abfindungszahlung noch mit einer Erstattungspflicht gegenüber dem Arbeitsamt rechnen.

    Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber  erst jüngst im Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt durch die
    Änderungen des § 147 a SGB III die Erstattungspflicht der Arbeitgeber noch verschärft hat.


    Fazit:

    Hier empfiehlt sich dringend eine vorherige Rücksprache mit dem Arbeitsamt zu nehmen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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