Der Fall:
  
 
  
   Arbeitgeberin Callas hat die Mitarbeiterin Jackie betriebsbedingt mit Abfindungsangebot gekündigt. Jackie erhebt keine Kündigungsfeststellungsklage,
                                    sondern eine Weiterbeschäftigungsklage für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist. Sie will über eine höhere Abfindung bei Gericht verhandeln. Gelingt dies nicht, will sie die Klage zurücknehmen und die
                                    gesetzlich bestimmte Abfindung kassieren. Außerdem macht sie geltend, daß die Kündigungsfrist von Callas nicht eingehalten ist.
   
   Arbeitgeberin Callas hat auch ihren Buchhalter Onassis betriebsbedingt mit
                                    Abfindungsangebot gekündigt. Dieser hat nicht geklagt und das Abfindungsangebot akzeptiert. Noch vor Ablauf der Kündigungsfrist erfährt Callas von dem Verhältnis des Onassis mit der feschen Jackie. Das empört
                                    sie. Callas kündigt Onassis noch vor Ablauf der Kündigungsfrist außerordentlich fristlos. Sie meint, daß damit auch ihr Abfindungsangebot aus der ordentlichen Kündigung entfallen sei.
  
 
 
  
   Die Lösung
  
 
 
  
   1. Andere Klage – doppeltes Spiel?
  
 
  
   Kaum ist das Gesetz in der Welt, gibt es auch schon “kluge” Ratgeber, die dem Arbeitnehmer vorschlagen, einerseits das Angebot nach § 1 a KSchG
                                    anzunehmen, andererseits mittels einer Klage zu versuchen, diesen Abfindungsbetrag bei Gericht zu erhöhen. Es wird die Meinung vertreten, daß bei Scheitern dieser Verhandlung es problemlos möglich sei, diese
                                    Klage zurückzunehmen, ohne den Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG zu gefährden. Nach § 269 ZPO sei nämlich bei einer Klagerücknahme der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen.
   
   Dieser Meinung und
                                    dieser Taktik ist nicht zu folgen. Dies gilt auch dann, wenn Arbeitnehmerin Jackie statt einer Kündigungsfeststellungsklage nur eine Entgeltzahlungs- oder Weiterbeschäftigungsklage erhoben hat für die Zeit nach
                                    Ablauf der Kündigungsfrist mit der Begründung, daß die Kündigung unwirksam wäre.
   
   Nach Sinn und Zweck des § 1 a Absatz 1 KSchG setzt die gesetzlich geregelte Abfindungslösung nach dem Willen des Gesetzgebers
                                    voraus, daß der Arbeitnehmer ein Wahlrecht zwischen Klageerhebung oder Inanspruchnahme der Abfindung besitzt. Dieses Wahlrecht ist alternativ. Macht die Arbeitnehmerin die Jackie die Unwirksamkeit der Kündigung
                                    geltend, so kommt es letztlich nicht auf die Art der Klageerhebung an. Sie hat vielmehr gegen Sinn und Zweck des § 1 a Absatz 1 KSchG mit der Klageerhebung verstoßen. Damit ist eine Abfindungsvereinbarung nach
                                    dieser Vorschrift nicht zustandegekommen.
   
   Die “schlauen” Ratgeber berufen sich zwar auf § 269 Abs. 3 ZPO. Diese Vorschrift ist jedoch rein prozeßrechtlich zu sehen. Materiellrechtlich ist der
                                    Abfindungsanspruch durch Klageerhebung gescheitert. Die Klagerücknahme führt nicht zu einer Wiederbelebung oder Auferstehung des Abfindungsanspruchs nach § 1 a Absatz 1 KSchG. Dies ergibt sich weder aus dem
                                    Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift.
   
   Es ist deshalb der Arbeitnehmerin Jackie gründlich davon abzuraten, diesen Weg zu beschreiten, wenn sie tatsächlich die angebotene Abfindung erhalten will.
                                    Folgt sie dem schlechten Rat, klagt und nimmt später die Klage zurück, so hat sie gar nichts: Weder Arbeitsverhältnis, noch Abfindung.
  
 
 
  
   2. Kündigungsfrist
  
 
  
   Anders kann es sich verhalten, wenn mit der betriebsbedingten Kündigung die zwingende Mindestkündigungsfrist nicht eingehalten ist.
   
   Sofern die
                                    Arbeitnehmerin Jackie nicht die Rechtswirksamkeit der Kündigung per Klage anzweifelt, sondern nur Klage auf Einhaltung der Kündigungsfrist erhebt, verstößt sie meines Erachtens weder gegen den Wortlaut, noch
                                    gegen den Sinn und Zweck des § 1 a Absatz 1 KSchG. Arbeitgeberin Callas ist auch bei rechtswirksamer Kündigung verpflichtet, die vom Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag bestimmte Mindestkündigungsfrist
                                    einzuhalten. Soweit Arbeitnehmerin Jackie darauf besteht, greift sie die Kündigung an sich nicht an. Sie macht nur ihr Recht auf eine ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend.
   
   Die
                                    Arbeitnehmerin ist auch deshalb auf die Einhaltung der zwingenden Kündigungsfrist angewiesen, weil sie sonst damit rechnen muß, daß die Arbeitsverwaltung insoweit einen Ruhenstatbestand für die Zahlung von
                                    Arbeitslosengeld nach § 143 a SGB III annimmt.
   
   Auch im Rahmen des § 1 a KSchG ist Arbeitnehmerin Jackie nicht verpflichtet, eine falsche Kündigungsfrist und die damit evtl. verbundenen Nachteile beim
                                    Arbeitslosengeldbezug in Kauf zu nehmen. Aus diesem Grunde wäre meines Erachtens eine Klage allein auf Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist für das Zustandekommen des Abfindungsanspruches unschädlich.
   
   
    Achtung:
   
   Diese Frage ist noch nicht durch die Gerichte geklärt und daher streitig.
  
 
 
  
   3. Fristlose Kündigung
  
 
  
   Die vorzeitige fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Onassis braucht dieser nicht klaglos hinnehmen. Er hat ein Recht darauf, die fristlose
                                    Kündigung, die mit der betriebsbedingten Kündigung nicht im Zusammenhang steht, gerichtlich überprüfen zu lassen. Sofern diese fristlose Kündigung rechtsunwirksam ist, wäre das Arbeitsverhältnis durch die zuvor
                                    ausgesprochene ordentliche Kündigung mit der entsprechenden Kündigungsfrist beendet worden. Arbeitnehmer Onassis hat dann einen Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG.
  
 
 
  
   4. Entstehen des Abfindungsanspruches
  
 
  
   Der Abfindungsanspruch des § 1 Absatz 1 KSchG entsteht erst mit Ablauf der in der Kündigungserklärung angegebenen Kündigungsfrist. Dabei spielt es
                                    zunächst keine Rolle, ob diese Kündigungsfrist rechtlich zu kurz ist, oder ob sie über die verbindliche Mindestkündigungsfrist hinausgeht. Der Abfindungsanspruch entsteht jeweils mit dem Ablauf der
                                    Kündigungsfrist.
   
   Etwas anderes gilt dann, wenn die Arbeitnehmerin gegen eine zu kurze Kündigungsfrist klagt und gerichtlich die richtige Kündigungsfrist festgestellt wird. In diesem Falle würde der
                                    Abfindungsanspruch ausnahmsweise erst mit Ablauf der gerichtlich festgestellten richtigen Kündigungsfrist entstehen. Sofern die Arbeitnehmerin aber die zu kurze Kündigungsfrist akzeptiert, entsteht der Anspruch
                                    entsprechend früher.
  
 
 
  
   5. Vorzeitige Beendigung
  
 
  
   Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der im Kündigungsschreiben angegebenen Kündigungsfrist, so entsteht kein Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG. Das
                                    Arbeitsverhältnis könnte vor Ablauf der Kündigungsfrist z.B. durch eine rechtswirksame fristlose Kündigung, aber auch durch Tod oder Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder durch einen vorgezogenen
                                    Auflösungsvertrag enden. Da der Abfindungsanspruch nach § 1 a Absatz 1 KSchG erst mit Ablauf der Kündigungsfrist entsteht, ist wegen Nichterreichung der Kündigungsfrist auch kein Abfindungsanspruch vorhanden.
   
   Ein Abfindungsanspruch würde in diesen Fällen nur dann entstehen, wenn er zusätzlich rechtsgeschäftlich vereinbart worden ist.