Folge 138

Wie soll ich Klage erheben? (2)

(Stand 2025)



Der Fall:


Neben Franzl Grillparzer kündigt der fesche Arbeitgeber Gottlob auch die altgediente Chefsekretärin Roswitha von Gandersheim. Er will junges Blut für das modernisierte Unternehmen. Roswitha will klagen, traut sich aber eine Klageerhebung alleine nicht zu. Was soll sie tun?



Die Lösung:



1. Klageerhebung am Arbeitsgericht


Roswitha von Gandersheim könnte zu der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts gehen und dort ihre Klage zu Protokoll geben. Dazu reicht es aus, dass sie mit den notwendigen Unterlagen (Kündigungserklärung, Abrechnungen etc.) zum Arbeitsgericht geht. Sie sollte vorher beim Arbeitsgericht anrufen und nachfragen, wann die Rechtsantragsstelle geöffnet ist. 

Dort muss sie bei der Rechtsantragsstelle ihr Anliegen vortragen. Die Rechtsantragsstelle wird durch einen Rechtspfleger geleitet, der rechtlich sehr gut ausgebildet ist. Dann wird dort ihre Klage zu Protokoll genommen. Sie braucht lediglich unterschreiben. Dadurch entstehen keine speziellen Kosten. Das Arbeitsgericht veranlasst alles weitere. Roswitha wird ebenso wie ihr Arbeitgeber Gottlob eine Ladung zum Gütetermin erhalten.


Achtung: Die Rechtsantragsstelle beim Arbeitsgericht kann dem rechtsuchenden Arbeitnehmer sagen, was zu tun ist und bei der Klageerhebung Hilfestellung leisten. Allerdings darf das Arbeitsgericht keine ausführliche Rechtsberatung und Betreuung der Klägerin Roswitha durchführen. Dafür wären Rechtsanwälte und Gewerkschaften zuständig.



2. Klageerhebung durch Rechtsanwalt


So wie eine Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt erfolgen kann, kann Roswitha auch einen Rechtsanwalt beauftragen, für sie eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben. Der Rechtsanwalt wird sie beraten und die notwendigen Schritte dann unternehmen. Roswitha muss allerdings die Kosten ihres Rechtsanwalts beim Arbeitsgericht selbst tragen, egal ob sie gewinnt oder verliert.

§ 12 a Arbeitsgerichtsgesetz schreibt vor, dass in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht jede Partei ihre Vertretungskosten, d.h. ihre außergerichtlichen Kosten, vor allem ihre Rechtsanwaltskosten selbst trägt, egal ob sie gewinnt oder verliert!

Aus diesem Grunde muss sich Roswitha Gedanken darüber machen, wie hoch die Kosten der Rechtsanwaltsvertretung sind und was sie im Prozess gewinnen kann. Gerade bei einer Kündigung kann jedoch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes in der Regel lohnend sein.



3. Rechtsschutzversicherung


Sofern die Chefsekretärin Roswitha eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, trägt diese möglicherweise die Kosten des Prozesses. Wichtig ist allerdings, dass die Rechtsschutzversicherung auch den Arbeitsrechtsschutz umfasst!

Dann muss Roswitha oder der von ihr beauftragte Rechtsanwalt eine Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung einholen.
Wird diese Deckungszusage gegeben, trägt die Rechtsschutzversicherung die Kosten des Verfahrens.



4. Prozesskostenhilfe


Ist der gekündigte Arbeitnehmer finanziell nicht in der Lage, einen Rechtsanwalt zu bezahlen, so kann er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beim Arbeitsgericht selbst oder über seinen Anwalt beantragen. Prozesskostenhilfe ist dann zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer entweder ein sehr niedriges Einkommen, z.B. auf Sozialhilfeniveau hat.

Es ist zum anderen dann auch zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer hohe Unterhaltsverpflichtungen oder hohe Belastungen durch Ratenzahlungen gegenüber von Banken oder anderer Art hat.

Die Chefsekretärin Roswitha wird allerdings für die Gewährung von Prozesskostenhilfe kaum in Betracht kommen. Zum einen hat sie ein hohes Einkommen, damit auch ein hohes Arbeitslosengeld. Zum anderen hat sie keine Unterhaltsverpflichtungen.



5. Klageerhebung durch Gewerkschaft


Sofern die Arbeitnehmerin Roswitha Gewerkschaftsmitglied ist, genießt sie Rechtsschutz durch ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft. In diesem Fall kann sie sich wegen der Klageerhebung direkt an ihre Gewerkschaft wenden. Dann wird entweder ihre Gewerkschaft die Klage erheben, oder Roswitha an die DGB-Rechtsschutz-GmbH verweisen.

Die dortigen Rechtsschutz-Angestellten sind berechtigt, Klage für ihre Gewerkschaftsmitglieder zu erheben und zu führen.

Wegen des Rechtsschutzes entstehen dann keine Kosten für die Klage der Gewerkschaftsmitglieder.



6. Klage durch den Arbeitgeberverband


Immer wieder klagen auch Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer. Wenn z.B. der Arbeitgeber Gottlob Schadenersatz gegen seine Arbeitnehmer Roswitha oder Grillparzer wegen Schlechtleistung im Arbeitsverhältnis, Verursachung von Schäden, Nichteinhaltung der Kündigungsfrist und aus anderen Gründen hat, kann er ebenfalls Klage erheben.

Sofern der Arbeitgeber Mitglied im Arbeitgeberverband oder als Handwerker in einer Innung ist, wird der Arbeitgeberverband oder die Innung ihm kostenlosen Rechtsschutz gewähren und mit seinen Fachleuten oder Rechtsschutzbeauftragten für ihn Klage erheben.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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