Der Fall:
Arbeitgeber Gottlob beschäftigt 150 Arbeitnehmer. Er muß 50 Arbeitnehmer betriebsbedingt abbauen. Gottlob meint, die Altarbeitnehmer Walter von der
Vogelweide und Oskar von Wolkenstein beim Mittagessen in der Kantine mündlich gekündigt zu haben. Die ausgefuchsten Techniker Klopstock und Grimmelshausen hat Gottlob vorsichtshalber schriftlich und per
Einschreiben gekündigt. Grimmelshausen war aber in Urlaub. Sein Einschreiben konnte nicht zugestellt werden. Den schwerbehinderten und kranken Andreas Gryphius hat Gottlob per Fax gekündigt. Das Faxprotokoll gab
“okay” an. Gryphius bestreitet, eine Kündigung erhalten zu haben.
Die Jungarbeitnehmer Uhland und Bettina von Arnim hat der fesche Gottlob per SMS gekündigt. Echt modern. Dem aufmüpfigen Betriebsrat Friedrich
von Spee hat er die Kündigung per e-mail direkt ins Betriebsratsbüro geschickt.
Sind die Kündigungen formgerecht zugegangen? Wann muß geklagt werden?
Die Lösung:
1. Klagefrist
Die Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes beträgt nach § 4 KSchG 3 Wochen nach Zugang, d.h. nach Erhalt der Kündigung. Das Kündigungsschutzgesetz
findet Anwendung, wenn der Arbeitnehmer länger als 6 Monate beschäftigt ist und der Betrieb mehr als 5 Arbeitnehmer zählt.
Immer dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt, muß der Arbeitnehmer binnen 3
Wochen nach Zugang klagen. Sonst ist die Kündigung nach § 7 KSchG unwirksam, soweit sie sich auf das Kündigungsschutzgesetz stützt.
Zwar kann die Kündigung auch aus anderen Gründen unwirksam sein, z.B. bei
Schwangeren (Mutterschutzgesetz), Schwerbehinderten (SGB IX), Betriebsräten (BetrVG), bei Elternzeit (§ 18 ErzGG).
Es ist jedoch auch allen Arbeitnehmern dringend anzuraten, eine Kündigungsschutzklage binnen
3 Wochen nach Zugang zu erheben. Sie gehen damit sicher, daß ihre Klage möglicherweise nicht schon aus formellen Gründen scheitert.
2. Zugangsdatum
Entscheidend für die Klagefrist ist der Zugang und der Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer. Nicht das Datum auf dem Kündigungsschreiben
zählt. Dieses Datum könnte willkürlich sein. Vielleicht lag das Kündigungsschreiben auch zuerst eine Woche noch zur Überlegung in der Schublade des Chefs.
Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist es wichtig, das
Zugangsdatum möglichst beweisbar festzuhalten. Am besten geschieht dies durch ein schriftliches Empfangsbekenntnis des Arbeitnehmers oder bei einer Übergabe durch einen Boten durch dessen schriftliches Zeugnis.
3. Ordnungsgemäßer Zugang
Der Zugang muß ordnungsgemäß erfolgen, d.h. der Arbeitnehmer muß in der Lage gewesen sein, vom Kündigungsschreiben Kenntnis zu nehmen. Dazu reicht es
i.d.R. aus, wenn das Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer persönlich übergeben wird, oder in dessen Briefkasten eingeworfen wird. Verweigert dann der Arbeitnehmer die Annahme, so hat dies keine Auswirkungen auf
den Zugang der Kündigungserklärung. Problematisch ist der ordnungsgemäße Zugang aber z.B. bei dem Einschreiben mit Rückschein. Grimmelshausen war in Urlaub, er hatte im Briefkasten nur einen
Benachrichtigungszettel. Die Post ist nicht abgeholt worden. Er hatte keine Möglichkeit des Einblicks in die Kündigungserklärung.
Auch ein Anheften der Kündigungserklärung an die Wohnungstür oder ein
Übergeben an einen Kollegen oder Bekannten des Arbeitnehmers ist problematisch. Der Kollege/Bekannte muß das Schreiben an den Arbeitnehmer wieitergeben oder in dessen Briefkasten werfen. Erst dann ist die
Kündigung zugegangen.
4. Nachweis des Zugangs
Im Streitfall muß der Arbeitgeber nachweisen, daß eine Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer tatsächlich zugegangen ist. Dies kann sehr problematisch
sein, wenn nicht sorgfältig gearbeitet wurde.
Die Altarbeitnehmer Vogelweide und Wolkenstein erinnern sich nicht mehr an die Kündigung in der Kantine. Schon deshalb bekommt der Arbeitgeber Gottlob Probleme.
Außerdem hätte die Kündigung schriftlich sein müssen. Bei Grimmelshausen ist die Kündigung nicht zugegangen, da sie durch die Post mangels Abholung wieder an den Arbeitgeber zurückgeschickt wurde.
Will der
Arbeitgeber sicher gehen, so muß er sich den Empfang der Kündigungserklärung vom Arbeitnehmer quittieren lassen (Empfangsbekenntnis). Er kann auch einen Boten benutzen, um die Kündigungserklärung in den
Briefkasten des Arbeitnehmers werfen zu lassen oder dem Arbeitnehmer persönlich übergeben zu lassen. Der Bote muß dann als Zeuge oder mit einer schriftlichen Quittung dieses bestätigen. Hat der Arbeitgeber
keinen Nachweis der Kündigung geführt, so geht das Gericht davon aus, daß eine Kündigungserklärung überhaupt nicht ausgesprochen wurde.