Folge 115

Mobbing I: Psychische Belastung



Der Fall:


    Operettenchef Gotthilf Schiffer leidet unter seinen Mitarbeitern. Die Chormitglieder George Harrison und Ringo Starr fühlen sich von Harry Bellafonte
    gemobbt. Die Solisten Peter Alex und Roy Black ertragen den Termindruck nicht mehr. Maria Callas versagt die Stimme, wenn sie Gotthilf nur sieht. Die Erste Geige Yoko Duo ist depressiv geworden. Die Krankenquote
    im Ensemble steigt. Was ist zu tun?



Die Lösung:



1. Steigende psychische Erkrankungen


    Nach den Feststellungen der Krankenkassen steigen die psychischen Erkrankungen insbesondere im Arbeitsverhältnis. Dies entspricht auch den Feststellungen
    bei den Arbeitsgerichten. Die Zahl der Prozesse mit psychischen Erkrankungen als Auslöser oder Begleitumstände nehmen zu.

    In der Vergangenheit scheuten sich viele Arbeitnehmer, ihre psychischen Probleme
    gegenüber dem Arbeitgeber, den Arbeitskollegen oder bei Gericht zuzugeben. Dies hat sich mittlerweile geändert. Vielleicht ist die steigende Anzahl der Krankenfälle im Betrieb wegen psychischer Erkrankungen auch
    auf diese zunehmende Offenheit zurückzuführen. Früher wurden solche Erkrankungen jedenfalls z.T. in anderer Weise diagnostiziert.



2. Definition nach DIN


    Nach der Norm DIN EN ISO 10075-1 “Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung” wird die psychische Belastung definiert

    als die
    Gesamtheit der erfaßbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch einwirken.

    “Psychische Beanspruchungen” werden dort definiert als

    die individuelle, zeitlich unmittelbare
    und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand.

    Zu den psychischen Belastungen im Arbeitsprozeß sind nach
    Meinung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verschiedene Einflüsse verantwortlich. Diese Einflüsse kommen aus dem Arbeitsauftrag, dem organisatorischen Rahmen am Arbeitsplatz, den Belastungen
    aus den sozialen Bedingungen im Betrieb und den Einflüssen aus den unmittelbaren, sog. “harten” Arbeitsbedingungen des Arbeitsplatzes und der Maschinen.



3. Qualifikation


    In der Vergangenheit gingen die Fachleute davon aus, daß die Fähigkeit zur Problemlösung umso größer sei, je größer die Qualifikation der beschäftigten
    Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Je weiter der Handlungsspielraum, insbesondere im Führungsbereich, umso größer war die Möglichkeit, Belastungen stand zu halten.

    Im Rahmen der mittlerweile auftretenden
    psychischen Erkrankungen, insbesondere im Rahmen der Mobbing-Probleme, kann dies jedoch nicht mehr so uneingeschränkt gelten. Gerade dem Phänomen des Mobbing stehen Vorgesetzte manchmal hilflos gegenüber. Dies
    gilt zum einen, wenn in ihrer Abteilung Mobbing-Probleme herrschen. Dies gilt zum anderen auch dann, wenn sie selbst von Mobbing durch Untergebene oder durch den Arbeitgeber betroffen sind.



4. Unterscheidung zwischen Mobbing und psychischem Druck


    Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen psychischer Belastung am Arbeitsplatz, Streß, psychischer Ermüdung und Druck am Arbeitsplatz einerseits und
    Mobbing andererseits. Viele Arbeitnehmer werfen die Begriffe durcheinander bzw. zählen alle psychischen Probleme unter den Oberbegriff des Mobbing. Dies ist nicht hilfreich, da der Begriff Mobbing dadurch
    ähnlich konturlos wird, wie z.B. der Begriff “Rheuma” im medizinischen Bereich. Es ist deshalb zu trennen zwischen der psychischen Belastung am Arbeitsplatz im allgemeinen und den Mobbing-Phänomenen im
    speziellen.



5. Streß


    Streß erlebt jeder, in der Familie, in der Freizeit, aber auch am Arbeitsplatz. Streß ist eine natürlich Reaktion des Organismus auf äußerliche
    Belastungen jeder Art. Bei Streß steigt der Adrenalinspiegel, Blutdruck und die Atmungsfrequenz. Entwicklungsgeschichtlich ist Streß eine Überlebensfunktion gewesen.

    Arbeitsbedingter Streß kann zunächst
    positiv sein und die Arbeitsleistung steigern. Im Übermaß ist er jedoch gesundheitsgefährdend. Deshalb wird arbeitsbedingter Streß heute als emotionale oder physiologische Reaktion auf ungünstige oder schädliche
    Aspekte der Arbeit verstanden. Dazu zählt auch das Arbeitsumfeld und die Arbeitsorganisation.

    Streß ist mit einem hohen Belastungsniveau verbunden, manchmal mit dem Gefühl der Ohnmacht oder der
    Leistungsschwächung. Der Arbeitnehmer hat das Gefühl, daß er die Kontrolle über seine Arbeitsbelastung oder seine Situation zu verlieren droht.

    Insbesondere die neuen, veränderten Arbeitsbedingungen, aber
    auch Arbeitsverdichtung im Dienstleistungsbereich bringen Streß hervor oder steigern ihn. Dies kann zum einen durch die Einführung neuer Technologien, Computersoftware, steigenden Qualitätsanforderungen, gegeben
    sein, zum anderen aber auch durch Personalknappheit, Zeitvorgaben oder wachsenden Verantwortungsdruck.



6. Psychische Ermüdung


    Während Streß zumindest kurzfristig eine Leistungssteigerung bewirkt, führt die psychische Ermüdung zu einer Verschlechterung der körperlichen und
    psychischen Funktionstüchtigkeit. Psychische Ermüdung kann als Reaktion auf Streß oder übermäßigen Arbeitsdruck, Zeitdruck etc. ausgelöst werden.


    Beispiel:

    Ein Arbeitnehmer arbeitet über die Pausen durch, stundenlanges hochkonzentriertes Arbeiten am PC, Kassiererin im Supermarkt ohne Pause.

    Im Erziehungs- und Gesundheitsbereich kann eine psychische Ermüdung
    auch durch eine zu intensive emotionale Anteilnahme ausgelöst werden. Bekannt ist der sog. “Burn-Out-Effekt”, der vermehrt bei Pädagogen zu finden ist.

    Die Folgen können gravierend sein, z.B. Aggressionen
    gegen die zu Betreuenden (Kinder, pflegebedürftige Menschen), Verdrängen und Wegschieben von wichtigen Entscheidungen, immer langsamere Arbeitsbewältigung, Dienst nach Vorschrift und psychische Verhärtung,
    Sehstörungen, Nachlassen bis zum völligen Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Schwierigkeiten bei Formulierungen, Satzbildung oder Wortfindung, Störungen bei der Koordination von Bewegungen und Tätigkeiten,
    Veränderungen der Handschrift etc.

    Am Schluß steht die psychische Erkrankung, wie bei Yoko Duo. Ausfallerscheinungen sind aber bei Maria Callas sehr deutlich.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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