Folge 115

Mobbing I: Psychische Belastung

(Stand 2025)



Der Fall:


Operettenchef Gotthilf Schiffer leidet unter seinen Mitarbeitern. Die Chormitglieder George Harrison und Ringo Starr fühlen sich von Harry Bellafonte gemobbt.

Die Solisten Peter Alex und Roy Black ertragen den Termindruck nicht mehr. Maria Callas versagt die Stimme, wenn sie Gotthilf nur sieht. Die Erste Geige Yoko Duo ist depressiv geworden. Die Krankenquote
im Ensemble steigt. Was ist zu tun?



Die Lösung:



1. Steigende psychische Erkrankungen


Nach den Feststellungen der Krankenkassen steigen die psychischen Erkrankungen insbesondere im Arbeitsverhältnis. Dies entspricht auch den Feststellungen bei den Arbeitsgerichten. Die Zahl der Prozesse mit psychischen Erkrankungen als Auslöser oder Begleitumstände nehmen zu.

In der Vergangenheit scheuten sich viele Arbeitnehmer, ihre psychischen Probleme gegenüber dem Arbeitgeber, den Arbeitskollegen oder bei Gericht zuzugeben. Dies hat sich mittlerweile geändert.

Vielleicht ist die steigende Anzahl der Krankenfälle im Betrieb wegen psychischer Erkrankungen auch auf diese zunehmende Offenheit zurückzuführen. Früher wurden solche Erkrankungen jedenfalls z.T. in anderer Weise diagnostiziert.



2. Definition nach DIN


Nach der Norm DIN EN ISO 10075-1 “Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung”

wird die „psychische Belastung“ definiert als

die „Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch einwirken“.

“Psychische Beanspruchungen” werden dort definiert als

die „individuelle, zeitlich unmittelbare und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand“.

Zu den psychischen Belastungen im Arbeitsprozess sind nach
Meinung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verschiedene Einflüsse verantwortlich.

Diese Einflüsse kommen aus dem Arbeitsauftrag, dem organisatorischen Rahmen am Arbeitsplatz, den Belastungen aus den sozialen Bedingungen im Betrieb und den Einflüssen aus den unmittelbaren, sog. “harten” Arbeitsbedingungen des Arbeitsplatzes und der Maschinen.



3. Qualifikation


In der Vergangenheit gingen die Fachleute davon aus, dass die Fähigkeit zur Problemlösung umso größer sei, je größer die Qualifikation der beschäftigten Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Je weiter der Handlungsspielraum, insbesondere im Führungsbereich, umso größer war die Möglichkeit, Belastungen stand zu halten.

Im Rahmen der mittlerweile auftretenden psychischen Erkrankungen, insbesondere im Rahmen der Mobbing-Probleme, kann dies jedoch nicht mehr so uneingeschränkt gelten. Gerade dem Phänomen des Mobbing stehen Vorgesetzte oft hilflos gegenüber.

Dies gilt zum einen, wenn in ihrer Abteilung Mobbing-Probleme herrschen. Dies gilt zum anderen auch dann, wenn sie selbst von Mobbing durch Untergebene oder durch den Arbeitgeber betroffen sind.



4. Unterscheidung zwischen Mobbing und psychischem Druck


Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen psychischer Belastung am Arbeitsplatz, Stress, psychischer Ermüdung und Druck am Arbeitsplatz einerseits und Mobbing andererseits. Viele Arbeitnehmer werfen die Begriffe durcheinander bzw. zählen alle psychischen Probleme unter den Oberbegriff des Mobbing.

Dies ist nicht hilfreich, da der Begriff Mobbing dadurch ähnlich konturlos wird, wie z.B. der Begriff “Rheuma” im medizinischen Bereich. Es ist deshalb zu trennen zwischen der psychischen Belastung am Arbeitsplatz im allgemeinen und den Mobbing-Phänomenen im speziellen.



5. Stress


Stress erlebt jeder, in der Familie, in der Freizeit, aber auch am Arbeitsplatz. Stress ist eine natürlich Reaktion des Organismus auf äußerliche
Belastungen jeder Art. Bei Stress steigt der Adrenalinspiegel, Blutdruck und die Atmungsfrequenz. Entwicklungsgeschichtlich ist Stress eine Überlebensfunktion gewesen.

Arbeitsbedingter Stress kann zunächst positiv sein und die Arbeitsleistung steigern. Im Übermaß ist er jedoch gesundheitsgefährdend.

Deshalb wird arbeitsbedingter Stress heute als emotionale oder physiologische Reaktion auf ungünstige oder schädliche Aspekte der Arbeit verstanden. Dazu zählt auch das Arbeitsumfeld und die Arbeitsorganisation.

Stress ist mit einem hohen Belastungsniveau verbunden, manchmal mit dem Gefühl der Ohnmacht oder der Leistungsschwächung. Der Arbeitnehmer hat das Gefühl, dass er die Kontrolle über seine Arbeitsbelastung oder seine Situation zu verlieren droht.

Insbesondere die neuen, veränderten Arbeitsbedingungen, die Digitalisierung vieler Bereiche, aber auch Arbeitsverdichtung im Dienstleistungsbereich bringen Stress hervor oder steigern ihn. Dies kann zum einen durch die Einführung neuer Technologien, Computersoftware, steigenden Qualitätsanforderungen gegeben sein, zum anderen aber auch durch Personalknappheit, Zeitvorgaben oder wachsendem Verantwortungsdruck.

Leider versuchen immer mehr Unternehmen, ihren Kostendruck schleichend durch mangelnde Nachbesetzung frei gewordener Stellen zu minimieren, soweit nicht schon offen betriebsbedingte Entlassungen anstehen. Aber auch der Fachkräftemangel führt zur fehlenden Nachbesetzung von frei werdenden Stellen. All dies erhöht die Arbeitsverdichtung und den Druck auf die verbleibenden Arbeitnehmer.



6. Psychische Ermüdung


Während Stress zumindest kurzfristig eine Leistungssteigerung bewirkt, führt die psychische Ermüdung Unlustgefühlen, zu mangelnder Motivation und damit zu einer Verschlechterung der körperlichen und psychischen Funktionstüchtigkeit. Psychische Ermüdung kann als Reaktion auf Stress oder übermäßigen Arbeitsdruck, Zeitdruck etc. auftreten oder so ausgelöst werden.


Beispiel:

Ein Arbeitnehmer arbeitet über die Pausen durch, stundenlanges hochkonzentriertes Arbeiten am PC, Kassiererin im Supermarkt ohne Pause.

Im Erziehungs- und Gesundheitsbereich, in der Pflege kann eine psychische Ermüdung auch durch eine zu intensive emotionale Anteilnahme ausgelöst werden. Bekannt ist der sog. “Burn-Out-Effekt”, der vermehrt bei Pädagogen zu finden ist.

Die Folgen können gravierend sein, z.B. Aggressionen
gegen die zu Betreuenden (Kinder, pflegebedürftige Menschen), Verdrängen und Wegschieben von wichtigen Entscheidungen, immer langsamere Arbeitsbewältigung, Dienst nach Vorschrift und psychische Verhärtung, Sehstörungen, Nachlassen bis zum völligen Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Schwierigkeiten bei Formulierungen, Satzbildung oder Wortfindung, Störungen bei der Koordination von Bewegungen und Tätigkeiten, Veränderungen der Handschrift etc.

Am Schluss steht die psychische Erkrankung, wie bei der Ersten Geige Yoko Duo. Ausfallerscheinungen sind aber bei Maria Callas sehr deutlich.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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