Der Fall:
Arbeitgeber Wallenstein betreibt ein Busunternehmen. Bei seinen Fahrern hat er die Geltung der einschlägigen Tarifverträge vereinbart. Dort ist bestimmt,
daß für Nebentätigkeiten die Zustimmung des Arbeitgebers notwendig ist.
Vollzeit-Busfahrer Pappenheim beantragt bei Wallenstein eine Nebentätigkeitsgenehmigung als LKW-Fahrer im Güterverkehr. Wallenstein
lehnt grundsätzlich eine solche Nebentätigkeit ab. Vollzeit-Busfahrer Piccolomini beantragt eine Nebentätigkeit zum Betrieb einer Pizzeria. Wallenstein genehmigte zunächst. Nachdem Piccolomini mehrfach die
Frühschicht verschlafen hatte, widerrief er die Genehmigung.
Pappenheim und Piccolomini klagen. Sie verlangen Schadenersatz vom Arbeitgeber Wallenstein wegen der entgangenen Löhne und Gewinne. Sie berufen
sich auf ihre grundgesetzlich gesicherte Berufsfreiheit. Zu Recht?
Die Lösung:
1. Rechtsgrundlage
Ein Nebentätigkeitsverbot bedarf einer Rechtsgrundlage. Solche Rechtsgrundlagen finden sich in Tarifverträgen wie auch in Arbeitsverträgen.
Es ist
z.B. im Manteltarifvertrag für das Private Omnibusgewerbe in Bayern geregelt:
“Jede Nebenbeschäftigung ohne vorherige Zustimmung des Arbeitgebers ist untersagt. Nebentätigkeiten, die mit dem Lenken von
Kraftfahrzeugen verbunden sind, sind nicht gestattet (Lenkzeitkontrolle!).”
Nebentätigkeitsverbote können auch in Arbeitsverträgen vereinbart sein.
2. Grundgesetzverletzung?
Tarifvertragsparteien wie auch Arbeitsvertragsparteien sind in ihrer Gestaltungsfreiheit nicht ohne Beschränkung. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG)
gewährleistet jedem einzelnen das Recht auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung. Es gewährleistet das Recht, jede Tätigkeit zu ergreifen, für die er sich geeignet glaubt.
Dieses Recht gilt
aber nicht uneingeschränkt. Es sind die entgegenstehenden Grundrechte und Rechtspositionen anderer, z.B. des Arbeitgebers, zu berücksichtigen und zu gewährleisten.
Deshalb hat jeder Arbeitnehmer aufgrund
seines Arbeitsvertrages die schon stillschweigend bestehende Verpflichtung, seine Arbeitskraft zu erhalten und so zu ermöglichen, daß er Tag für Tag die von ihm geschuldete vertragliche Vergütung erbringen kann.
Er hat die Verpflichtung, alle schuldhaften Beeinträchtigungen seiner Arbeitsleistung zu unterlassen.
Es ist vom System her zu unterscheiden zwischen dem generellen Nebentätigkeitsverbot mit
Erlaubnisvorbehalt und der generellen Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt.
Im Falle der Busfahrer Pappenheim und Piccolomini sieht der vertraglich in Bezug genommene Tarifvertrag ein generelles
Nebentätigkeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt vor. Darüber hinaus sieht er für Lenktätigkeiten ein spezielles Nebentätigkeitsverbot ohne Ausnahme vor.
Solche Vertragsgestaltungen sind grundsätzlich zulässig.
Der Arbeitgeber darf eine Nebentätigkeit allerdings nur dann ablehnen, wenn er einen sachlichen Grund besitzt.
3. Sachlicher Grund
Die generelle Ablehnung jeglicher Nebentätigkeiten durch den Arbeitgeber ist rechtswidrig. Ein solches Verhalten würde sowohl gegen die Rechte des
Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG wie auch aus Art. 2 GG verstoßen. Der Arbeitnehmer verkauft zwar seine Arbeitskraft und Arbeitszeit an den Arbeitgeber, aber nicht sein gesamtes Leben und seine Freizeit.
Das Nebentätigkeitsverbot muß deshalb sensibel, d.h. mit sachlichem Grund gehandhabt werden. Der Arbeitgeber muß bei seiner Entscheidung die Grundsätze des billigen Ermessens nach § 315 BGB beachten. Andernfalls
handelt er rechtswidrig und macht sich ggf. schadenersatzpflichtig.
Andererseits hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Erhaltung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers. Ein generelles
Nebentätigkeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt im Arbeitsvertrag kann problematisch sein. Unproblematisch ist es dagegen, wenn sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vorbehält, im Einzelfall eine Nebentätigkeit
gewerblicher Art zu untersagen. Unproblematisch ist es auch, wenn der Arbeitgeber für gewerbliche Nebentätigkeiten zumindest eine Anzeigepflicht mit dem Arbeitnehmer vereinbart.
Auch bei Tätigkeiten, die
sich im Bereich der beruflichen Tätigkeit, der Branche etc. bewegen oder die für den Arbeitgeber rufschädlich sind (z.B. der Personalchef als Rausschmeißer in der Diskothek) ist ein Verbot möglich.
Das
Gleiche gilt in Bereichen, die besondere Sicherheitsanforderungen stellen, z.B. in der Personenbeförderung, bei Fernfahrern, Fluglotsen.
4. Konkrete Genehmigung / Verbot
Der Arbeitgeber muß trotz vertraglicher oder tarifvertraglicher Regelung in jedem Einzelfall noch einmal prüfen, ob das Verbot einer Nebentätigkeit
sachlich angemessen ist und den Grundsätzen des billigen Ermessens entspricht.
Dabei muß auch zwischen Vollzeitarbeitnehmer und Teilzeitarbeitnehmer unterschieden werden!
Die Tarifvertragsparteien im
Busfahrerfall halten sich mit ihrem tariflichen Genehmigungsvorbehalt im Rahmen des billigen Ermessens. Die Personenbeförderung stellt einen Bereich mit erhöhten Anforderungen an die Sicherheit und die
Arbeitskraft des Arbeitnehmers dar. Hier muß der Busunternehmer Wallenstein sich der Einsatzfähigkeit seiner Mitarbeiter in besonderer Weise vergewissern.
Es ist nach der Rechtsprechung auch nicht zu
beanstanden, daß im Bereich der Personenbeförderung Nebentätigkeiten gänzlich untersagt sind, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen etc. verbunden sind. Durch dieses Verbot soll die Einhaltung der gesetzlichen
Lenk- und Ruhezeiten sichergestellt werden.
Im Falle von Piccolomini hat Arbeitgeber Wallenstein zunächst die Nebentätigkeit eines Pizzeriabetreibers genehmigt.
Der Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung
ist rechtlich nicht zu beanstanden. Piccolomini hat im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Wirttätigkeit in der Pizzeria die Frühschicht mehrfach verschlampt. Dies ist ein deutliches Indiz dafür, daß Piccolomini
seine Arbeitskraft am Morgen nicht in der geschuldeten Form anbieten konnte. Arbeitgeber Wallenstein ist nicht verpflichtet, hier im einzelnen Nachforschungen anzustellen und ggf. nächtelanges Arbeiten des
Piccolomini nachzuweisen.
Der Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung hielt sich im Rahmen des billigen Ermessens gem. § 315 BGB.
Die Schadenersatzklagen von Pappenheim und Piccolomini gegen Wallenstein
scheitern.