Der Fall:
Friseurin Brunhilde ist erfolgreich. Sie betreibt mehrere Friseursalons. In den Arbeitsverträgen hat sie die Geltung der einschlägigen Tarifverträge
vereinbart. Der Manteltarifvertrag sieht die Möglichkeit zur Bildung von Arbeitszeitkonten vor.
In Ausführung des Tarifvertrages hat Brunhilde mit ihrer Salonleiterin Krimhild im Arbeitsvertrag ein
Arbeitszeitkonto vereinbart. Die Arbeitnehmerin hat danach die Möglichkeit, bis zu 50 Plus-Stunden bzw. 50 Minus-Stunden anzusammeln. Weitere Verrechnungsregeln fehlen.
Als Krimhild zum 31.12.2002
ausscheidet, hat sie 40 Minus-Stunden. Arbeitgeberin Brunhilde zieht ihr deshalb vom Dezember-Gehalt 400 Euro zum Ausgleich ab.
Da Krimhild das Gehalt schon verplant hat, ist sie empört. Zu Recht?
Die Lösung:
1. Arbeitszeitkonten
In verschiedenen Tarifverträgen, aber auch Betriebsvereinbarungen ist die Möglichkeit von Arbeitszeitkonten vorgesehen. Generell kann auch im
Arbeitsvertrag ein Arbeitszeitkonto vorgesehen werden, soweit nicht zwingende Tarifverträge entgegenstehen.
Es ist bei Regelungen genau zu unterscheiden zwischen Arbeitszeitkonten, die auf das ganze Jahr
bezogen sind oder auf einen Monat. Letztendlich beinhalten auch die Gleitzeitregelungen einen Art von Arbeitszeitkonto, in dem sie regelmäßig einen bestimmten Korridor von Plus- oder Minusstunden monatlich
vorsehen.
Achtung:
Soweit eine tarifliche Mindestwochenarbeitszeit tariflich zwingend vorgeschrieben ist, könnten Arbeitszeitkonten durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung gegen den zwingenden Tarifvertrag verstoßen, soweit dieser nicht eine Öffnungsklausel enthält!
2. Negatives Konto
Die Regulierung von Plus-Stunden ist in vielen Rechtsvorschriften, die Arbeitszeitkonten vorsehen, geregelt. Der Ausgleich erfolgt regelmäßig durch
Freizeit oder durch Vergütungszahlung.
Für Minus-Stunden fehlt dagegen oft eine Regelung, insbesondere für den Fall des Ausscheidens. So auch vorliegend im Fall. Soweit Arbeitszeitkonten per Arbeitsvertrag
oder Betriebsvereinbarung eingerichtet werden, ist dringend eine entsprechende Regelung zu empfehlen.
3. Mitbestimmung
Zu beachten ist allerdings, daß gerade im Bereich der Arbeitszeitkonten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2
Betriebsverfassungsgesetz besteht. Der Arbeitgeber muß die Handhabung der Arbeitszeitkonten im einzelnen durch Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat zu regeln. Andernfalls würde er einen massiven
Gesetzesverstoß begehen. Im Fall von Brunhilde gab es jedoch keine Betriebsräte in den Salons.
4. Wesentliche Grundsätze zum Negativ-Saldo
Die Handhabung eines Negativ-Saldos während des Arbeitsverhältnisses wie auch beim Ausscheiden sollte grundsätzlich im Tarifvertrag, in einer
Betriebsvereinbarung oder zumindest im Arbeitsvertrag geregelt werden.
Gerade im Fall des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ist die Verrechnung eines Negativ-Zeitsaldos problematisch. Entscheidendes
Kriterium für die Zulässigkeit einer Verrechnung von Negativ-Stunden bei dem Ausscheiden der Arbeitnehmerin, ist die Frage, ob diese Arbeitnehmerin selbst über das Entstehen und den Ausgleich eines negativen
Kontostandes entscheiden konnte oder nicht.
Dies betrifft sowohl die Entscheidung darüber, ob überhaupt ein Negativ-Guthaben entstehen soll, als auch darüber, wann und wie es ggf. ausgeglichen werden soll.
Wird ein negatives Zeitguthaben alleine vom Arbeitgeber durch entsprechende Anweisung, Direktionsrecht oder wegen Arbeitsmangel verursacht, so hat der Arbeitgeber beim Ausscheiden generell kein Recht, dieses
Negativ-Zeitkonto mit Abzügen zu seinen Gunsten auszugleichen! Andernfalls würde gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Einhaltung der tariflichen Wochenarbeitszeit unter Vergütung jeder geleisteten
Arbeitsstunde verstoßen werden.
Vorliegend bedeutet dies, daß Brunhilde einen Abzug der Minus-Stunden beim Ausscheiden von Krimhild nur dann vornehmen konnte, wenn die Minus-Stunden von Krimhild allein
verursacht wurden!
5. Verrechnung
Fehlt eine Verrechnungsregel für Plus-Stunden oder für Minus-Stunden, so kommen die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung:
Ein Zeitguthaben bedeutet
eine Vorleistung des Arbeitnehmers. Beim Ausscheiden ist das Zeitguthaben im Rahmen der Kündigungsfrist durch Freizeit auszugleichen oder am Schluß auszuzahlen. Ein negatives Zeitguthaben bedeutet dagegen eine
Vorleistung des Arbeitgebers, wenn dieses Negativ-Guthaben alleine vom Arbeitnehmer veranlaßt wurde.
In diesem Falle ist das negative Zeitguthaben der Sache nach ein Lohn- oder Gehaltsvorschuß des
Arbeitgebers. Brunhilde und Krimhild waren sich stillschweigend darüber einig, daß wegen der von Krimhild verursachten Minus-Stunden eine Vorleistung der Arbeitgeberin vorhanden ist, die bei Fälligkeit der
Forderung zu verrechnen ist.
Besteht bei Vertragsende ein solches Negativ-Saldo, so muß die Arbeitnehmerin Krimhild das negative Guthaben finanziell ausgleichen. Arbeitgeberin Brunhilde darf ihren
Vergütungsvorschuß mit dem restlichen Lohn verrechnen. Zur Verrechnung bedarf es keiner Aufrechnung und keiner Aufrechnungserklärung.
6. Pfändungsfreigrenze
Ein Lohnvorschuß darf nach allgemeinen Regeln
grundsätzlich auch von den unpfändbaren Vergütungsbestandteilen abgezogen werden. Pfändungsfreigrenzen spielen grundsätzlich keine Rolle, da die Vergütung insoweit ja gezahlt ist.
Nach wohl überwiegender
Meinung muß jedoch dem Arbeitnehmer gerade bei Arbeitszeitkonten noch ein Auszahlungsbetrag zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts verbleiben. Das ist in der Regel der Betrag, der im Rahmen der
Pfändungsfreigrenzen vorgesehen ist.