Der Fall:
Arbeitgeber Klopstock beschäftigt ca. 1.000 Arbeitnehmer. Wegen wirtschaftlicher Probleme bekommen sie seit Jahren keine Vergütungserhöhung. Zur
Förderung der Motivation gewährt Klopstock allerdings den drei Abteilungsleitern Wieland, Herder und Schiller ab November 2002 eine Gehaltserhöhung von 100 Euro monatlich. Diese Vergütungserhöhung erhält auch
der Maschinenführer Lenz. Lenz ist der Spitzenstürmer in dem von Klopstock geförderten Fußballverein Eintracht Weimar.
Der stets wache, aber auch neidische Maschinenführer Goethe fühlt sich höchst ungerecht
benachteiligt. Gerade der Fall von Lenz empört ihn, da dieser genau so lang wie er beschäftigt und genau so alt ist. Goethe begehrt ebenfalls eine Lohnerhöhung von 100 Euro monatlich nach dem Grundsatz der
Gleichbehandlung.
Klopstock befürchtet weitere Begehrlichkeiten und eine erhebliche Kostenwelle, wenn er nachgibt. Deshalb lehnt er die Forderung von Goethe ab.
Die Lösung:
1. Vertragsfreiheit
Im Zivilrecht und damit auch im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Deshalb können die Arbeitsvertragsparteien die Vertragskonditionen
jedenfalls zu einem erheblichen Teil frei vereinbaren, soweit nicht zwingende Gesetze, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen entgegenstehen.
2. Gleichbehandlungsgrundsatz
Der Gleichbehandlungsgrundsatz schränkt die nach dem BGB gewährte Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht nicht unerheblich ein. Allerdings irrt Goethe, wenn er
meint, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz ganz allgemein dazu führt, daß jeder Arbeitnehmer generell genauso gut gestellt werden müsse, wie der Arbeitskollege.
Alleine die Begünstigung eines einzelnen
Arbeitnehmers führt noch nicht zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Entscheidend für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist zunächst eine Gruppenbildung.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz
kommt nicht zur Anwendung, soweit Löhne und Gehälter, Lohnerhöhungen und Zusatzleistungen individuell ausgehandelt werden und der Arbeitgeber Klopstock nur einzelne Arbeitnehmer besserstellt. Der Arbeitgeber ist
immer berechtigt, aus rein subjektiven Erwägungen heraus, einzelne Arbeitnehmer besser zu behandeln, als den Rest. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber Klopstock selbst dann nicht zur
Lohnerhöhung für die Restbelegschaft, wenn er eine außerordentlich kleine Gruppe der Belegschaft besser gestellt hat. Das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit führt in diesem Falle nicht zur Anwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes. Auch bei kleinen bevorzugten Arbeitnehmergruppen geht die Freiheit des Arbeitgebers bei der Bestimmung des Dotierungsrahmens freiwilliger Leistungen vor.
Viele Arbeitnehmer
übersehen bei der Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, daß dieser zum einen eine Gruppen bessergestellter Arbeitnehmer voraussetzt. Zum anderen braucht die Besserstellung einer anderen Gruppe abstrakte
Differenzierungsmerkmale, auf die sich die benachteiligten Arbeitnehmer berufen können. Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer stellt keine Gruppenbildung dar.
3. Sachlicher Grund
Im vorliegenden Falle ist die Bevorzugung des fußballspielenden Maschinenführer Lenz keine Gruppenbildung. Es handelt sich um eine reine individuelle
Maßnahme, die auf der Fußballeidenschaft des Klopstock beruht. Da Klopstock die Eintracht Weimar liebt, kann es ihm nicht verwehrt werden, seinen Stürmerstar Lenz zu hätscheln, ohne daß Goethe daraus einen
finanziellen Vorteil für sich ziehen kann.
Bei den Abteilungsleitern Wieland, Herder und Schiller handelt es sich dagegen um eine Gruppe, die bevorzugt wird. In diesem Falle kommt der
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung, da ein sachlicher Grund für die Besserstellung vorhanden ist.
Der Sachgrund für die Gehaltserhöhung der 3 Mitarbeiter liegt in ihrer Stellung als
Abteilungsleiter begründet. Da Abteilungsleiter eine besondere Verantwortung im Bereich der Personalführung einerseits und der Wirtschaftlichkeit der Abteilung andererseits trifft, ist es durchaus
gerechtfertigt, diese Leistungsträger im Betrieb besser zu behandeln, als den Maschinenführer Goethe.
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet lediglich eine willkürliche Schlechterstellung
einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern.
4. Verfassungsrechtliche Differenzierungsverbote
Der Gleichbehandlungsgrundsatz könnte noch zugunsten von Goethe eingreifen, wenn Klopstock mit seiner Gehaltserhöhung zugleich besondere
verfassungsrechtliche oder EU-gemeinschaftsrechtliche Differenzierungsverbote verletzt hätte. Es ist insbesondere an das Verbot zur Benachteiligung wegen des Geschlechtes, der Religion, der Abstammung oder der
politischen Einstellung zu denken. Eine solche Verletzung liegt jedoch nicht vor. Goethe ist nicht wegen seines Geschlechts, seiner Religion, Nationalität etc. benachteiligt worden.
5. Mitbestimmung des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der Lohngrundsätze im Betrieb nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz zwingend mitzubestimmen.
Dies setzt voraus, daß die Lohnerhöhung einen kollektiven Bezug hat und insbesondere aus betrieblichen Gründen erfolgt.
Die Lohnerhöhung beim Fußballer Lenz hat keinen kollektiven Bezug. Sie erfolgte
lediglich aus Fußballeidenschaft und Liebe zur Eintracht Weimar.
Die Gehaltserhöhung der Abteilungsleiter hatte dagegen einen betrieblichen und damit kollektiven Bezug. Der Betriebsrat hätte vor dieser
Gehaltserhöhung ggf. mitbestimmen müssen.
Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts ist jedoch keine Anspruchsgrundlage für den Maschinenführer Goethe und die geforderte Lohnerhöhung.
6. Fazit
Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet im Arbeitsverhältnis Anwendung. Arbeitnehmer können sich auf ihn anspruchserhöhend aber nur berufen, wenn eine
Gruppenbildung mit kollektivem Bezug vorliegt und die Besserstellung der Gruppe keinen Sachgrund beinhaltet bzw. die Schlechterstellung andere Gruppenmitglieder willkürlich benachteiligt.
Im Bereich der
Vergütungszahlung kommt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besserstellt. Ist die
Anzahl der begünstigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering (z.B. unter 5 % der Belegschaft), so kann ein nicht-begünstigter Arbeitnehmer aus dem
Gleichbehandlungsgrundsatz keinen Anspruch auf Vergütung herleiten.