Die Höhe der Weihnachtsgratifikation ist von Branche zu Branche, manchmal auch innerhalb des Betriebes unterschiedlich geregelt. Es stellt sich insbesondere
die Frage der Gleichbehandlung.
Der Fall
Im Sängerheim der Liedertafel Concordia Kreuzberg gärt es. Der Reiniger Edmund, der Autobauer Gerd, die Marktfrau Herta, die Bankangestellten Guido und
Cornelia und die Uni-Angestellte Angela bekommen jeweils ganz unterschiedliche Weihnachtsgratifikationen.
Der Kraftfahrer Lothar bekommt von seinem Arbeitgeber gar nichts. Dies findet er sehr ungerecht. Er
beruft sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der korrekte Reiniger Edmund und die Verkäuferin Herta möchten ebenso wie die Bankangestellten Guido und Cornelia ein 13. und 14. Monatsgehalt. Auch sie berufen
sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Lösung
1. Höhe des Weihnachtsgeldes
Die Höhe der Weihnachtsgratifikation und die sonstigen Bedingungen sind von Branche zu Branche sehr unterschiedlich geregelt. Ebenso ist die Bereitschaft
der verschiedenen Arbeitgeber zur Zahlung einer Weihnachtsgratifikation unterschiedlich groß.
Dies hat zum Ergebnis, daß die Sängerrunde Kreuzberg von Edmund bis Lothar beim Weihnachtsgeld Gewinner und
Verlierer feststellt.
Diese scheinbare Ungerechtigkeit ist jedoch von den Tarifvertragsparteien, vom jeweiligen Arbeitgeber oder von den jeweiligen Arbeitsvertragsparteien so gewollt. Die Gerichte sind daran
gebunden.
Deshalb können der Reiniger Edmund und die Verkäuferin Herta nicht ohne weiteres ein halbes 13. und 14. Monatsgehalt durchsetzen, auch wenn im Bankensektor solche Leistungen erbracht werden.
Die
Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz geht hier fehl. Nur gleiche Tatbestände müssen gleich behandelt werden. Die Höhe der Gratifikation, das Ob und das Wie der Gratifikation richtet sich stets nach der
Anspruchsgrundlage, die ganz unterschiedlich ist.
2. Gleichbehandlungsgrundsatz
Die Rechtsprechung hat einen Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen verschiedenen Betrieben bzw. zwischen verschiedenen Unternehmen generell nicht
anerkannt. Dies gilt erst recht dann, wenn die Arbeitnehmer in verschiedenen Branchen beschäftigt sind. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist generell betriebsbezogen, ggf. noch unternehmensbezogen. Die
Rechtsprechung kann weder Edmund, dem Reiniger, noch Herta, der Verkäuferin, noch Lothar, dem Kraftfahrer insoweit helfen.
3. Innerbetrieblicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Etwas anderes kann gelten, wenn innerhalb eines Betriebes zwischen einzelnen Arbeitnehmern und ihren Ansprüchen differenziert wird. Der arbeitsrechtliche
Gleichbehandlungsgrundsatz gilt innerhalb des Betriebes, ggf. auch innerhalb eines Unternehmens.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet, daß ein Arbeitgeber bei Gewährung von Leistungen, z.B. einer
Weihnachtsgratifikation, nicht willkürlich einzelne Arbeitnehmer von der Gewährung der Leistung ausnehmen darf. Willkürlich ist der Ausschluß dann, wenn die Differenzierungsmerkmale des Arbeitgebers von der
Rechtsordnung nicht akzeptiert werden.
Die Rechtsordnung verbietet nicht, daß auch bei der Weihnachtsgratifikation innerhalb des Betriebes nach Arbeitnehmergruppen unterschieden wird. Allerdings muß die
Unterscheidung stets auf einem sachlichen Grund beruhen. Liegt dieser nicht vor, verstößt der Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Beispiele:
Der Arbeitgeber darf bei der Zahlung und der Höhe der Weihnachtsgratifikation nicht nach Geschlecht, Teilzeitarbeit, Gewerkschaftszugehörigkeit, Staatsangehörigkeit, Arbeitern und Angestellten unterscheiden. In der Vergangenheit lag oft eine mittelbare Frauendiskriminierung deshalb vor, weil Arbeitgeber Teilzeitbeschäftigten die Gratifikation dann verweigert haben. Auch Geringbeschäftigte haben Anspruch auf eine anteilige Gratifikation!
4. Willkürlicher Ausschluß
Wird in der Spedition des Fahrers Lothar keinem Arbeitnehmer eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, so ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.
Wäre aber Lothar der einzige Mitarbeiter, der keine Gratifikation erhält, so wäre dieser Ausschluß von Lothar im Zweifel willkürlich und grob rechtswidrig. Der Arbeitgeber müßte zahlen.
Der
Gleichbehandlungsgrundsatz läßt eine Bildung von Arbeitnehmergruppen zu, die eine Leistung bekommen oder nicht bekommen, wenn ein sachlicher Grund vorliegt.
Zahlt der Spediteur Joschka den Büroangestellten
eine Weihnachtsgratifikation und den Fahrern nicht, so müßte ein sachlicher Grund für die Differenzierung vorliegen. Dies ist im Zweifel aber nicht der Fall. Im Zweifel ist diese Differenzierung willkürlich und
rechtswidrig.
Lothar hat also gute Klageaussichten, wenn der Arbeitgeber allen anderen Mitarbeitern oder bestimmten Arbeitnehmergruppen Weihnachtsgeld zahlt und der Fahrer Lothar ohne sachlichen Grund
ausgeschlossen ist.
5. Keine Ungleichbehandlung
Der Arbeitgeber Gregor hat das Recht, einzelnen Arbeitnehmern mehr zu zahlen, als anderen Arbeitnehmern. Die Bevorzugung einzelner Arbeitnehmer kann
unterschiedliche Gründe haben, z.B. im Leistungsbereich oder im Privatbereich.
Sofern der Arbeitgeber nur mit einzelnen Arbeitnehmern eine höhere Vergütung, eine höhere Weihnachtsgratifikation oder bessere
Konditionen vereinbart, liegt generell keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor. Dies wird von Arbeitnehmern oft verkannt.
Achtung:
Der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt voraus, daß eine Gruppe von Arbeitnehmern bessergestellt ist und der einzelne Arbeitnehmer willkürlich aus der Gruppe ausgeschlossen wird. Eine solche Gruppenbildung liegt aber nicht bei echten Individualvereinbarungen vor, mit denen einzelne Arbeitnehmer bessergestellt werden.