Folge 99

Probleme der Weihnachtsgratifikation


    Um die Weihnachtszeit und danach gibt es für manche Arbeitnehmer wegen des erwarteten Weihnachtsgeldes Überraschungen. Diese Überraschungen sind zumeist
    negativer Art. Die Folge sind manchmal unerfreuliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder gar Arbeitsgerichtsprozesse.



Der Fall


    Die Mitglieder der Liedertafel Concordia Kreuzberg treffen sich zum Martingsgansessen. In Erwartung des Festes verkünden sie noch vor dem ersten Rundgang
    ihre Weihnachtsgelderwartungen.

    Edmund der Reiniger und Gerd der Autobauer berufen sich auf Tarifvertrag. Die Yuppies Guido und Cornelia arbeiten bei der Bank. Mit ihrem 13. und 14. Monatsgehalt lächeln sie
    nur über die Looser in den Sänger-Reihen. Angela ist an der Uni tätig und sorgt sich nicht. Marktfrau Herta und Kraftfahrer Lothar wissen nicht, ob sie überhaupt etwas bekommen.

    Die Arbeitgeber Joschka und
    Gregor entlockt Dirigent Johannes nur noch Elegien in Moll. Sie wissen nicht, wie sie die drohenden Weihnachtsgeldzahlungen aufbringen sollen.



Die Lösung



1. Verschiedene Bezeichnungen


    In Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen wird bestimmt, daß zum Jahresende vom Arbeitgeber eine bestimmte Jahresabschlußleistung
    zu erbringen ist. Die Bezeichnung, damit aber auch der Charakter der Leistung kann völlig unterschiedlich sein. Dies schafft Verwirrung.

    Der Volksmund spricht vom “Weihnachtsgeld”. Technisch wäre dies eine
    Weihnachtsgratifikation. Zum Teil gibt es aber ein 13. oder gar 14. Monatsgehalt Guido und Cornelia. Zum Teil sehen Tarifverträge eine Jahressonderzahlung oder nur eine Sonderzahlung vor. Auch der Begriff
    Gratifikation, Jahresabschlußleistung oder Zuwendung/Zuwendungstarifvertrag (Öffentlicher Dienst) wird verwandt.

    Hinter diesen Begriffen können sich unterschiedliche Leistungen mit unterschiedlichen Höhen
    und Rechtsfolgen verbergen.


    Merke: Weihnachtsgeld ist nicht gleich Weihnachtsgeld. Verschiedene Bezeichnungen können auch verschiedene Inhalte verbergen.



2. Zweck/Rechtscharakter


    Arbeitgeber Joschka und Gregor fordern schon lange, daß Weihnachtsgeld nur noch bei hohen Gewinnen des Unternehmens gezahlt werden solle. Außerdem müsse
    es nach Leistungsgrad unterschiedlich ausfallen.

    Generell ist eine “Jahresabschlußgratifikation”, egal wie sie genannt wird, nicht als gewinnabhängige Leistung des Arbeitgebers zum Jahresabschluß zu
    verstehen. Dies gibt es z.B. bei höheren Angestellten vielleicht noch zusätzlich. Eine solche Leistung wird in der Regel dann aber als Tantieme, Gewinnbeteiligung etc. bezeichnet.

    Die
    Jahresabschlußgratifikation ist auch regelmäßig auch nicht als eine persönliche Leistungszulage anzusehen, die jeweils individuell leistungsabhängig vom Arbeitgeber festgesetzt wird. Vielmehr wird die
    Jahresabschlußgratifikation/ Sonderzuwendung/Weihnachtsgratifikation etc. vom Arbeitgeber gezahlt, um damit zum Jahresabschluß die Leistungen der Arbeitnehmer im vergangenen Jahr zusätzlich abzugelten. Diese
    zusätzliche Abgeltung ist unabhängig von der Gewinnsituation und der individuellen Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer.

    Vielfach soll mit der Jahressonderzahlung auch die weitere Betriebstreue dann
    Arbeitnehmers angespornt werden. Die Sonderzuwendung hat deshalt oft einen Mischcharakter. Soll neben der vergangenen Betriebstreue auch noch die zukünftige Betriebstreue belohnt werden, so wird dies zumeist
    dadurch sichergestellt, daß der Arbeitgeber ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zu einem Stichtag verlangt (z.B. der 31.3. des Folgejahres) oder eine Rückzahlungsklausel für vorzeitiges Ausscheiden vereinbart.



3. Freiwillige Leistung/Entgelt


    Zumeist bezeichnet der Arbeitgeber, der nicht tarifvertraglich gebunden ist, das Weihnachtsgeld als “freiwillige Leistung” oder “Gratifikation”. Diese
    Bezeichnung als freiwillige Leistung kann irreführend sein. Freiwillig ist die Leistung zumeist nur bei der Einführung.

    Die Jahressonderzuwendung ist trotz ursprünglicher Freiwilligkeit kein Geschenk des
    Arbeitgebers. Die Sonderzuwendung hat vielmehr Entgeltcharakter. Die Betonung der Freiwilligkeit führt deshalb nicht automatisch dazu, daß der Arbeitgeber die Zahlung jederzeit einstellen könnte. Dies ist nur
    dann der Fall, wenn der Arbeitgeber zusätzlich einen Widerrufsvorbehalt für die Zukunft gemacht hat oder jedes Jahr nur eine einmalige Leistung erbringt.



4. Höhe und Anspruchsgrundlage


    Edmund, Gerd, Lothar, Herta, Guido, Angela und Cornelia wundern sich, daß in jedem ihrer Betriebe die Ausgestaltung der Jahresgratifikation
    unterschiedlich ist. Die Unterschiede bestehen sowohl der Höhe nach, wie auch in sonstigen Regelungen. Bei dem einen gibt es einen Rückzahlungsvorbehalt, der andere hat die Verpflichtung, zu einem bestimmten
    Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zu stehen. Es gibt z.T. Widerrufsvorbehalte, z.T. nicht.

    Diese Unterschiede ergeben sich daraus, daß die Anspruchsgrundlagen für den Zahlungsanspruch der
    Arbeitnehmer völlig verschieden sind. Kraftfahrer Charly findet gar keine Anspruchsgrundlage in seinem Arbeitsvertrag.

    Jeder Arbeitgeber und jeder Arbeitnehmer muß deshalb bei einem Streit über die
    Weihnachtsgratifikation/Jahressonderzahlung zunächst einmal prüfen, worauf der geltend gemachte Anspruch beruht, d.h., was die Anspruchsgrundlage ist. Dies gilt ebenso, wenn der Arbeitgeber die Gratifikation für
    das Folgejahr verändern oder gar einstellen will. Auch hier ist für die rechtliche Überprüfung und die Veränderungsmöglichkeit zunächst die Anspruchsgrundlage entscheidend!

    Die verschiedenen
    Anspruchsgrundlagen sollen in der nächsten Folge erörtert werden.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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