Der Fall:
  
 
 
  Arbeitgeberin Constanzia von Cosel hat ihrem Stubenheizer Aegidius Wurz versehentlich seit dem 1.7.2002 ein um 20 Euro erhöhtes Gehalt von 1.020 Euro netto
                                gezahlt. Der von ihr für die Erstellung des Taschenberg-Palais angestellte Baumeister Matthäus Daniel Pöppelmann erhielt zu seinem Gehalt von 10.000 Euro netto monatlich versehentlich eine Einmalzahlung von 50.000
                                Euro auf sein Konto durch Constanzia. Es lag ein Bankversehen vor. Das Geld sollte der Goldschmied Johann Melchior Dinglinger erhalten.
  
  Dieses Bankversehen fiel Constanzia zunächst nicht auf. Weil Goldschmied
                                Dinglinger geduldig wartete, dauerte es mehr als 6 Monate, bis die Fehlzahlung geklärt war. Baumeister Pöppelmann bemerkte zwar den unerwarteten Geldsegen, hütete sich aber, Arbeitgeberin Constanzia darüber zu
                                unterrichten. Als Constanzia nach mehr als 6 Monaten das Geld zurückforderte, berief er sich nicht nur auf Entreicherung, sondern auch noch auf Verwirkung und auf den Ablauf der tariflichen Ausschlußfristen.
  
  Constanzia ist tieftraurig über die Illoyalität und zieht vor das Arbeitsgericht.
 
 
  
   Die Lösung:
  
 
 
  
   1. Beweiserleichterungen
  
 
 
  Bei geringen Überzahlungen des laufenden Arbeitsentgeltes hat die Rechtsprechung insbesondere für kleinere und mittlere Einkommen zugunsten der Arbeitnehmer
                                eine Beweiserleichterung geschaffen.
  
  Stubenheizer Aegidius ist monatlich um 20 Euro netto rechtsgrundlos bereichert. Da er aber den Zusatzbetrag für eine freundliche Geste seiner Arbeitgeberin hielt, hat er das
                                Geld im “Grünen Gewölbe” vertrunken.
  
  Nach der Rechtsprechung muß bei geringen Überzahlungen des Gehalts im Bereich kleiner und mittlerer Einkommen im Wege des “Beweises des ersten Anscheins” davon ausgegangen
                                werden, daß solche Kleinbeträge typischerweise für den normalen Lebensbedarf ausgegeben werden. Es liegt im Zweifel keine Bereicherung mehr vor, wenn typischerweise anzunehmen ist, daß die Überzahlung für den
                                laufenden Lebensunterhalt, insbesondere im konsumptiven Bereich, verbraucht wurde.
  
  Es muß auch die Lebenssituation des Arbeitnehmers Wurz und seine wirtschaftliche Lage so sein, daß die Verwendung der Überzahlung
                                für die laufende Lebensführung naheliegt. Dies kann bei Wurz angenommen werden, der mit seinem geringen Einkommen ohnehin jeden zusätzlichen Euro in die laufende Lebensführung stecken muß und keine Reichtümer
                                ansammeln kann. Aegidius braucht deshalb seine Saufkumpels aus dem “Grünen Gewölbe” nicht als Zeugen vor Gericht schleppen.
 
 
  
   2. Richtlinien
  
 
 
  Im Öffentlichen Dienst gelten in verschiedenen Ländern Richtlinien, wonach der Wegfall der Bereicherung ohne nähere Prüfung unterstellt wird, wenn die
                                überzahlten Beträge 10 % der Gesamtbezüge, höchstens jedoch 100 Euro monatlich nicht übersteigen. Die Rechtsprechung ist daran nicht gebunden, hat diese Grenze jedoch im allgemeinen akzeptiert.
  
  Anders verhält es
                                sich bei Baumeister Pöppelmann. Die Überzahlung ist weder gering, noch in die laufende Lebensführung aufgenommen worden.
 
 
  
   3. Ausschlußfrist
  
 
 
  Der Anspruch der Arbeitgeberin Constanzia auf Rückzahlung der 50.000 Euro gegen Pöppelmann war im Zeitpunkt der Überzahlung fällig geworden, wenn ihr die
                                maßgeblichen Umstände bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Dies muß genau geprüft werden.
  
  Bei einem Bankversehen kann davon nicht ohne weiteres von einer Kenntnis ausgegangen werden. Constanzia durfte
                                sich darauf verlassen, daß das Geldhaus Fugger die 50.000 Euro richtig an den Goldschmied Dinglinger und nicht an den Baumeister Pöppelmann überweist. Pöppelmann kann deshalb im Zweifel sich nicht auf den Untergang
                                des Rückzahlungsanspruchs von Constanzia durch die tariflichen Ausschlußfristen berufen.
 
 
  
   4. Informationspflicht
  
 
 
  Baumeister Pöppelmann hätte bei einer so drastischen Überzahlung gegenüber der Arbeitgeberin eine Informationspflicht besessen. Im Rahmen des
                                Arbeitsverhältnisses besteht nicht nur eine Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin, sondern auch eine Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers. Bei auffälligen Überzahlungen muß der Arbeitnehmer regelmäßig die
                                Arbeitgeberseite informieren und nachfragen, bevor er das Geld ausgibt.
 
 
  
   5. Unzulässige Rechtsausübung
  
 
 
  Die Berufung des Baumeisters Pöppelmann auf die tarifliche Ausschlußfrist oder vielleicht gar Verjährung bzw. den Rechtsuntergang stellt im Zweifel auch eine
                                unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB dar. Hat ein Arbeitnehmer es pflichtwidrig unterlassen, der Arbeitgeberin die Umstände mitzuteilen, die zu einer rechtzeitigen Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches
                                geführt hätten, so kann die Arbeitgeberin nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erheben.
  
  Voraussetzung ist allerdings, daß die Untätigkeit der Arbeitgeberin
                                Constanzia durch die Unkenntnis der Gesamtumstände verursacht wurde. Dies war vorliegend der Fall. Die Unkenntnis ist Constanzia nicht vorzuwerfen, da wie mit dem Fehler des Bankhauses Fugger nicht rechnen mußte und
                                durch das Stillhalten von Dingliner und Pöppelmann erst so spät von dem Malheur erfuhr.
 
 
  
   6. Unverzügliches Tätigwerden
  
 
 
  Erfährt Constanzia nachträglich von dem Bankfehler, so muß sie jedoch unverzüglich tätig werden und ihren Rückzahlungsanspruch gegenüber Pöppelmann geltend
                                machen. Pöppelmann muß dann zahlen. Er ist um 50.000 Euro bereichert, da er insoweit seine Immobilienverbindlichkeiten auf Mallorca getilgt hat.