Alkoholmißbrauch und Trunkenheit sind ein großes Problem in Betrieben. Dies gilt insbesondere bei Tätigkeiten im Sicherheitsbereich oder bei Teilnahme im
                                Straßenverkehr. Bei Alkoholmißbrauch im Privatbereich kann im Einzelfall auf eine Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers auch im dienstlichen Bereich hindeuten. Die Frage ist, ob bei einer massiven Trunkenheit im
                                Privatbereich schon eine betriebliche Kündigung gerechtfertigt ist.
 
 
  
   Der Fall:
  
 
 
  Arbeitgeber Hermes betreibt ein Busunternehmen. Seine beiden Busfahrer Bacchus und Orpheus sind etwa 10 Jahre beschäftigt. Bisher gab es keine Probleme.
  
  Nach der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes fuhren beide Busfahrer jeweils angetrunken nach Hause. Bacchus verursachte sogar einen Verkehrsunfall. Anläßlich der polizeilichen Kontrollen wurde bei Bacchus
                                eine Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille, bei Orpheus von 1,8 Promille festgestellt.
  
  Bei Orpheus wurde der Führerschein für 4 Monate, bei Bacchus für 10 Monate eingezogen.
  
  Arbeitgeber Hermes kündigt
                                beide Busfahrer fristlos, hilfsweise ordentlich, wegen charakterlicher Unzuverlässigkeit und fehlender Eignung sowie wegen des fehlenden Führerscheins. Die Busfahrer Bacchus und Orpheus bestreiten die fehlende
                                Eignung als Busfahrer. Für die Zeit des Führerscheinentzugs meinen sie, in der Reparaturwerkstatt eingesetzt werden zu können. Bacchus ist außerdem empört, weil er meint, daß er privat so viel saufen könne, wie er
                                wolle. Er lasse sich das Trinken im Privatbereich nicht verbieten.
 
 
  
   Die Lösung
  
 
 
  
   1. Alkohol im Betrieb
  
 
 
  Alkoholmißbrauch im Betrieb ist nach ständiger Rechtsprechung geeignet, eine verhaltensbedingte oder außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt
                                insbesondere dann, wenn ein Alkoholverbot im Betrieb besteht oder wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, die eine Alkoholisierung schon nach der Natur der Sache verbietet. Dies gilt sowohl im Straßenverkehr, wie auch
                                Tätigkeiten in Sicherheitsbereichen, gefährliche Tätigkeiten, z.B. auf dem Bau oder an gefährlichen Maschinen etc.
 
 
  
   2. Alkohol im Privatbereich
  
 
 
  Generell kann der Arbeitgeber den Genuß von Alkohol im Privatbereich nicht verbieten. Dies gilt auch für Fahrer oder Arbeitnehmer in Sicherheitsbereichen. Es
                                wäre auch falsch, aus einer einmaligen Trunkenheit im privaten Bereich die fehlende charakterliche Eignung eines Arbeitnehmers für eine bestimmte Tätigkeit generell zu schlußfolgern.
 
 
  
   3. Alkoholbedingte Straftat im Privatbereich
  
 
 
  Die Rechtslage kann sich verändern, wenn der Arbeitnehmer durch seine Trunkenheit auch im privaten Bereich Straftaten begeht, die Schlußfolgerungen auf die
                                dienstliche Tätigkeit zulassen. Ein Arbeitnehmer im Fahrbereich, insbesondere im Bereich der Personenbeförderung oder des Schwerverkehrs darf nur tätig sein, wenn er nicht durch Tatsachen belastet ist, die ihn für
                                seine Tätigkeit als unzuverlässig erscheinen lassen. Alkoholbedingte Privatfahrten außerhalb des Dienstes können dabei durchaus Indizien für eine fehlende charakterliche Eignung oder für eine Unzuverlässigkeit sein.
  
  Dies gilt insbesondere dann, wenn durch die Trunkenheitsfahrt auch noch ein Verkehrsunfall verursacht wird, wie im Fall des Busfahrers Bacchus.
 
 
  
   4. Interessenabwägung
  
 
 
  Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung müssen die Gesamtumstände in Betracht gezogen werden. Die Rechtsprechung
                                berücksichtigt dabei insbesondere die bisherige Betriebszugehörigkeit und die Frage, ob entsprechende Vorfälle einmalig waren. Sowohl Bacchus sowie Orpheus waren schon viele Jahre bei Hermes beschäftigt, ohne daß
                                einschlägige Vorfälle bekannt geworden sind. Die jeweilige Trunkenheitsfahrt war deshalb einmalig. Zu berücksichtigen ist auch, daß sich diese Trunkenheitsfahrt im privaten Bereich abgespielt hat.
  
  Aus einer
                                einmaligen privaten Trunkenheitsfahrt kann der Arbeitgeber nicht generell die fehlende charakterliche Eignung des Busfahrers für den Fahrdienst indizieren. Dies gilt vor allem deshalb, weil Orpheus und Bacchus seit
                                Jahren ihren Dienst ordentlich verrichtet haben und auch im privaten Bereich nicht durch Alkoholexzesse geglänzt haben.
 
 
  
   5. Abmahnung
  
 
 
  Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, daß durch solche Vorfälle im Vertrauensbereich zwischen Hermes und den Busfahrern eine Störung eingetreten
                                ist. Nach neuerer Rechtsprechung muß jedoch auch bei solchen Störungen im Vertrauensbereich geprüft werden, ob vor Ausspruch einer Kündigung nicht ggf. zunächst eine Abmahnung vom Arbeitgeber erteilt werden muß.
                                Dies ist vorliegend der Fall. Die Störung des Vertrauensbereiches ist nicht so gravierend, daß dem Arbeitgeber der weitere Einsatz der Busfahrer unzumutbar geworden wäre oder ihre generelle Eignung für diese
                                Tätigkeit in Frage gestellt ist.
  
  Gerade bei einmaligen Vorfällen im privaten Bereich auf der einen Seite und langjähriger problemloser Beschäftigung auf der anderen Seite wird im Zweifel immer zunächst eine
                                Abmahnung auszusprechen sein.
 
 
  
   6. Wiederholungsgefahr
  
 
 
  Anders kann es dann aussehen, wenn eine ernsthafte Wiederholungsgefahr besteht. Abmahnung und Kündigung sind zukunftsbezogen. Wenn sich das vergangene
                                Ereignis auch zukünftig belastend auswirkt, kann eine Abmahnung entbehrlich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der Arbeitnehmer trotz einer Abmahnung sich auch in
                                Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird.
  
  Solche Fälle liegen vor, wenn der Arbeitnehmer uneinsichtig ist und darauf besteht, solche Vertragsverletzungen fortzusetzen. Busfahrer Orpheus ist einsichtig. Dagegen
                                besteht Bacchus darauf, daß private Trunkenheitsfahrten den Arbeitgeber nichts angehen und er sich das private Trinken nicht verbieten läßt. Aus diesem Grunde könnte im Falle des Bacchus die Kündigung des
                                Arbeitsverhältnisses auch ohne Abmahnung gerechtfertigt sein. Bacchus bietet keine Gewähr, daß er sich zukünftig anders verhalten wird.
 
 
  
   7. Führerscheinentzug
  
 
 
  Der Führerscheinentzug kann regelmäßig nicht zur außerordentlichen Kündigung, allenfalls zur ordentlichen Kündigung berechtigen. Dies gilt auch nur dann,
                                wenn die Arbeitnehmer für die Dauer des Führerscheinentzuges nicht unbezahlt von der Arbeit freigestellt werden können oder nicht anderweitig im Betrieb beschäftigt werden können. Bei 4 Monaten Führerscheinentzug
                                könnte Orpheus eventuell bezahlten oder unbezahlten Urlaub nehmen. Im übrigen muß Arbeitgeber Hermes prüfen, ob ein anderer betrieblicher Einsatz möglich ist.