Aufgrund betriebsspezifischer Sicherheitsrisiken, aber auch aufgrund hoher Diebstahlsquoten stellt sich immer wieder die Frage, ob der Arbeitgeber Kontrollen
                                der Arbeitnehmer beim Verlassen des Betriebes durchführen darf. Die weitere Frage ist, wie weit diese Kontrollen im einzelnen gehen dürfen und ob der Betriebsrat dabei zu beteiligen ist oder nicht.
 
 
  
   Der Fall:
  
 
 
  Arbeitgeber Kronos stellt Süßigkeiten her. Er registriert mit Sorge einen sich ständig steigernden Schwund bei der Produktion. Darüber hinaus verschwindet
                                laufend arbeitsnotwendiges Werkzeug. Er will Torkontrollen durchführen. Da Betriebsratsvorsitzende Andromeda protestiert, schließt er mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über Torkontrollen und
                                Leibesvisitationen ab.
  
  Als Arbeitnehmer Hektor seine mit Werkzeug gefüllte Frühstückstasche beim Verlassen des Betriebs öffnen soll, hält er dies für rechtswidrig, ebenso die anschließend ausgesprochene fristlose
                                Kündigung wegen Diebstahls.
  
  Die Kontrolleure wollen bei der schönen Sappho sogar eine Leibesvisitation vornehmen. Sappho protestiert energisch bei der Betriebsratsvorsitzenden Andromeda.
 
 
  
   Die Lösung:
  
 
 
  
   1. Berechtigtes Interesse
  
 
 
  Sowohl die Probleme um Wahrung von Betriebsgeheimnissen, das immer stärker werdende Problem der Industrie- und Wirtschaftsspionage, wie auch das Problem der
                                Eigentumsdelikte im Betrieb sind von steigender Bedeutung. Gerade dann, wenn der Arbeitgeber attraktive Produkte herstellt, ist die Gefahr besonders groß. In vielen Betrieben verschwinden allerdings z.B. auch große
                                Mengen von Werkzeugen und Ersatzteilen.
 
 
  
   2. Kontrolle ohne Betriebsrat
  
 
 
  Ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber anordnen, daß der Pförtner zunächst generell alle Personen, die das Betriebsgelände betreten dahingehend überprüft, ob
                                sie Arbeitnehmer des Betriebes oder Besucher sind.
  
  Nach herrschender Ansicht kann der Arbeitgeber aber Taschenuntersuchungen und Leibesvisitationen einseitig ohne Betriebsrat nur im Ausnahmefall anordnen, wenn
                                nämlich der dringende Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt. Dabei muß aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Leibesvisitationen sind nur zulässig, wenn eine Sachverhaltsaufklärung auf eine
                                andere Weise nicht zu erzielen ist.
  
  Im Falle einer Leibesvisitation ist dem Arbeitgeber grundsätzlich zu empfehlen, zunächst die Polizei zu rufen. Sofern der Arbeitnehmer mit einer Untersuchung generell
                                einverstanden ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
  
  Die Leibesvisitation besteht im Normalfalle jedoch nur im Abtasten entsprechender Kleidungsstücke oder des Oberkörpers.
  
   Achtung:
  
  Es ist darauf zu achten, daß der Untersuchende jeweils das gleiche Geschlecht wie der Untersucher hat. Die Arbeitnehmerin Sappho durfte nicht von einem Mann untersucht werden.
 
 
  
   3. Mitbestimmung des Betriebsrats
  
 
 
  Torkontrollen und Leibesvisitationen betreffen generell die Frage der “Ordnung des Betriebes”. Der Betriebsrat hat deshalb vom Ausnahmefall des dringenden
                                Verdachts einer strafbaren Handlung generell ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
  
  Dieses Mitbestimmungsrecht führt dazu, daß der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat gemeinsam genau regeln muß, wann,
                                in welchen Fällen und wie Torkontrollen oder Leibesvisitationen bzw. Taschenkontrollen durchgeführt werden.
  
  Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so darf der Arbeitgeber nicht einseitig Torkontrollen,
                                Taschenkontrollen etc. einführen, er muß ggf. nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle zur Lösung des Problems anrufen.
 
 
  
   4. Umfang der Kontrollen
  
 
 
  Die Torkontrollen beschränken sich im allgemeinen auf das Öffnen der mitgeführten Taschen im Wege der Stichproben, bei entsprechenden Verdachtsmomenten kann
                                auch der jeweils Verdächtige kontrolliert werden.
  
  Dies gilt für den Arbeitnehmer Hektor, der in seiner Tasche Werkzeug des Arbeitgebers mitgenommen hat. Er muß seine Tasche öffnen. Diebstahl ist ein Grund zur
                                ordentlichen oder gar fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Da die Torkontrollen des Arbeitgebers Kronos mit der Zustimmung des Betriebsrats aufgrund einer Betriebsvereinbarung durchgeführt wurden, bleibt
                                die Klage des Arbeitnehmers Hektor gegen eine Kündigung im Zweifel ohne Erfolg.
 
 
  
   5. Keine Schikane
  
 
 
  Bei den Leibesvisitationen und auch sonstigen Kontrollen muß darauf geachtet werden, daß diese Kontrollen generell neutral durchgeführt werden, es muß
                                sichergestellt werden, daß nicht immer nur die gleichen Arbeitnehmer herausgegriffen und kontrolliert werden. Alle Arbeitnehmer müssen gleichmäßig betroffen sein. Andernfalls könnte von einer rechtlich unzulässigen
                                Schikane ausgegangen werden. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn einzelne Arbeitnehmer Anlaß zu besonderen Verdachtsmomenten geben.
 
 
  
   6. Leibesvisitationen
  
 
 
  Leibesvisitationen und körperliche Untersuchungen dürfen generell nur in abgeschlossenen Räumlichkeiten vorgenommen werden. Eine Leibesvisitation in der
                                Öffentlichkeit würde gegen das Persönlichkeitsrecht des einzelnen Mitarbeiters verstoßen. Die Visitation darf stets nur von gleichgeschlechtlichen Personen durchgeführt werden.
  
  Die Arbeitnehmerin Sappho kann sich
                                deshalb nicht gegen eine Leibesvisitation wenden, wenn diese aufgrund einer Betriebsvereinbarung durchgeführt wird, oder wenn die Leibesvisitation aufgrund eines dringenden Tatverdachtes vorgenommen wird. In diesem
                                Falle ist im Zweifel die Einschaltung der Polizei zu empfehlen, wenn die Mitarbeiterin nicht mit der Visitation einverstanden ist.