Folge 67

Rauchverbot und Nichtraucherschutz III



Der Fall:


Arbeitgeber Agamemnon hat mit Zustimmung des Betriebsratsvorsitzenden Odysseus einen Raucherunterstand im hinteren Teil des Betriebsgeländes errichtet. Der
Weg vom Arbeitsplatz zur Raucherecke beträgt für Genußraucher Bacchus 2 Minuten und für den Überzeugungsraucher Hephaistos 7 Minuten. Bei einer Rauchzeit von 10 Minuten und doppelten Wegezeit von 4 bzw. 14 Minuten
ergibt sich eine bezahlte “Raucherpause” von 14 bzw. 24 Minuten.

Das gefällt den bekennenden Nichtraucherinnen im Betriebsrat Pallas Athene und Xanthippe überhaupt nicht. Sie mutmaßen, daß die Nichtraucher in der
Abwesenheitszeit die liegengebliebene Arbeit für ihre rauchenden Kollegen mittragen müssen. Sie fordern deshalb ebenfalls zusätzliche Freizeit für die Nichtraucher.

Arbeitgeber Agamemnon sieht dies ein. Er
bewilligt mit dem Betriebsrat per Betriebsvereinbarung allen Nichtrauchern einen Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen pro Jahr als Ausgleich.

Der rauchende Stänkerer Hephaistos ist empört und klagt. Er will diesen
Zusatzurlaub ebenfalls.



Die Lösung:



1. Freiwillige Leistung


Bei dem Zusatzurlaub handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Agamemnon kann entweder alleine oder gemeinsam mit dem Betriebsrat sich
den Adressatenkreis für seine freiwilligen Leistungen heraussuchen. Freiwillige Leistungen müssen nicht generell immer für alle Arbeitnehmer gewährt werden.



2. Gleichbehandlung


Stänkerer Hephaistos beruft sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Damit hat der generell recht.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt jedoch dann nicht,
wenn ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Gewährung von freiwilligen Leistungen besteht.

Arbeitgeber Agamemnon sieht einen solchen sachlichen Grund darin, daß die Raucher unter Umständen mehrfach am Tag
sich eine bezahlte Pause nehmen. Dadurch hat der Arbeitgeber mit den Rauchern höhere Kosten oder die Nichtraucher müssen die Arbeit der Raucher miterledigen.



3. Zusatzurlaub?


Fraglich ist allerdings, ob per Betriebsvereinbarung Zusatzurlaub für Nichtraucher gewährt werden kann.

Zum einen ist der Urlaub generell in
Tarifverträgen geregelt. Deshalb verbietet § 77 Abs. 3 BetrVG Arbeitgeber und Betriebsrat eine weitere und verbessernde Urlaubsregelung. Dies wäre ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Tarifhoheit.

Abgesehen von diesem Bedenken stellt Urlaub eine “Freizeitgewährung zum Zweck der Erholung” dar. Erholung aber braucht der Raucher mindestens genauso viel wie der Nichtraucher, möglicherweise aufgrund seiner
gesundheitlichen Gefährdung noch mehr.

Es ist deshalb der falsche Weg, Nichtrauchern Zusatzurlaub zu gewähren. Im Zweifel müßte das Arbeitsgericht dem Raucher Hephaistos diesen Zusatzurlaub von 5 Tagen ebenfalls
zusprechen.



4. Zusatzpausen


Der Arbeitgeber könnte allerdings den Nichtrauchern im Wege der Gleichbehandlung ebenfalls Zusatzpausen zu billigen, die zumindest im Durchschnitt den
Raucherpausen entsprechen.

Durch diese vielen Pausen könnte andererseits der Betriebsablauf gestört sein. Es wäre deshalb auch denkbar, daß der Arbeitgeber den Nichtrauchern diese Zusatzpausen in Form einer
pauschalierten Freistellung gewährt. Dies wäre im Ergebnis vergleichbar mit dem Zusatzurlaub, jedoch kein Urlaub, sondern eine pauschalierte Pausenregelung.



5. Unbezahlte Pause


Agamemnon kann bei dieser Lösung zu Recht einwenden, daß ihn diese zusätzlichen bezahlten Pausen viel zu teuer kommen. Er ist zur Gewährung solcher Pausen
nach dem Arbeits- oder Tarifvertrag nicht verpflichtet.

Die gerechteste Lösung wäre deshalb, den Rauchern für ihre Rauchgänge in die Raucherzone nur unbezahlte Freiheit zu gewähren. Die Raucher müßten dann diese
unbezahlten Pausen registrieren (z.B. Zeiterfassung) und die Zeit nacharbeiten.

Ob Arbeitgeber Agamemnon und der Betriebsrat eine solche rechtlich denkbare Lösung in der betrieblichen Praxis wählen, bleibt ihrer
Entscheidung vorbehalten.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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