Folge 32

Erziehungsurlaub – Antragsverfahren und Möglichkeiten

Die Umsetzung der gesetzgeberischen Wünsche und der Förderung des Erziehungsurlaubs stößt auf betriebliche Grenzen. Hier kann es erhebliche Interessengegensätze geben. Dies hat der
Gesetzgeber vorausgesehen.



Der Fall:

    Arbeitnehmerin Antoinette will mit ihrem widerstrebenden Ehemann Louis wegen des zu erwartenden gemeinsamen Kindes Erziehungsurlaub bei ihrem gemeinsamen Arbeitgeber Robespierre
    beantragen. Ihr ist aber das Verfahren nicht so geläufig. Was verlangt das Gesetz?

    Arbeitgeber Robespierre ist mit den Wünschen des Ehepaares Antoinette und Louis nicht einverstanden. Er will insbesondere die
    Ausweitung des Erziehungsurlaubs auf das 6. – 8. Lebensjahr des Kindes verhindern.

    Wegen der laufenden Schwierigkeiten mit Robespierre wechselt die Angestellte Antoinette im 5. Lebensjahr ihres Kindes zu dem
    neuen, galanteren Arbeitgeber Danton. Sie hatte schon bei Robespierre 12 Monate Rest-Erziehungsurlaub für das 6. Lebensjahr ihres Kindes beantragt. Ist Danton daran gebunden?



Die Lösung:


1. Verfahrensablauf

    In § 16 Abs. 1 BEerzGG hat der Gesetzgeber die Formalien der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs geregelt:

    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen den Erziehungsurlaub, wenn er
    unmittelbar nach der Geburt des Kindes oder nach Ablauf der Mutterschutzfrist beginnen soll, spätestens 6 Wochen vor dem Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen.

    Soll der Erziehungsurlaub nicht direkt
    nach der Mutterschutzfrist, sondern erst später beginnen, so muß die schriftliche Erklärung der Arbeitnehmer Antoinette und Louis spätestens 8 Wochen vor dem geplanten Beginn beim Arbeitgeber angelangen.

    Die
    Arbeitnehmer Antoinette und Louis müssen gleichzeitig in dieser Erklärung mitteilen, für welche Zeit innerhalb der ersten zwei Jahre sie Erziehungsurlaub nehmen wollen.

    Nur in dringenden Fällen können die
    Fristen angemessen verkürzt werden. Die Eltern Antoinette und Louis dürfen den Erziehungsurlaub jeweils allein oder gemeinsam nehmen.

    Er darf insgesamt auf bis zu 4 Zeitabschnitte verteilt werden!


2. Vorteile für Eltern

    Diese neue Regelung des § 16 Abs. 1 BEerzGG hat für die Eltern den Vorteil, daß sie sich jetzt nur noch für einen Zeitraum von zwei Jahren im Voraus festlegen müssen (bisher 3 Jahre).

    Spätestens 8 Wochen vor Ablauf dieses 2-Jahres-Zeitraums müssen die Eltern Antoinette und Louis sich aber entscheiden, ob sie von ihrem Recht auf Verlängerung des Erziehungsurlaubs bis zum 3. Lebensjahr Gebrauch
    machen oder ob sie beantragen, den restlichen Erziehungsurlaub (maximal 12 Monate) aufzuschieben auf ein späteres Lebensalter des Kindes (bis zum 8. Lebensjahr). Spätestens dann müssen sich die Eltern festgelegt
    haben.


3. Schriftlichkeit

    Es ist zwingend vorgeschrieben, daß der Antrag der Eltern schriftlich zu erfolgen hat. Auch die Zeiträume und die Modalitäten des Erziehungsurlaubs sind schriftlich niederzulegen.

    Weiterhin empfiehlt es sich dringend, daß die Antragsteller sich vom Arbeitgeber den Eingang des Antrags mit Datum schriftlich bestätigen lassen.

    Weiterhin hat der Gesetzgeber geregelt, daß der Arbeitgeber
    den Erziehungsurlaub dann auch den Arbeitnehmern schriftlich bescheinigen soll. Darauf sollten die Eltern dringend achten!


4. Erziehungsurlaub – Splitting

    Angestellte Antoinette will mit ihrem Louis 12 Monate des Erziehungsurlaubs bei der Einschulung ihres Kindes im 6./7. Lebensjahr ihres Kindes übertragen. Sie haben dies bei Arbeitgeber
    Robespierre beantragt. Dieser will nicht.

    Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 2 BEerzGG zwar geregelt, daß der Arbeitgeber diesem Splitting zustimmen muß. Einzelheiten fehlen aber in der gesetzlichen Regelung.

    Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber einem solchen Splitting schon widersprechen kann, wenn sachliche, rationale und nachvollziehbare Gründe aus der Sphäre des Betriebes dem
    entgegenstehen.

    Dies können verschiedene Gründe sein: Probleme in der Neuorganisation des Betriebes, Fachkräftemangel, erhebliche betriebliche Kosten. Allerdings müssen diese Gegengründe schon bei
    Antragstellung verdichtet, nachvollziehbar und ggf. beweisbar sein.


    Dies wird in der Praxis mehrere Jahre im Voraus für Robespierre recht schwierig sein.


5. Arbeitsplatzwechsel

    Arbeitnehmerin Antoinette ist wegen der ständigen Querelen mit Robespierre zu dem charmanteren Arbeitgeber Danton gewechselt. Sie will nach wie vor mit ihrem erziehungsfaulen Ehemann
    Louis 1 Jahr Erziehungsurlaubs-Splitting ab dem 6. Lebensjahr ihres Kindes durchführen.


    Als es soweit ist, macht Danton Probleme. Kann Antoinette ihn zwingen?


    Nach ständiger bisheriger
    Rechtsprechung kann der Anspruch auf Erziehungsurlaub auch im Anschluß an einen Arbeitgeberwechsel geltend gemacht werden, solange der Anspruch auf Erziehungsurlaub im Vorarbeitsverhältnis noch nicht verbraucht
    worden ist. Diese Rechtsprechung gilt auch heute weiter. Allerdings muß die Arbeitnehmerin Antoinette den nicht verbrauchten Anteil des Erziehungsurlaubs beim Folgearbeitgeber Danton erneut beantragen. Da das
    Gesetz keine Einschränkung für den Arbeitgeberwechsel enthält, muß nach § 15 Abs. 2 BEerzGG auch der neue Arbeitgeber Danton dem restlichen Erziehungsurlaub bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes noch
    zustimmen. Auch hier hätte Danton die Möglichkeit, beim Vorliegen und der Nachweisbarkeit entgegenstehender fachlicher, rationaler Gründe aus der Sphäre des Betriebes dem späteren Erziehungsurlaub zu
    widersprechen.

    Dieses Problem ist allerdings gerichtlich noch nicht ausdiskutiert.


6. Kein vertraglicher Ausschluß

    Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 2 Satz 4 BEerzGG ausdrücklich bestimmt, daß der Anspruch auf Erziehungsurlaub nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Dies gilt
    auch für den Restanspruch auf Erziehungsurlaub, wenn ein Teil des Erziehungsurlaubs beim Vorarbeitgeber schon genommen wurde.

    Im Klartext heißt dies, daß der charmante und schlaue Danton gegenüber der
    Angestellten Antoinette bei der Einstellung eventuelle Rest-Erziehungsurlaubsansprüche nicht rechtswirksam mindern konnte. Er kann sich gegen den Anspruch von Antoinette nur wehren, wenn er sachliche
    betriebliche Gründe besitzt, die dagegensprechen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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