Der Fall:
Nachdem ihr Kind in den Kindergarten geht und eine Oma sich zur Kinderbetreuung bereiterklärte, will Esther wieder ganztags arbeiten. Auch die Liebe des Arbeitnehmers Moses in Berlin ist
mittlerweile erkaltet. Er möchte wieder ganztags an den Arbeitsplatz zurückkehren.
Arbeitgeber Paulus ist skeptisch. Müssen sich die Parteien vor dem Arbeitsgericht treffen?
Die Lösung:
1. Verspätete Antragstellung
Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bestimmt, daß der Arbeitnehmer seinen Veränderungswunsch auf geringere Arbeitszeit spätestens 3 Monate vor dem
Beginn der Veränderung geltend machen muß. Es fragt sich allerdings, was geschieht, wenn der Antrag erst später, z.B. 2 Monate vor der geplanten Veränderung geltend gemacht wurde.
Frage:
Greift bei einem verspäteten Antrag auf Verlängerung der Arbeitszeit die Veränderungssperre von 2 Jahren des § 8 Abs. 6 des Gesetzes?
Die Frist von 3 Monaten ist eine Schutzfrist zugunsten des Arbeitgebers.
Er soll zumindest einen angemessenen Zeitraum haben, um eine Ersatzkraft zu suchen, oder organisatorische Vorkehrungen zu treffen.
Bei dieser Frist handelt es sich aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht
um eine Ausschlußfrist. Deshalb führt die Nichteinhaltung der 3-monatigen Ankündigungsfrist nach herrschender Ansicht nicht dazu, daß die Veränderungssperre des § 6 Abs. 6 TzBfG greift.
Vielmehr soll sich nur
der gewünschte Beginn der Teilzeit nach hinten verschieben. Im Ergebnis bedeutet dies, daß der geplante Beginn der Veränderung entsprechend später stattfinden soll. Dadurch verschiebt sich dann auch die
Widerspruchsfrist des Arbeitgebers bei Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe.
2. Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit
Arbeitnehmer, die Arbeitsverhältnisse auf Teilzeit reduzieren, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Möglichkeit besitzen, ihre Arbeitszeit wieder aufzustocken. Deshalb hat
der Gesetzgeber in § 9 TzBfG bestimmt, daß teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ihren Wunsch nach einer Verlängerung der Arbeitszeit dem Arbeitgeber anzeigen können. Dabei ist es egal, ob diese
teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer von Anfang an teilzeitbeschäftigt waren oder ihre Arbeitszeit später reduziert.
Bei entsprechende Anzeige durch den Arbeitnehmer muß der Arbeitgeber diesen Arbeitnehmer bei
der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes bevorzugt berücksichtigen, wenn eine gleiche Eignung gegenüber fremden Bewerbern vorliegt.
Der Arbeitgeber kann dem Wunsch des Arbeitnehmers auf Aufstockung seiner
Teilzeit nur dann widersprechen, wenn dringende betriebliche Gründe dem Veränderungswunsch des Arbeitnehmers entgegenstehen.
Achtung:
Hier spricht der Gesetzgeber von “dringenden” betrieblichen
Gründen. Dies bedeutet im Ergebnis, daß nach dem Willen des Gesetzgebers der aufstockungswillige Arbeitnehmer generell bevorzugt behandelt werden muß.
Dabei spielt es keine Rolle, ob der freie Arbeitsplatz
ein Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsplatz ist. Allerdings muß der Arbeitgeber bei der Aufstockung den verbliebenen Rest der Stelle noch besetzen können. Andernfalls könnten dringende betriebliche Gründe der
Erhöhung der Arbeitszeit entgegenstehen.
Sofern mehrere teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer den Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit geäußert haben, muß der Arbeitgeber zwischen diesen verschiedenen
Arbeitnehmern eine Abwägung treffen. Er muß den Wünschen der verschiedenen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern genügen, wenn ausreichend Arbeitszeit zur Aufstockung zur Verfügung steht. Sollte das nicht der Fall
ein, muß der Arbeitgeber im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach sozialen Gründen abwägen und entscheiden.
3. Klage vor dem Arbeitsgericht
Bei allen Streitigkeiten um die Reduzierung oder Erhöhung der Arbeitszeit ist Arbeitnehmern und Arbeitgebern dringend zu raten, nicht vollendete Tatsachen zu schaffen. Der Streit sollte
dann, wenn eine außergerichtliche Einigung nicht möglich ist, vielmehr vor dem Arbeitsgericht ausgetragen werden.
4. Keine Eigenmächtigkeiten
Den Arbeitnehmern ist insbesondere davon abzuraten, bei der Ablehnung des Veränderungswunsches durch den Arbeitgeber eigenmächtig die eigene Arbeitszeit zu reduzieren.
Eine solche
Teileinstellung der Tätigkeit könnte arbeitsrechtlich als Arbeitsverweigerung und unzulässige Selbstbeurlaubung aufgefaßt werden. Nach ständiger Rechtsprechung kann in diesem Fall eine Kündigung, ggf. eine
fristlose Kündigung ausgesprochen werden.
Eine Ausnahme vom Kündigungsrecht des Arbeitgebers kann sich dann ergeben, wenn bei Versäumung der Monatsfrist nach § 8 Abs. 5 TzBfG die gewünschte neue Arbeitszeit
durch gesetzliche Fiktion tatsächlich sich verkürzt hat. Dies gilt aber nur dann, wenn neben der Verkürzung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer gleichzeitig auch festgelegt hat, wie die neue Lage der Arbeitszeit
sein soll.
In diesem Falle ist wegen Fristversäumung des Arbeitgebers die neue Arbeitszeit bereits aufgrund der gesetzlichen Vorschrift gestaltet. Eine rechtswidrige Handlung liegt bei der Reduzierung der
Arbeitszeit nicht vor. Gleichwohl ist dem Arbeitnehmer auch in diesem Falle aus Sicherheitsgründen dringend zu raten, zunächst eine Klage vor dem Arbeitsgericht einzureichen.
In Eilfällen kann auch daran
gedacht werden, zunächst ein Eilverfahren per Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung einzuleiten. Ein solches Eilverfahren kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn ein besonders gravierendes Interesse
des Mitarbeiters an einer schnellen Entscheidung und damit ein besonderes Eilinteresse besteht.
Achtung:
Vor dem Arbeitsgericht sind alle Verfahren eilig, jedenfalls glauben dies die Kläger. Gleichwohl hat der Gesetzgeber nur für absolute Ausnahmefälle das Eilverfahren der Einstweiligen Verfügung vorgesehen. Aus diesem Grunde ist auch bei der Umwandlung des Arbeitsverhältnisses zur Teilzeit generell ein Eilverfahren mangels Eilbedürfnis unzulässig. Nur im Ausnahmefall (vielleicht bei der Mutter Esther) kann ein Eilverfahren erfolgreich sein.
5. Mitbestimmung des Betriebsrats
Bei allen Veränderungen der Arbeitszeit von Arbeitnehmern, d.h. sowohl bei der Verkürzung der Arbeitszeit auf Teilzeitarbeit oder innerhalb der Teilzeitarbeit, wie auch bei Verlängerung
der Arbeitszeit, muß der Arbeitgeber stets das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats berücksichtigen.
Dieses Mitbestimmungsrecht ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 Betriebsverfassungsgesetz. Danach ist
der Betriebsrat mitbestimmungsberechtigt bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage wie auch bei der vorübergehenden
Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit.
Soweit der Betriebsrat einer Veränderung der Arbeitszeit von einzelnen Arbeitnehmern widerspricht, ist ggf. nach § 87 Abs. 2 BetrVG die
Einigungsstelle anzurufen. Es empfiehlt sich dringend, daß der Arbeitnehmer sich wegen der Veränderung seiner Arbeitszeit auch mit dem Betriebsrat verständigt.