Folge 26

Die Verringerung der Arbeitszeit

(Stand 2025)

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gibt den Arbeitnehmern seit dem 1.1.2001 einen Anspruch auf Verringerung ihrer vertraglichen Wochenarbeitszeit. Diese Möglichkeit eröffnet im Arbeitsverhältnis ganz neue Wege, aber auch neue Probleme.



Der Fall:

Arbeitgeber Paulus hat seinen Betrieb mit seinen 30 Arbeitnehmern wunderbar organisiert. Er schaut auf eine glückliche Mannschaft und eine ruhige Zukunft.

Just zu diesem Zeitpunkt beantragen im Frühjahr 2001 die Vollzeitarbeitnehmer Lukas, Moses und Josefine die Kürzung ihrer Arbeitszeit.

Lukas will um 5 Stunden kürzen und nicht mehr freitags arbeiten. Moses will auf 30 Stunden zurückgehen und montags sowie freitags arbeitsfrei bekommen. Von dienstags bis donnerstags will er täglich 10 Stunden arbeiten.

Josefine kommt aus dem Erziehungsurlaub zurück. Sie möchte wegen ihrer 2 Kinder nur noch halbtags vormittags arbeiten.

Arbeitgeber Paulus ist empört. Solches hat es noch nie gegeben. Die ganze betriebliche Organisation gerät ins Wanken. Er blockt deshalb ab. Kann Paulus diese neuen Teilzeitansprüche verhindern?



Die Lösung:


1. Das Gesetz

In § 8 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hat der Gesetzgeber als Kernvorschrift einen Anspruch auf Teilzeitarbeit des Arbeitnehmers, d.h. einen Anspruch auf Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit festgeschrieben.

Als Ergänzung dazu der Gesetzgeber in § 8 Abs. 4 TzBfG bestimmt, dass  Arbeitgeber Paulus der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen hat und die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festlegen muss, soweit nicht betriebliche Gründe entgegenstehen.

Der Begriff der betrieblichen Gründe ist sehr unbestimmt.


2. Ablehnungsgründe

Ursprünglich enthielt der Gesetzesentwurf “dringende” betriebliche Ablehnungsgründe. Dies ist im Gesetzgebungsverfahren gestrichen worden.

Daraus ist nach der neuen Gesetzesbegründung zu folgern, dass schon  rationale, nachvollziehbare betriebliche Gründe ausreichend sein sollen, um dem Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers entgegenzutreten.


Als Beispiele hat der Gesetzgeber angeführt:


Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit
im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten
verursacht.

Diese Begründung verstärkt wiederum die Anforderungen an die Arbeitgeberablehnung, da wesentliche oder unverhältnismäßige Umstände gefordert werden. Mit den Einzelheiten muss sich die Rechtsprechung noch befassen.

Mit einem Widerspruch des Arbeitgebers ist insbesondere dann zu rechnen, wenn er die Arbeitszeitverkürzung nicht zur Rationalisierung und zur Umverteilung der Arbeit innerhalb der Arbeitnehmerschaft benutzen kann.

Nachfolgend einige Beispiele für Ablehnungsgründe:


3. Fehlende geeignete Ersatzkraft

Ein Hauptgrund gegen die Umsetzung des Teilzeitanspruches wird der Fachkräftemangel sein. Die Aufzählung der Widerspruchsgründe durch den Gesetzgeber ist nicht abschließend. Außerdem ist der Fachkräftemangel mittlerweile oft eine erhebliche Beeinträchtigung des Betriebsablaufs.

Fachkräfte sind auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden. Sie stehen außerdem nicht unbeschränkt als Teilzeitkräfte zur Verfügung. Qualifizierte Fachkräfte mit dem Wunsch auf Teilzeitarbeit zu finden, die dann auch noch mit dem Teilzeitwunsch der antragstellenden Arbeitnehmer in Bezug auf Dauer und Lage der Teilzeit übereinstimmen, kann sich als nahezu unmöglich erweisen.

Der Arbeitgeber ist zudem nicht verpflichtet, Teilzeitwünsche durch Mehrarbeit anderer Arbeitnehmer auszugleichen. Andere Arbeitskollegen sind auch nicht verpflichtet, wegen eines Teilzeitwunsches von Kollegen Mehrarbeit abzuleisten.

Nach herrschender Ansicht ist der Arbeitgeber auch nicht auf die Inanspruchnahme von Leiharbeitnehmern zu verweisen.  Leiharbeit ist generell teurer als die eigenen Arbeitnehmer.

Ein Leiharbeitnehmer darf außerdem nur für die Dauer von 18 aufeinanderfolgenden Monaten beschäftigt werden. Er muss entsprechend eingearbeitet werden. Auch das kostet wiederum Zeit und Geld.


4. Suche von Ersatzarbeitnehmern

Der Arbeitgeber muss bei der Ablehnung eines Teilzeitwunsches aufgrund betrieblicher Bedingungen im Streitfall auch entsprechende Nachweise führen.

Sofern er wegen einer fehlenden Ersatzkraft den Anspruch zurückweist, muss er in der Regel sich zunächst einmal mit der zuständigen Arbeitsagentur in Verbindung gesetzt haben. Die entsprechenden Auskünfte der Arbeitsagentur sollten aus Beweisgründen für spätere Prozesse schriftlich dokumentiert werden.

Die gesuchte Ersatzkraft muss dann sämtlichen Anforderungen an den Arbeitsplatz genügen. Dies betrifft sowohl den Umfang der Arbeitszeit, wie auch die Lage der Arbeitszeit.


Beispiele:

Im Falle von Josefine muss der Ersatzarbeitnehmer bereit sein, halbtags und nachmittags zu arbeiten. Im Falle des Arbeiters Moses ist eine Ersatzkraft notwendig, die nur montags und freitags arbeitet und gegebenenfalls nur insgesamt 8 Stunden. Der Arbeitnehmer Lukas will nur um 5 Stunden kürzen und den Freitag als Arbeitstag streichen. Dafür muss eine spezielle Arbeitskraft allein für den Freitag gefunden werden.

Offen ist die Frage, inwieweit der Arbeitgeber verpflichtet sein soll, alle ihm von der Arbeitsagentur benannten arbeitslosen Arbeitnehmer anzuschreiben und Vorstellungsgespräche führen. Er muss auch nicht alle vorgeschlagenen und willigen Arbeitslosen übernehmen. Vielleicht hat er nachvollziehbare Ablehnungsgründe.


5. Internet/Tageszeitung

Für die Suche nach einer geeigneten Ersatzkraft ist insbesondere auch die Anzeige in einer oder mehreren Tageszeitungen erfolgversprechend. Auch hier wird im Einzelfall abzuwägen sein, inwieweit der Arbeitgeber ausreichend einen Ersatzbewerber durch Zeitungsanzeigen gesucht oder durch Unterlassen nicht gesucht hat. Im Zweifel muss der Arbeitgeber bei gerichtlichem Streit darlegen, dass er auch insoweit alle zumutbaren Bemühungen unternommen hat.

Dasselbe gilt für Stellenangebote im Internet. Der Arbeitgeber muss alle ihm möglichen und zumutbaren Wege beschreiten, um Mitarbeiter anzuwerben.


6. Zeitdruck

Sofern der Arbeitnehmer erst 3 Monate vor Beginn der gewünschten Veränderung seine Ansprüche anmeldet, steht der Arbeitgeber unter erheblichem Zeitdruck.

Bei der Suche von Fachkräften und Spezialisten kann es illusorisch sein, innerhalb von wenigen Monaten eine geeignete Ersatzkraft für Teilzeitarbeit zu finden. Es empfiehlt sich deshalb dringend, dass der Arbeitnehmer seine
Veränderungswünsche möglichst frühzeitig anmeldet.

Ist in der kurzen Zeit kein geeigneter Bewerber zu finden, hat der Antragsteller mit seinem Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit keinen Erfolg.

7. Ablehnung von Bewerbern

Die Entscheidung darüber, ob ein Bewerber für die gesuchte Aufgabe qualifiziert ist oder nicht, obliegt grundsätzlich dem Arbeitgeber. Dieses Recht bleibt auch im Rahmen des Teilzeitanspruches erhalten. Findet der Arbeitgeber keinen qualifizierten oder geeigneten Bewerber, so muss er nicht irgendeinen Bewerber einstellen.

Allerdings ist das Ablehnungsrecht des Arbeitgebers bei einem Teilzeitanspruch des Arbeitnehmers eingeschränkt. Der Arbeitgeber muss nach billigem Ermessen, § 315 BGB, abwägen und darf Bewerber nicht willkürlich oder leichtfertig ablehnen.  Allein der Einwand, dass “die Chemie” nicht stimme, dürfte nicht für eine Ablehnung der Beschäftigung ausreichen.

In der gerichtlichen Auseinandersetzung kann eine solche Ablehnungsentscheidung des Arbeitgebers auf Ermessensfehler geprüft werden.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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