Über allgemeine Appelle hinaus hat der Gesetzgeber in § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes einen Anspruch auf Teilzeit von Arbeitnehmern und in § 9 einen Anspruch auf Erweiterung und
Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern geschaffen. Diese Regelung war in ihrem Kernbereich gesellschaftspolitisch stark umstritten.
Der Fall:
Arbeitgeber Paulus ist mit seinem fleißigen Mitarbeiter Lukas einverstanden. Lukas leistet volle Arbeit, nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch durch Überstunden. Lukas ist aber
dienstmüde. Er möchte unbedingt auf eine 2/3 Teilzeitstelle. Ein entsprechender Antrag von Lukas stößt bei Paulus auf Erstaunen und Unwillen. Kann Lukas sich durchsetzen?
Die Lösung:
1. Anspruch auf Teilzeit
Die entscheidende Bestimmung des neuen Teilzeitgesetzes in § 8 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) enthalten. Danach kann ein Arbeitnehmer verlangen, daß seine vertraglich
vereinbarte Arbeitszeit verringert wird.
Aus dieser Formulierung folgt, daß der Arbeitnehmer Lukas tatsächlich einen echten Anspruch auf Teilzeitarbeit besitzt. Dieser Anspruch auf Verringerung der
vertraglichen Arbeitszeit steht aber auch Teilzeitarbeitnehmern zu. Diese können weiter verringern.
Ein solcher Anspruch ist dem deutschen Arbeits- und Vertragsrecht bisher unbekannt gewesen. Es galt bisher
der Grundsatz: “pacta sunt servanda”, d.h. jeder Vertragsteil ist an seine vertragliche Verpflichtung gebunden. Nach bisherigem Recht konnte ein vertragliches Regelwerk nicht einseitig verbindlich verändert
werden, sofern kein Widerrufsvorbehalt, keine rechtswirksame Kündigung oder kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorlag.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren innerhalb ihres vertraglichen Regelwerks auch
eine bestimmte Arbeitszeit. Nunmehr kann der Arbeitnehmer bei Fortbestehen des Arbeitsvertrages im übrigen vom Arbeitgeber verlangen, daß seine Arbeitszeit reduziert oder auch erhöht wird. Dies stellt einen sehr
weitgehenden Eingriff in den Grundsatz der Vertragsfreiheit dar. Aus diesem Grunde sind gegen diese Regelung auch verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden. Auch die freie Unternehmerentscheidung und damit
Art. 12 GG ist berührt. Gleichwohl stehen die verfassungsrechtlichen und allgemeinen Grundsätze auch unter dem Gesetzesvorbehalt. Das bedeutet, daß der Gesetzgeber in einem bestimmten Rahmen rechtliche
Veränderungen vornehmen darf.
2. Voraussetzungen des Teilzeitanspruchs
Nicht nur der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer Lukas, sondern auch Teilzeitarbeitnehmer können nach § 8 TzBfG ihre Arbeitszeit reduzieren. Dabei sind – zusammengefaßt – folgende
Bedingungen zu beachten:
– nach § 8 Abs. 1 TzBfG muß das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden haben,
– nach § 8 Abs. 7 TzBfG gilt der Anspruch auf Teilzeit nur in Unternehmen, die mehr als 15
Arbeitnehmer ohne Auszubildende beschäftigen. Bei der Beschäftigtenzahl rechnen Teilzeitkräfte, d.h. auch Geringfügig Beschäftigte voll mit (Pro-Kopf-Berechnung),
– der Arbeitnehmer kann sowohl die
Verringerung der Arbeitszeit, wie auch eine neue Lage der Arbeitszeit wählen,
– der Arbeitgeber kann der Verringerung der Arbeitszeit und der neuen Verteilung der Arbeitszeit nur widersprechen, wenn
betriebliche Gründe entgegenstehen,
– der Arbeitnehmer muß seinen Anspruch spätestens 3 Monate vor Beginn der gewünschten Teilzeitarbeit geltend gemacht haben.
3. Geltendmachung des Anspruchs
Wenn die allgemeinen Voraussetzungen für den Teilzeitanspruch erfüllt sind, kann der Arbeitnehmer die von ihm gewünschte Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung
beim Arbeitgeber geltend machen. Es ist dringend zu empfehlen, daß die Geltendmachung schriftlich erfolgt. Die Schriftlichkeit der Geltendmachung dient im Streitfalle dem notwendigen Nachweis seiner
ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Geltendmachung. Der Arbeitnehmer muß nämlich die Geltendmachung spätestens 3 Monate vor Beginn der gewünschten Veränderung der Arbeitszeit gegenüber dem Arbeitgeber durchführen.
Er soll dabei insbesondere auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben.
Die Frist von 3 Monaten ist eine Mindestfrist. Es ist nicht unbedingt im Interesse des Arbeitnehmers, wenn er diese Frist zu
knapp wahrt. Der Arbeitnehmer muß bedenken, daß der Arbeitgeber ggf. eine Ersatzkraft suchen muß. Erfolgt die Geltendmachung zu kurzfristig, so ist der Arbeitgeber möglicherweise nicht in der Lage, eine
ordentliche Ersatzkraft zu finden. Dann darf er den Anspruch auf Teilzeit zu Recht zurückweisen. Je früher also die Geltendmachung erfolgt, umso höher könnte die Erfolgsaussicht sein.
Der Gesetzgeber hat
sowohl beim Umfang der Arbeitszeitkürzung wie auch bei der Lage der Arbeitszeit keine Vorgaben gemacht. Es gibt keine Ober- und Untergrenze für die Arbeitszeit, anders z.B. als im Bundeserziehungsgeldgesetz, wo
ein Zeitkorridor von 15-30 Wochenstunden vorgesehen ist.
Beispiel 1:
Arbeitnehmer Lukas arbeitet freitags 5 Stunden. Er möchte seine Wochenarbeitszeit von 38 auf 33 Stunden kürzen und zukünftig nur noch von Montag bis Donnerstag arbeiten.
Beispiel 2:
Arbeiter Moses hat eine Freundin in Berlin und genug Vermögen. Er braucht ausgedehnte Wochenenden in Berlin. Er möchte deshalb seine Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden begrenzen, allerdings von Dienstag bis Donnerstag mit 10 Arbeitsstunden pro Tag. Arbeitgeber Paulus fällt bei diesem Wunsch in kaiserliche Ohnmacht.
4. Erörterungen
Der Gesetzgeber geht von einem Konsensprinzip aus. Er hat deshalb in § 8 Abs. 3 TzBfG geregelt, daß der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit
dem Ziel zu erörtern hat, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Der Gesetzgeber hat außerdem bestimmt, daß der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer ein Einvernehmen über die von ihm festzulegende Verteilung der
Arbeitszeit “zu erzielen hat”.
Das Konsensprinzip entspricht der innerbetrieblichen Vernunft. Inwieweit tatsächlich Konsens zu erzielen ist, muß der Einzelfall zeigen.
Der Gesetzgeber kann zwar bestimmen,
daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander erörtern müssen. Der gesetzlich festgeschriebene Zwang zur Einigung bei der Verteilung der Arbeitszeit wird in der Praxis allerdings schwierig. Das zeigt der Fall des
Arbeiters Moses.
Um den Arbeitsausfall aufzufangen, müßte Paulus einen anderen Teilzeitarbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt finden, der bereit ist, nur Freitag und Montag zu arbeiten.