(Stand 2025)
Über allgemeine Appelle hinaus hat der Gesetzgeber in § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes einen Anspruch auf Teilzeit von Arbeitnehmern und in § 9 einen Anspruch auf Erweiterung und Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern geschaffen. Diese Regelung war in ihrem Kernbereich gesellschaftspolitisch stark umstritten.
Der Fall:
Arbeitgeber Paulus ist mit seinem fleißigen Mitarbeiter Lukas einverstanden. Lukas leistet volle Arbeit, nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch durch Überstunden. Lukas ist aber dienstmüde. Er möchte unbedingt auf eine 2/3 Teilzeitstelle. Ein entsprechender Antrag von Lukas stößt bei Paulus auf Erstaunen und Unwillen. Kann Lukas sich durchsetzen?
Die Lösung:
1. Anspruch auf Teilzeit
Die entscheidende Bestimmung des neuen Teilzeitgesetzes in § 8 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) enthalten. Danach kann ein Arbeitnehmer verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird.
Aus dieser Formulierung folgt, dass der Arbeitnehmer Lukas tatsächlich einen echten Anspruch auf Teilzeitarbeit besitzt. Dieser Anspruch auf Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit steht aber auch Teilzeitarbeitnehmern zu. Diese könnten weiter verringern.
Ein solcher Anspruch ist dem deutschen Arbeits- und Vertragsrecht bisher unbekannt gewesen. Es galt bisher der Grundsatz: “pacta sunt servanda”, d.h. jeder Vertragsteil ist an seine vertragliche Verpflichtung gebunden.
Nach bisherigem Recht konnte ein vertragliches Regelwerk nicht einseitig verbindlich verändert werden, sofern kein Widerrufsvorbehalt, keine rechtswirksame Kündigung oder kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorlag.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren innerhalb ihres vertraglichen Regelwerks auch eine bestimmte Arbeitszeit. Nunmehr kann der Arbeitnehmer bei Fortbestehen des Arbeitsvertrages im übrigen vom Arbeitgeber verlangen, dass seine Arbeitszeit reduziert oder auch erhöht wird.
Dies stellt einen sehr weitgehenden Eingriff in den Grundsatz der Vertragsfreiheit dar. Aus diesem Grunde sind gegen diese Regelung auch verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden. Auch die freie Unternehmerentscheidung und damit Art. 12 GG ist berührt. Gleichwohl stehen die verfassungsrechtlichen und allgemeinen Grundsätze auch unter dem Gesetzesvorbehalt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber in einem bestimmten Rahmen rechtliche Veränderungen vornehmen darf.
2. Voraussetzungen des Teilzeitanspruchs
Nicht nur der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer Lukas, sondern auch Teilzeitarbeitnehmer können nach § 8 TzBfG ihre Arbeitszeit weiter reduzieren. Dabei sind – zusammengefasst – folgende
Bedingungen zu beachten:
– nach § 8 Abs. 1 TzBfG muss das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden haben,
– nach § 8 Abs. 7 TzBfG gilt der Anspruch auf Teilzeit nur in Unternehmen, die mehr als 15 Arbeitnehmer ohne Auszubildende beschäftigen. Bei der Beschäftigtenzahl rechnen Teilzeitkräfte, d.h. auch Geringfügig Beschäftigte voll mit (Pro-Kopf-Berechnung),
– der Arbeitnehmer kann sowohl die Verringerung der Arbeitszeit, wie auch eine neue Lage der Arbeitszeit wählen,
– der Arbeitgeber kann der Verringerung der Arbeitszeit und der neuen Verteilung der Arbeitszeit nur widersprechen, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen,
– der Arbeitnehmer muss seinen Anspruch spätestens 3 Monate vor Beginn der gewünschten Teilzeitarbeit geltend gemacht haben.
3. Geltendmachung des Anspruchs
Wenn die allgemeinen Voraussetzungen für den Teilzeitanspruch erfüllt sind, kann der Arbeitnehmer die von ihm gewünschte Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung beim Arbeitgeber geltend machen.
Es ist dringend zu empfehlen, dass die Geltendmachung schriftlich erfolgt. Die Schriftlichkeit der Geltendmachung dient im Streitfalle dem notwendigen Nachweis seiner ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Geltendmachung. Der Arbeitnehmer muss nämlich die Geltendmachung spätestens 3 Monate vor Beginn der gewünschten Veränderung der Arbeitszeit gegenüber dem Arbeitgeber durchführen.
Er soll dabei insbesondere auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben.
Die Frist von 3 Monaten ist eine Mindestfrist. Es ist nicht unbedingt im Interesse des Arbeitnehmers, wenn er diese Frist zu knapp wahrt. Der Arbeitnehmer muss bedenken, dass der Arbeitgeber ggf. eine Ersatzkraft suchen muss. Erfolgt die Geltendmachung zu kurzfristig, so ist der Arbeitgeber möglicherweise nicht in der Lage, eine ordentliche Ersatzkraft zu finden. Dann darf er den Anspruch auf Teilzeit zu Recht zurückweisen. Je früher also die Geltendmachung erfolgt, umso höher könnte die Erfolgsaussicht sein.
Der Gesetzgeber hat sowohl beim Umfang der Arbeitszeitkürzung wie auch bei der Lage der Arbeitszeit keine Vorgaben gemacht. Es gibt keine Ober- und Untergrenze für die Arbeitszeit, anders z.B. als im Bundeselterngeldgesetz, wo ein Zeitkorridor von 15-30 Wochenstunden vorgesehen ist.
Beispiel 1:
Arbeitnehmer Lukas arbeitet freitags 5 Stunden. Er möchte seine Wochenarbeitszeit von 38 auf 33 Stunden kürzen und zukünftig nur noch von Montag bis Donnerstag arbeiten.
Beispiel 2:
Arbeiter Moses hat eine Freundin in Berlin und genug Vermögen. Er braucht ausgedehnte Wochenenden in Berlin. Er möchte deshalb seine Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden begrenzen, allerdings von Dienstag bis Donnerstag mit 10 Arbeitsstunden pro Tag. Arbeitgeber Paulus fällt bei diesem Wunsch fast in Ohnmacht.
4. Erörterungen
Der Gesetzgeber geht von einem Konsensprinzip aus. Er hat deshalb in § 8 Abs. 3 TzBfG geregelt, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem Ziel zu erörtern hat, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Der Gesetzgeber hat außerdem bestimmt, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer ein Einvernehmen über die von ihm festzulegende Verteilung der Arbeitszeit “zu erzielen hat”.
Das Konsensprinzip entspricht der innerbetrieblichen Vernunft. Inwieweit tatsächlich Konsens zu erzielen ist, muss der Einzelfall zeigen.
Der Gesetzgeber kann zwar bestimmen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander erörtern müssen. Der gesetzlich festgeschriebene Zwang zur Einigung bei der Verteilung der Arbeitszeit wird in der Praxis allerdings schwierig. Das zeigt der Fall des Arbeiters Moses.
Um den Arbeitsausfall aufzufangen, müsste Paulus einen anderen Teilzeitarbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt finden, der bereit ist, nur Freitag und Montag zu arbeiten.