Folge 24

Ausschreibung und Förderung der Teilzeitarbeit

Der Gesetzgeber hat das Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht freiwillig geschaffen. Vielmehr war er verpflichtet, zwei EU-Richtlinien umzusetzen. Wichtige Zielsetzungen waren durch die EU-Richtlinie Nr.
97/81/EWG-Teilzeitarbeit vorgegeben.



Der Fall:

    Vollzeitarbeitnehmer Ludwig Uhland möchte seine Arbeitszeit verringern. Er weiß aber nicht, welche Teilzeitarbeitsplätze sich im Betrieb bieten. Auch die Teilzeitarbeitnehmer Sappho und
    Buchhalter Eduard Mörike möchten ihre Arbeitszeit nach oben oder nach unten verändern. Auch ihnen fehlen die entsprechenden Informationen. Dies gilt letztendlich auch für den Betriebsrat. Was sagt nun das neue
    Gesetz dazu?



Die Lösung:


1. Ausschreibungspflicht

    Der Gesetzgeber verpflichtet den Arbeitgeber nunmehr in § 7 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zur Ausschreibung von Teilzeitarbeitsplätzen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet,
    jeden Arbeitsplatz, den er öffentlich oder innerhalb des Betriebes ausschreibt, auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Vollzeitarbeitsplatz auch als
    Teilzeitarbeitsplatz eignet.

    Nach § 611 b BGB muß außerdem die Ausschreibung geschlechtsneutral vorgenommen werden.

    Dieser Pflichtausschreibung wird in Zukunft erhebliche Bedeutung zukommen. Einerseits
    stellt die Pflicht zur Aufteilung der Arbeitsplätze schon in der Ausschreibung einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar. Dies ist verfassungsrechtlich nicht ganz unproblematisch. Andererseits führt
    die Pflicht zur Befassung mit der Teilzeitproblematik sowohl bei Arbeitgeber, wie auch bei dem Betriebsrat und diversen Arbeitnehmern mittel- und langfristig zu einem Umdenken. Bislang galten nur
    vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer als vollwertige Mitglieder des Betriebes. Dies soll sich nun nach dem Willen der Europäischen Union und des Gesetzgebers ändern.

    Die Pflicht zur Ausschreibung hat eine
    weitere erhebliche Bedeutung. Will später der Arbeitgeber den Teilzeitwunsch eines Vollzeitarbeitnehmers aus betrieblichen Gründen ablehnen, so wird dies nur schwerlich zu begründen sein, wenn der
    Vollzeitarbeitsplatz zuvor als Teilzeitarbeitsplatz ausgeschrieben war.

    Die Ausschreibung als Teilzeitarbeitsplatz indiziert bereits die Teilbarkeit des Vollzeitarbeitsplatzes. Damit ist späteren
    prinzipiellen Einwendungen des Arbeitgebers der Boden entzogen.

    Die Nichteinhaltung dieser Ausschreibungspflicht bleibt gesetzlich ohne Sanktion und Strafe. Allerdings ist noch unklar, ob dem Betriebsrat nach
    § 99 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz ein Widerspruchsrecht bei der Neubesetzung einer Vollzeitstelle zusteht, wenn diese nicht zuvor als Teilzeitstelle ausgeschrieben wurde. Gegebenenfalls kann hier der
    Betriebsrat mit der Blockierung der Neubesetzung den Arbeitgeber zur Ausschreibung einer Teilzeitstelle zwingen. Dies muß die Rechtsprechung noch klären.


2. Wunsch des Arbeitnehmers

    Vollzeitarbeiter Ludwig Uhland hat seinen Wunsch auf Veränderung der Arbeitszeit und Veränderung der Lage der Arbeitszeit angemeldet. Nach § 7 Abs. 2 TzBfG muß Arbeitgeber Gustav Schwab
    nun den Arbeiter Ludwig Uhland über sämtliche entsprechende Arbeitsplätze im Betrieb und im Unternehmen informieren, die als Teilzeitarbeitsplätze neu besetzt werden sollen.

    Dabei kommen allerdings nur die
    Arbeitsplätze in Betracht, für die Ludwig Uhland auch tatsächlich und vertraglich geeignet ist. Fraglich ist noch, wie diese Information des einzelnen Arbeitnehmers stattfinden muß. Eventuell reicht es aus, wenn
    Arbeitgeber Gustav Schwab die Information an einem allgemein zugänglichen Platz (Schwarzes Brett etc.) aktuell bekanntgibt.

    3. Betriebsratsinformation

    Der Arbeitgeber Gustav Schwab muß nach § 7 Abs. 3
    TzBfG den Betriebsrat über die Teilzeitarbeit im Betrieb und im Unternehmen informieren. Er muß insbesondere ihm Auskunft geben über die vorhandenen oder auch geplanten Teilzeitarbeitsplätze und über die
    Umwandlung von Teilzeitarbeitsplätzen in Vollzeitarbeitsplätze und umgekehrt. Darüber hinaus muß der Arbeitgeber den Betriebsrat auf Verlangen alle erforderlichen Unterlagen für diese Arbeitsplätze bzw. die
    Umwandlung der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

    Kommt der Betriebsrat zukünftig insoweit seinem Recht und seiner Pflicht zur Information nach, so können alle interessierten Arbeitnehmer sich auch an den
    Betriebsrat wenden. Sie können die Informationen des Arbeitgebers und des Betriebsrats vergleichen und ggf. sich entsprechend bewerben.


4. Leitende Mitarbeiter

    In § 6 TzBfG hat der Gesetzgeber die Pflicht des Arbeitgebers auf Förderung von Teilzeitarbeit festgeschrieben. Der Arbeitgeber muß allen Arbeitnehmern, insbesondere auch den
    Arbeitnehmern in leitenden Positionen Teilzeitarbeit nach den Vorschriften des Teilzeitgesetzes ermöglichen.

    Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, daß aus seiner Sicht die allermeisten
    Beschäftigungspositionen, auch im leitenden Segment, teilbar sind.

    Ob und inwieweit in leitenden Positionen tatsächlich ein Wunsch auf Teilzeitarbeit im Sinne des Gesetzes gewünscht wird, bleibt
    dahingestellt. Soweit leitende Mitarbeiter über hohe Arbeitsbelastung stöhnen, geht es nicht um die 35- oder 40-Stunden-Woche. Diese Mitarbeiter stöhnen eher über eine 50- oder 60-Stunden-Woche. Die von ihnen
    gewünschte Reduzierung auf ein “erträgliches Maß” von vielleicht 45 oder 40 Wochenstunden wird von § 6 TzBfG nicht erfaßt.


5. Beschäftigungspolitik

    Der beschäftigungspolitische Hintergrund des Teilzeitgesetzes, der Ausschreibungspflicht und des Anspruchs auf Teilzeitarbeit ergibt sich aus dem Wunsch des Gesetzgebers nach Schaffung
    zusätzlicher Arbeitsplätze bzw. Abbau der Arbeitslosigkeit. Ob dies erreicht wird, bleibt abzuwarten.

    Viele legitime Wünsche der Arbeitnehmer auf Teilzeitarbeit sind in der sogenannten Altersteilzeit,
    Elternteilzeit oder Wohlstandsteilzeit begründet. Teilzeitarbeit können sich viele Arbeitnehmer finanziell nicht leisten. Sofern dies der Fall ist, geht es eher um die individuelle Lebensgestaltung.

    Eine
    große Gefahr besteht darin, daß von seiten der Arbeitgeber die Ausweitung der Teilzeitarbeit zur Kostenreduzierung und als Einsparpotential genutzt wird. Bestes Beispiel dafür ist der Öffentliche Dienst. Dort
    besteht in vielen Bereichen ein Anspruch auf Teilzeit schon lange. Dies hat aber nicht zur Ausweitung der Beschäftigtenzahl geführt, sondern zu Einsparmaßnahmen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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