Folge 15

Einstellung: Assessment-Center

Die Vielfalt der Testmöglichkeiten von Bewerbern für freie Arbeitsplätze ist nicht zu unterschätzen. Trotz Bewerbungsschreiben, Bewerbungsfragen zulässiger und unzulässiger Art, Einstellungsuntersuchungen, Vorlage
von Zeugnisse, Bewerbungsgesprächen, graphologischen Gutachten, psychologischen Gutachten, und selbst Genanalysen, werden immer neue Testmethoden gefunden.

Dazu gehört auch das sog. Assessment-Center oder
vielleicht etwas verständlicher als Test- und Prüfungsseminar bezeichnet.



Der Fall:

    Der Headhunter und Personal-Spürhund Willi Wacker stellt für ein Großunternehmen eine Bewerberschar zusammen. Drei Stellen sollen besetzt werden. Willy Wacker hat 20 Bewerber ausgesucht,
    darunter auch die studierte Diplom-Kauffrau Dr. Runhild Rotarius. Alle 20 Bewerber sollen an einem Konkurrenz-Seminar, genannt Assessment-Center teilnehmen.

    Auf Befragen erklärte er der Bewerberin Dr. Runhild
    Rotarius, daß sie bei diesem 2tägigen Assessment-Center in Konkurrenz mit den anderen Bewerbern beweisen und zeigen müsse, wer die beste Person ist. Für die drei Besten gibt es eine Stelle.

    Muß sich das die Diplom-Kauffrau Dr. Runhild Rotarius antun?



Die Lösung:


1. Das Assessment-Center

    Immer häufiger wird bei Bewerbungen um bessere Positionen bzw. bei Bewerbungen in Großunternehmen und Konzernen von den Bewerbern verlangt, daß sie an
    Assessment-Center/Auswahlseminaren/Konkurrenzseminaren teilnehmen. Was ist das?

    In diesen Seminaren oder Konkurrenzveranstaltungen werden Auswahlverfahren mit einer bestimmten Anzahl von Bewerbern
    durchgeführt. Die Verfahren dienen der Feststellung von Verhalten, Leistungsvermögen, Konzentrationsvermögen, Phantasie, Flexibilität, Verhaltensdefiziten etc. Dabei werden mehrere Teilnehmer in der Regel
    gleichzeitig von mehreren Prüfern beobachtet, überwacht und bewertet.

    Es finden verschiedene Übungen, Rollenspiele, Befragungen und Gruppenauseinandersetzungen nach bestimmten Kriterien oder einem bestimmten
    Katalog statt. Neben der Gruppenarbeit werden z.T. auch die Bewerber einzeln von mehreren Testern geprüft und bewertet bzw. betreut. Nach einem abschließenden Gespräch beurteilen dann die Prüfer die
    Arbeitsergebnisse und legen eine Rangfolge der verschiedenen Konkurrenten fest.


2. Zulässigkeit/Grenzen

    Die in der Wirtschaft heute durchaus verbreiteten Personalauswahlseminare (egal, wie sie sich nennen) sind vom Grundsatz her zulässig. Voraussetzung ist allerdings, daß die Bewerber nur
    auf ihre Fähigkeiten und auf ihre Eignung für den zu besetzenden Arbeitsplatz hin getestet werden. Zulässig wäre es auch, daß Bewerber für verschiedene Tätigkeiten innerhalb eines Unternehmens oder eines
    Konzerns getestet werden. Die Tests und Untersuchungen müssen jedoch letztendlich tätigkeits- und arbeitsplatzbezogen sein. Generell ist deshalb der Veranstalter des Tests – hier der Headhunter Willi Wacker –
    verpflichtet, mit der Einladung der Bewerber über den Zweck und den Umfang eines solchen Seminars im Voraus zu informieren.

    Diese vorangehende Informationspflicht ist insbesondere dann von großer Wichtigkeit,
    wenn im Rahmen des Seminars auch psychologische Tests durchgeführt werden. Bis zu einem gewissen Grad müssen die Bewerber damit rechnen, daß auch solche Psychotests in den Seminarablauf eingebaut sind.


3. Kosten

    Die Kosten eines Assessment-Centers oder ähnlicher Veranstaltungen sind nicht unerheblich. Regelmäßig müssen die Bewerber anreisen und für das Seminar übernachten.

    Es gilt der
    Grundsatz: “Wer die Musik bestellt, bezahlt”. Dies bedeutet, daß die Kosten des Bewerbungsverfahrens generell der Arbeitgeber trägt, wenn nichts anderes vereinbart ist. Deshalb muß hier der Veranstalter Willi
    Wacker der Teilnehmerin Dr. Runhild Rotarius die entstehenden Kosten begleichen.

    Allerdings gibt es bei den Kosten immer wieder erheblichen Streit, es empfiehlt sich deshalb, die Kostentragung von vorneherein
    klarzustellen bzw. zu vereinbaren. Soweit der Veranstalter oder Arbeitgeber Kosten nicht tragen will, muß er Bewerber vorher ausdrücklich darüber informieren.


4. Mitbestimmung des Betriebsrats

    Willi Wacker besitzt als “progressiver” Headhunter keinen Betriebsrat. Eine Mitbestimmung des Betriebsrats entfällt deshalb in diesen Fällen.

    Sofern ein derartiges Seminar vom
    Arbeitgeber selbst durchgeführt wird, sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ebenfalls nur schwierig zu fassen. Die Bewerber unterfallen nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im einzelnen.

    Allerdings hat der Betriebsrat nach § 80 BetrVG die Pflicht, darüber zu wachen, daß der Arbeitgeber Recht und Gesetz einhält. Er muß deshalb auch darauf achten, daß der Arbeitgeber bei der Durchführung des
    Bewerbungsverfahrens oder Assessment Centers Persönlichkeitsrechte des Bewerbers nicht verletzt. Zur Durchführung dieser Rechte ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über das Assessment-Center und
    die Einzelheiten zu unterrichten.

    Allerdings sind die Erstellung von Anforderungsprofilen als Grundlage für ein solches Seminar mitbestimmungsfrei. Anforderungsprofile sind nämlich keine Auswahlrichtlinien im
    Sinne von § 95 BetrVG.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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