Folge 13

Einstellung: Psychologisches Gutachten

(Stand 2025)

In der Wirtschaft wird von Arbeitnehmern immer mehr verlangt. Das betrifft nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch das psychische Durchhaltevermögen, Charakterstärke, Härte gegenüber sich und anderen. Um die besten und schlagkräftigsten Arbeitnehmer zu bekommen, wird die Auswahl oft schon mittels psychologischer Gutachten getroffen. Gegenüber anderen Gutachten kann hier insbesondere die Durchhaltekraft, die
Konzentrationsfähigkeit etc. viel besser getestet werden.


Der Fall:

Arbeitgeber Willi Wüst braucht zwei persönliche Assistenten. Sie müssen treu, zuverlässig, stets einsatzbereit, hart, konzentriert und biegsam wie eine Weidenrute sein.

Deshalb will Willi Wüst mit den Bewerbern Kalle Holzfuß und dem jung-dynamischen Jack Klemm einen umfangreichen Psychotest durchführen. Über Einzelheiten des Tests klärte er allerdings nicht auf.

Im Laufe des Tests erkennt Kalle Holzfuß die Tragweite. Er bereut die Teilnahme und bricht den Test ab. Er will die Herausgabe aller Testergebnisse. Jack Klemm dagegen besteht den Test. Es wurmt ihn aber, dass er die Ergebnisse nicht kennt. Hat er ein Recht auf Einsicht?

Die Lösung:


1. Zulässigkeit

Psychologische Tests sind mit Zustimmung der betroffenen Bewerber vom Grundsatz her zulässig. Es ist allerdings festzustellen, dass in der Wirtschaft heute – insbesondere in den besser bezahlten Bereichen – viele verschiedenartige Psychotests gängig sind. Die Vielfalt lässt sich kaum überblicken.

Gegen viele dieser Tests bestehen massive Bedenken. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Tests darauf ausgerichtet sind, die Persönlichkeit eines Bewerbers und sein Privatleben zu durchleuchten. Keinesfalls zulässig ist es, dass sich ein Test auf die gesamte Persönlichkeit des Arbeitnehmers erstreckt. Er muss sich auf die geplante Arbeitstätigkeit und die entsprechenden Anforderungen beschränken.

Deshalb sind viele Tests in ihrer Tragweite problematisch oder unzulässig. Es lassen sich in der Praxis zwei wichtige Gruppen von Tests methodisch unterscheiden, nämlich der

psychometrische Test

und der

projektive Test.


2. Psychometrischer Test

Bei diesem Test werden bestimmte Eigenschaften oder Fähigkeiten eines Menschen mittels eines Messverfahrens ausgetestet. Da dieser Test begrenzt ist, erhebt er keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Insbesondere verfolgt der psychometrische Test nicht das Ziel, die Gesamtpersönlichkeit eines Bewerbers zu durchleuchten oder zu erfassen.


3. Projektiver Test

Der projektive Test ist in der Regel sehr umfassend. Dem Bewerber werden z.B. Zeichnungen oder andere graphische Darstellungen, Symbole oder Texte, verbale Äußerungen etc. vorgelegt. Bei diesem Test werden auch verschwommene Bilder gezeigt.

Der Bewerber soll die verschiedenen Darstellungen im graphischen, verbalen oder optischen Bereich deuten, umgestalten oder weiterentwickeln. Z.T. soll er auch Geschichten zu den Bildern erzählen, seine Gedanken preisgeben und weiterentwickeln.

Projektive Tests sind generell problematisch und unzulässig im Bewerbungsverfahren, da sie versuchen, die gesamte
Persönlichkeit des Bewerbers zu erfassen (gläserner Bewerber). Gleichwohl sind sie in der Praxis häufig anzutreffen. Bewerber sollen und dürfen sich gegen solche Tests wehren.

Wird ein Bewerber aufgrund eines solchen Tests abgelehnt, so kann er z.B. versuchen, durch eine Klage beim Arbeitsgericht Schadenersatz oder Schmerzensgeld vom Arbeitgeber zu bekommen.


4. Aufklärung/Einwilligung

Da psychologische Tests sehr in die Tiefe gehen können, hätte der Arbeitgeber Willi Wüst die Bewerber exakt über den Zweck, die Methode, die Möglichkeiten und die Reichweite des von ihm veranstalteten Tests vor Beginn informieren müssen. Das hat Willi Wüst aber nicht getan.

Aus diesem Grunde bezog sich die Zustimmung der Bewerber Kalle Holzfuß und Jack Klemm nicht auf die tatsächlich vorgenommenen Tests. Willi Wüst hat somit das Persönlichkeitsrecht der Bewerber verletzt. Sie könnten evtl. Schmerzensgeldansprüche gegen ihn besitzen.

Intelligenztests, Kreativitätstests und andere Tests dieser Art dürfen ebenfalls grundsätzlich nur nach Aufklärung und nach ausdrücklicher Einwilligung der Bewerber durchgeführt werden.


5. Einsichtnahme

Alle Testteilnehmer – egal ob sie eingestellt werden oder nicht – haben ein Recht auf Einsichtnahme in das Ergebnis ihrer Tests. Dies folgt schon aus dem Vertragsverhältnis zwischen Bewerber und Arbeitgeber. Dieses Einsichtsrecht ergibt sich auch daraus, dass der Möglichkeit des Missbrauchs durch den Arbeitgeber vorgebeugt wird.

Das Einsichtsrecht ist gerichtlich erzwingbar.


6. Herausgabe/Vernichtung

Wird der Testteilnehmer nicht eingestellt, so muß er es nicht dulden, daß der Arbeitgeber das Testergebnis weiter bei sich aufbewahrt. Deshalb kann Bewerber Kalle Holzfuß die Herausgabe der Testergebnisse an ihn verlangen.

Zumindest aber kann er von dem Arbeitgeber Willi Wüst die Vernichtung der Testergebnisse und den Nachweis der Vernichtung verlangen. Willi Wüst hat kein berechtigtes Interesse daran, diese Testergebnisse weiter aufzubewahren.

Andernfalls besteht die Gefahr, dass Wüst diese Ergebnisse bei einer späteren Bewerbung des Ängstlich wiederum verwenden könnte.


7. Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats

Der Betriebsrat muß prüfen, ob er nach § 94 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht besitzt. Dieses Recht soll verhindern, daß der Arbeitgeber in rechtsmißbräuchlicher Weise testet und ausfragt.

Sobald Äußerungen eines Bewerbers schriftlich festgehalten werden, kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 BetrVG bestehen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 2 BetrVG besteht, wenn das Verhalten
oder die Leistung des Bewerbers nach einheitlichen Kriterien bewertet und beurteilt wird. Dies ist regelmäßig der Fall.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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