Folge 13

Einstellung: Psychologisches Gutachten

In der Wirtschaft wird von Arbeitnehmern immer mehr verlangt. Das betrifft nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch das psychische Durchhaltevermögen, Charakterstärke, Härte gegenüber sich und anderen. Um die
besten und schlagkräftigsten Arbeitnehmer zu bekommen, wird die Auswahl oft schon mittels psychologischer Gutachten getroffen. Gegenüber anderen Gutachten kann hier insbesondere die Durchhaltekraft, die
Konzentrationsfähigkeit etc. viel besser getestet werden.



Der Fall:

    Arbeitgeber Willi Wüst braucht zwei persönliche Assistenten. Sie müssen treu, zuverlässig, stets einsatzbereit, hart, konzentriert und biegsam wie eine Weidenrute sein.

    Deshalb will
    Willi Wüst mit den Bewerbern Kalle Holzfuß und dem jung-dynamischen Jack Klemm einen umfangreichen Psychotest durchführen. Über Einzelheiten des Tests klärte er allerdings nicht auf. Im Laufe des Tests erkennt
    Kalle Holzfuß die Tragweite. Er bereut die Teilnahme und bricht den Test ab. Er will die Herausgabe aller Testergebnisse. Jack Klemm dagegen besteht den Test. Es wurmt ihn aber, daß er die Ergebnisse nicht
    kennt. Hat er ein Recht auf Einsicht?

    Ole Hering will auch die Vermögensverhältnisse des Max Hinkel wissen, seine Schulden, seinen Kontenstand und Vermögen.

    Max Hinkel wird ganz plümerant zumute. Er mimt
    einen Schwächeanfall, zieht sich zurück und fragt auf der Toilette leise den Betriebsrat, ob denn das alles zulässig sei. Auch der Betriebsrat Ungerührt ist sprachlos. Doch auch er weiß keine Antwort.

    Was darf Ole Hering nun fragen?



Die Lösung:


1. Zulässigkeit

    Psychologische Tests sind mit Zustimmung der betroffenen Bewerber vom Grundsatz her zulässig. Es ist allerdings festzustellen, daß in der Wirtschaft heute – insbesondere in den besser
    bezahlten Bereichen – viele verschiedenartige Psychotests gängig sind. Die Vielfalt läßt sich kaum überblicken.

    Gegen viele dieser Tests bestehen massive Bedenken. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Tests
    darauf ausgerichtet sind, die Persönlichkeit eines Bewerbers und sein Privatleben zu durchleuchten. Keinesfalls zulässig ist es, daß sich ein Test auf die gesamte Persönlichkeit des Arbeitnehmers erstreckt. Er
    muß sich auf die geplante Arbeitstätigkeit und die entsprechenden Anforderungen beschränken.

    Deshalb sind viele Tests in ihrer Tragweite problematisch oder unzulässig. Es lassen sich in der Praxis zwei
    wichtige Gruppen von Tests methodisch unterscheiden, nämlich der

    psychometrische Test

    und der

    projektive Test.


2. Psychometrischer Test

    Bei diesem Test werden bestimmte Eigenschaften oder Fähigkeiten eines Menschen mittels eines Meßverfahrens ausgetestet. Da dieser Test begrenzt ist, erhebt er keinen Anspruch auf
    Vollständigkeit. Insbesondere verfolgt der psychometrische Test nicht das Ziel, die Gesamtpersönlichkeit eines Bewerbers zu durchleuchten oder zu erfassen.


3. Projektiver Test

    Der projektive Test ist in der Regel sehr umfassend. Dem Bewerber werden z.B. Zeichnungen oder andere graphische Darstellungen, Symbole oder Texte, verbale Äußerungen etc. vorgelegt. Bei
    diesem Test werden auch verschwommene Bilder gezeigt. Der Bewerber soll die verschiedenen Darstellungen im graphischen, verbalen oder optischen Bereich deuten, umgestalten oder weiterentwickeln. Z.T. soll er
    auch Geschichten zu den Bildern erzählen, seine Gedanken preisgeben und weiterentwickeln.

    Projektive Tests sind generell problematisch und unzulässig im Bewerbungsverfahren, da sie versuchen, die gesamte
    Persönlichkeit des Bewerbers zu erfassen (gläserner Bewerber). Gleichwohl sind sie in der Praxis häufig anzutreffen. Bewerber sollen und dürfen sich gegen solche Tests wehren.

    Wird ein Bewerber aufgrund
    eines solchen Tests abgelehnt, so kann er z.B. versuchen, durch eine Klage beim Arbeitsgericht Schadenersatz oder Schmerzensgeld vom Arbeitgeber zu bekommen.


4. Aufklärung/Einwilligung

    Da psychologische Tests sehr in die Tiefe gehen können, hätte der Arbeitgeber Willi Wüst die Bewerber exakt über den Zweck, die Methode, die Möglichkeiten und die Reichweite des von ihm
    veranstalteten Tests vor Beginn informieren müssen. Das hat Willi aber nicht getan.

    Aus diesem Grunde bezog sich die Zustimmung der Bewerber Kalle Holzfuß und Jack Klemm nicht auf die tatsächlich
    vorgenommenen Tests. Willi Wüst hat somit das Persönlichkeitsrecht der Bewerber verletzt. Sie könnten evtl. Schmerzensgeldansprüche gegen ihn besitzen.

    Intelligenztests, Kreativitätstests und andere Tests
    dieser Art dürfen ebenfalls grundsätzlich nur nach Aufklärung und nach ausdrücklicher Einwilligung der Bewerber durchgeführt werden.


5. Einsichtnahme

    Alle Testteilnehmer – egal ob sie eingestellt werden oder nicht – haben ein Recht auf Einsichtnahme in das Ergebnis ihrer Tests. Dies folgt schon aus dem Vertragsverhältnis zwischen
    Bewerber und Arbeitgeber. Dieses Einsichtsrecht ergibt sich auch daraus, daß der Möglichkeit des Mißbrauchs durch den Arbeitgeber vorgebeugt wird.

    Das Einsichtsrecht ist gerichtlich erzwingbar.


6. Herausgabe/Vernichtung

    Wird der Testteilnehmer nicht eingestellt, so muß er es nicht dulden, daß der Arbeitgeber das Testergebnis weiter bei sich aufbewahrt. Deshalb kann Bewerber Kalle Holzfuß die Herausgabe
    der Testergebnisse an ihn verlangen. Zumindest aber kann er von dem Arbeitgeber Willi Wüst die Vernichtung der Testergebnisse und den Nachweis der Vernichtung verlangen. Willi Wüst hat kein berechtigtes
    Interesse daran, diese Testergebnisse weiter aufzubewahren.

    Andernfalls besteht die Gefahr, daß Wüst diese Ergebnisse bei einer späteren Bewerbung des Ängstlich wiederum verwenden könnte.


7. Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats

    Der Betriebsrat muß prüfen, ob er nach § 94 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht besitzt. Dieses Recht soll verhindern, daß der Arbeitgeber in rechtsmißbräuchlicher Weise testet und ausfragt.

    Sobald Äußerungen eines Bewerbers schriftlich festgehalten werden, kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 BetrVG bestehen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 2 BetrVG besteht, wenn das Verhalten
    oder die Leistung des Bewerbers nach einheitlichen Kriterien bewertet und beurteilt wird. Dies ist regelmäßig der Fall.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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