Folge 11

Einstellungsgespräch – Unzulässige Fragen des Arbeitgebers Teil I

(Stand 2025)

Das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung und in Vorstellungsgesprächen ist nicht unbegrenzt. Es muss insbesondere vermieden werden, dass der “gläserne Arbeitnehmer” hergestellt wird. Der Arbeitgeber muss alle Fragen unterlassen, die nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und für die Erbringung der Arbeitsleistung nicht von Bedeutung sind.


Der Fall:

Arbeitgeber Ole Hering will nur charakterlich einwandfreie, fleißige, staatstreue und formbare Arbeitnehmer einstellen. Deshalb verlangt er von dem Bewerber Max Hinkel, dass er sich “auszieht”.

Bei Frauen fragt Ole Hering nach der Schwangerschaft, Männer nach der HIV-Infektion. Vorstrafen müssen ebenso benannt werden, wie die Gewerkschaftszugehörigkeit, die Zugehörigkeit zu einer Partei,
ebenso wie ehrenamtliche Tätigkeiten im Verein, insbesondere welchem Verein!

Ole Hering will auch die Vermögensverhältnisse des Max Hinkel wissen, seine Schulden, seinen Kontenstand und Vermögen.

Max Hinkel wird ganz plümerant zumute. Er mimt einen Schwächeanfall, zieht sich zurück und fragt auf der Toilette leise den Betriebsrat, ob denn das alles zulässig sei. Auch der Betriebsrat Axel Ungerührt ist sprachlos.
Doch auch er weiß keine Antwort.

Was darf Ole Hering nun fragen?

Die Lösung:


1. Allgemeines

Unzulässige Fragen muss Bewerber Hinkel dem Arbeitgeber Hering grundsätzlich nicht beantworten. Das Unterlassen einer Antwort führt jedoch regelmäßig dazu, dass für diesen Bewerber die Vorstellungsrunde beendet ist. Aus diesem Grunde darf der Bewerber nach ständiger Rechtsprechung bei rechtswidrigen Fragen auch lügen, d.h. die Fragen bewusst falsch beantworten. In diesem Falle besteht kein Recht des Arbeitgebers auf Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Die Täuschung durch die Lüge war nicht arglistig, da die Frage rechtswidrig war.

Das Problem besteht jedoch darin, festzustellen, welche Frage rechtswidrig und unzulässig und welche Frage zulässig ist. Dies genau einzuordnen
fällt in der Praxis oft schwer. Deshalb der nachfolgende Katalog.


2. Bisherige Vergütung

Umstritten ist, ob der Arbeitgeber nach der Vergütung im vorangegangenen Arbeitsverhältnis fragen darf:

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage differenziert beantwortet. Die Frage nach dem bisherigen Verdienst ist generell unzulässig, soweit die bisherige Vergütung für die neue Arbeitsstelle ohne Aussagekraft ist.

Das ist bei den meisten Bewerbungen so. Die Frage nach dem bisherigen
Gehalt ist deshalb in den meisten Fällen unzulässig.

Allerdings darf der Arbeitgeber den Bewerber nach seinen Gehaltsvorstellungen fragen. Gehaltsvorstellungen darf der Bewerber haben und mitteilen wie er will.

Sofern er aber zur Begründung eines überzogenen Gehaltswunsches lügt und ein viel zu hohes bisheriges Gehalt angibt, um den neuen Arbeitgeber zu täuschen und hereinzulegen, könnte dieser den Arbeitsvertrag anfechten und beenden, wenn er davon später erfährt.


3. Schulden und Vermögensverhältnisse

Generell gehen die Vermögensverhältnisse des Hinkel den Ole Hering nichts an. Dies gilt sowohl für das Vermögen, möglichen Grundbesitz, wie auch für Schulden.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Stelle besetzen soll, für die ein besonderes Vertrauen erforderlich ist. Ähnlich ist es, wenn die Stelle mit besonderer Verantwortung oder besonderen Betriebsgeheimnissen verbunden ist. Schließlich liegt ein besonderes Interesse an den Vermögensverhältnissen auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer selbst über Geld des Arbeitgebers oder über dessen Vermögenswerte verfügen muss, wenn er die Computerzentrale des Betriebs beaufsichtigt oder wichtige Entscheidungen treffen soll.

Ein ganz besonderes Interesse an dem Vermögen besteht dann, wenn der Arbeitnehmer in der Auftragsvergabe tätig ist!

In all diesen Fällen darf der Arbeitgeber nach den Vermögensverhältnissen, insbesondere nach Schulden fragen, um eine mögliche Korruptionsanfälligkeit des Arbeitnehmers zu prüfen oder auszuschalten.


4. Lohn- und Gehaltspfändungen

Ohne besondere Anhaltspunkte darf der Arbeitgeber nicht generell nach Pfändungen von Arbeitsvergütungen beim Arbeitnehmer in den vorangegangenen Arbeitsverhältnissen fragen.

Liegen dagegen konkrete Anhaltspunkte für umfangreiche Lohn- und Gehaltspfändungen in vorangegangenen Arbeitsverhältnissen vor, so hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob in seinem
Arbeitsverhältnis es so weitergehen soll. Der Arbeitgeber muss sich insbesondere darauf einstellen können, was auf ihn an zusätzlichen Arbeiten und an Kosten im Buchhaltungsbereich wegen solcher Pfändungen zukommt .

Diese Frage kann zwischen den Arbeitsvertragsparteien außer Streit gestellt werden, wenn im Arbeitsvertrag eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers an den Bearbeitungskosten vereinbart wird.


5. Schwangerschaft

Die Frage nach der Schwangerschaft ist generell unzulässig. Sie stellt eine verbotene Diskriminierung der Frau dar.

Die Frage nach der Schwangerschaft könnte nach alter Rechtsprechung höchstens dann zulässig sein, wenn die betroffene Frau Arbeiten verrichten soll, die von einer Schwangeren nicht ausgeführt werden dürfen oder können. Dies gilt insbesondere dann, wenn Gefahr für Leib oder Leben für Mutter und/oder das Kind besteht. Hier könnte aber auch schon eine Hinweispflicht der Schwangeren bestehen, ohne dass der Arbeitgeber gefragt hat. Allerdings dürfte diese Rechtsprechung mittlerweile überholt sein.

Unzulässig sind in jedem Falle Fragen nach

der letzten Regel

, nach der Einnahme

empfängnisverhütender Mittel

etc.


6. Heiratswunsch/Kinderwunsch

Unzulässig sind insbesondere Fragen an Frauen ob die Absicht zu heiraten oder ob ein Kinderwunsch besteht. Da mittlerweile Männer auch in den Erziehungsurlaub gehen können und gehen, dürfen solche Fragen auch nicht gegenüber Männern gestellt werden. Das ist Privatsache und geht den Arbeitgeber nichts an. Außerdem verstößt eine Benachteiligung wegen Kinderwunsch und Erziehungsurlaub gegen die geltenden Gesetze.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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