Bei der Einstellung werden einem Bewerber manchmal viele Fragen gestellt. Der Bewerber ist verwirrt und fragt sich, ob alle diese Fragen wirklich auch zulässig sind.
Der Fall:
Arbeitgeber Ole Hering
will nur Fragen stellen, die für ihn, für die Personalabteilung und für die Ausübung der Arbeit von Bedeutung sind. Er meinte aber, daß insbesondere Fragen im familiären Bereich unabdingbar sind, um z.B. die Sozialversicherungsdaten korrekt zu führen. Andererseits will Ole Hering vor einer Einstellung auch wissen, welche beruflichen und schulischen Qualifikationen ein Arbeitnehmer aufzuweisen hat. Dies hält er für bedeutsam, vor allem deshalb, weil die Arbeitswelt sich schnell verändert und der Arbeitnehmer flexibel eingesetzt werden soll.
Der Bewerber Max Hinkel möchte jedoch nicht als “gläserner Arbeitnehmer” durch den Betrieb marschieren. Er ist deshalb über viele Fragen erbost, vor allem über die Frage zur Religionszugehörigkeit, zum Bezug
von Betriebsrenten und zur Frage nach der Schwerbehinderung.
Darf er diese Fragen falsch beantworten?
Die Lösung:
1. Anfechtungsrecht des Arbeitgebers/Recht zur Lüge
Schon in der Folge 9 ist dargelegt, daß der Arbeitgeber bei der Einstellung von Arbeitnehmern nicht berechtigt ist, unterschiedslos alle Fragen zu stellen. Das Fragerecht des
Arbeitnehmers ist vielmehr beschränkt. Der Arbeitgeber darf nur die Fragen stellen, die zur Einstellung, zur fachlichen und persönlichen Einschätzung, sowie zur Ausübung der vertraglich geschuldeten
Arbeitsleistung erforderlich und dienlich sind. Alle anderen Fragen sind überflüssig und oft auch rechtswidrig.
Nur dann, wenn die Fragen rechtswidrig sind, darf der Bewerber Max Hinkel diese Fragen falsch
beantworten und lügen. Sofern die Fragen berechtigt sind, führt eine Lüge dazu, daß der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag jederzeit anfechten kann. Mit dieser Anfechtung wird das Arbeitsverhältnis sofort beendet,
ohne Kündigungsschutz, ohne Kündigungsfrist und ohne Hilfe des Betriebsrats.
2. Zulässige Fragen des Arbeitgebers
Die harte Konsequenz der Anfechtbarkeit eines Arbeitsvertrages bei falscher Beantwortung rechtmäßiger Fragen (vgl. Folge 9) stellt für den Bewerber Max Hinkel ein hohes Risiko dar, wenn
er lügt.
Es ist deshalb für jeden Bewerber und Arbeitnehmer von elementarer Bedeutung, zu wissen, welche Fragen vom Arbeitgeber rechtmäßig gestellt werden dürfen. Diese Fragen muß er nämlich beantworten und
er muß sie richtig beantworten! Ein Fehlverhalten gefährdet seinen Arbeitsplatz massiv.
3. Beispiele
a.
Als oberster Grundsatz gilt für alle Bewerber, daß der Arbeitgeber ihm die Fragen stellen darf, die für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses und für die ordnungsgemäße Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung von Bedeutung sind. Dabei muß der Arbeitgeber einerseits mit dem notwendigen Takt vorgehen. Andererseits aber ist er berechtigt, gerade im fachlichen Bereich den Arbeitnehmer ausreichend zu testen.
Soweit persönliche Bereiche für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses eine Rolle spielen, dürfen auch diese in den Fragenkatalog des Arbeitgebers einbezogen werden.
b.
Zulässig sind Fragen nach dem vollen Namen, dem Wohnort, Geburtsdatum des Bewerbers, auch dessen Familienstand, Kinderzahl und das Alter der Kinder darf erfragt werden. Der Arbeitgeber braucht alle diese Daten, um den Anforderungen des Finanzamtes und der Sozialversicherung zu genügen. Er braucht diese Daten aber auch, um später, z.B. im Falle einer Kündigung die Sozialauswahl richtig zu treffen.
Diese
familiären Daten
sind auch wichtig, um bei Versetzungen z.B. in einen anderen Betrieb, an einen anderen Ort die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten richtig zu treffen und z.B. Rücksicht auf Kinder, Kindergarten oder Schule und ähnliches zu nehmen.
c. Staatsangehörigkeit:
Der Arbeitgeber muß feststellen, ob ein EU-Angehöriger eingestellt wird oder ein Ausländer aus einem Nicht-EU-Land. In diesem Falle muß er insbesondere vor Arbeitsantritt auf Vorlage einer Arbeitserlaubnis bestehen.
d.
Erforderlich sind Angaben zur
Schulbildung
, Vorlage der Schulabschlüsse. Der Bewerber muß auch seine
Berufsausbildung
darlegen und den Berufsabschluß. Berufserfahrung, Lehrgänge, Spezialkenntnisse und Spezialausbildungen, beruflicher Werdegang sind für den Arbeitgeber wichtig. Nicht erforderlich ist dagegen z.B. die Vorlage sämtlicher Schulzeugnisse aus allen Schuljahren. Für den Arbeitgeber ist es in der Regel uninteressant und damit unzulässig, zu überprüfen, ob ein Arbeitnehmer in der Schule sitzengeblieben ist oder nicht.
e. Fremdsprachen
: Im Zuge der EU und der Internationalisierung sind Fremdsprachen mittlerweile von enormer Bedeutung. Die Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers erhöht sich, ggf. auch des Anspruchs auf
höheren Lohn. Diese Angabe dient auch dem Fortkommen des Arbeitnehmers in der Firma.
f.
Fragen nach dem beruflichen Werdegang, insbesondere
Zeugnisse
aus den vorangegangenen Arbeitsverhältnissen.
g.
Abgeleistete Wehrdienstzeiten, noch anstehende Einberufung zum
Wehr-
oder
Zivildienst
.
h.
Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses oder Bewerbung aus der Arbeitslosigkeit, Dauer der Arbeitslosigkeit.
i.
Die zuständige
Krankenkasse
und Rentenversicherungsträger.
j.
Bezug von Sozialversicherungs
renten
und/oder von Betriebsrenten und Pensionen. Dies kann wichtig sein im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung. Hier könnten eventuell schon bestehende Ansprüche
verrechnet werden.
k.
Existenz einer
Konkurrenzklausel
. Geheimnisträger oder besonders wichtige Arbeitnehmer haben manchmal im Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart.
Dies untersagt ihnen für einen bestimmten Zeitraum in derselben Branche direkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu arbeiten. Dadurch könnte der Einsatz des Bewerbers im neuen Betrieb eingeschränkt sein.
l.
Bisher im Urlaubsjahr durch den vorangegangenen Arbeitgeber
erhaltener
Urlaub
, sofern der Arbeitnehmer schon seinen Jahresurlaub erhalten hat, braucht der neue Arbeitgeber diesen
Urlaub nicht noch einmal zu gewähren.
m.
Andere, zusätzlich zum Hauptarbeitsverhältnis noch ausgeübte
Nebentätigkeiten
. Solche Nebentätigkeiten können ggf. das Arbeitsverhältnis beeinträchtigen.
Insbesondere muß der Arbeitgeber prüfen, ob die Arbeitszeitgrenzen des Arbeitszeitgesetzes gewahrt werden. Allerdings darf der Arbeitgeber nicht jede Nebentätigkeit generell verbieten. Ein Nebentätigkeitsverbot
ist nur dann zulässig, wenn durch die Nebentätigkeit das Arbeitsverhältnis in massiver oder unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
n.
Zulässig ist die Frage nach der
Schwerbehinderteneigenschaft
und dem Grad der Behinderung. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, die Schwerbehinderteneigenschaften zu erfahren. Er kann dann nämlich diesen Schwerbehinderten auf sein Schwerbehinderten-Pflichtkontingent von 6 % der Arbeitsplätze anrechnen. Er spart so die Ausgleichsabgabe von 200 DM monatlich, die er für einen unbesetzten Pflichtarbeitsplatz bezahlen müßte.
Außerdem beweist der Arbeitgeber dadurch, daß er im Falle einer Kündigung zunächst die Hauptfürsorgestelle anrufen und deren Zustimmung einholen muß.
o.
Die Frage nach der
Religionszugehörigkeit
ist bei der Bewerbung im Zuge einer Einstellung zunächst unzulässig. Sie ist erst zulässig, wenn der Arbeitnehmer schon eingestellt ist, um ggf. die Kirchensteuer richtig abführen zu können.
Eine
Ausnahme besteht nur in Tendenzbetrieben, z.B. in kirchlichen Betrieben. Dort darf generell nach der Religionszugehörigkeit gefragt werden.
p.
Frage nach
Krankheiten
können im Einzelfall zulässig sein, soweit dadurch die generelle Arbeits- und Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers betroffen sind. Fragen nach bestimmten Krankheiten, die stark ansteckend und gefährdend sind, können ebenfalls zulässig sein, soweit damit die Gesundheit der Arbeitskollegen gefährdet wird. Weitere Fragen nach einer Erkrankung sind aber unzulässig.