Folge 8

Vorstellungsgespräche – und wer zahlt die Kosten?

Bewerbungskosten sind nicht zu unterschätzen. Da Arbeitsplätze leider nicht mehr “auf der Straße liegen”, müssen gerade Arbeitslose sich oft bei verschiedensten Arbeitgebern bewerben. Die dabei entstehenden Kosten
tun sehr weh, vor allem dann, wenn der Bewerber durch die Arbeitslosigkeit ohnehin kein Geld hat.

Deshalb stellt sich immer wieder die Frage, ob zumindest die Kosten für ein Vorstellungsgespräch vom Arbeitgeber
getragen werden.



Der Fall:

    Der Arbeitslose Eddy Mager hatte sich alleine 2000 schon bei mindestens 25 Arbeitgebern vergeblich beworben. Er kann die ständig steigenden Kosten seiner Bewerbungsschreiben mittlerweile
    kaum noch tragen. Er möchte, daß sie von jemand anderem übernommen werden.

    Eddy Mager hat sich außerdem auf ein Stelleninserat in der Presse beworben. Er ist dann ohne Aufforderung zum Arbeitgeber nach
    Frankfurt gefahren. Auch diese Bewerbung scheiterte. Wer zahlt die Fahrtkosten? Wer würde den Verdienstausfall zahlen, wenn Eddy Mager im Arbeitsverhältnis wäre?

    Die Arbeitnehmer Albert Klein und Willi Fett
    aus Marburg sind nach einer Stellenbewerbung auf Aufforderung des Arbeitgebers Bruno nach Erfurt gefahren. Albert fuhr mit der Bahn, Willi Fett mietete sich extra einen BMW an, um standesgemäß vorzufahren. Beide
    wollen ihre Fahrtkosten ersetzt bekommen.

    Albert Klein hat für den Vorstellungstag in Erfurt Urlaub genommen. Willi Fett dagegen mußte einen Tag unbezahlte Freizeit nehmen. Bekommen sie den Lohnausfall
    ersetzt?

    Ein weiterer Arbeitgeber Lothar Cleverle bittet Karl-Heinz Bieder ebenfalls zu einem Vorstellungsgespräch nach Heilbronn. Lothar Cleverle bietet ihm an, die Fahrtkosten zu ersetzen. Die ggf.
    erforderlichen Übernachtungskosten für ein Hotel will Cleverle aber nicht übernehmen.

    Willi Fett wird vom Arbeitsamt zu einem Vorstellungsgespräch nach Hannover geschickt. Kann er vom Arbeitsamt Kostenersatz
    verlangen?



Die Lösung:


1. Kosten des Bewerbungsschreibens

    Es gilt der Grundsatz: Wer sich unaufgefordert bewirbt, kann keine Kostenerstattung verlangen, insbesondere nicht von dem Arbeitgeber.

    Dies gilt auch dann, wenn sich Eddy auf eine
    Anzeige hin bewirbt. Eddy Mager muß seine erheblichen Kosten für die Bewerbungsschreiben selbst tragen. Er könnte allenfalls versuchen, vom Arbeitsamt einen Zuschuß zu bekommen.


2. Vorstellungsgespräch ohne Aufforderung

    Eddy Mager zeigt Initiative, indem er ohne Aufforderung aufgrund eines Zeitungs-Inserates sich umgehend nach Frankfurt zum Vorstellungsgespräch begibt.

    Gleichwohl ist der dortige
    Arbeitgeber nicht zum Ersatz der Fahrtkosten oder zum Ersatz weiterer Kosten des Vorstellungsgespräches verpflichtet. Es gilt nämlich der Grundsatz: “Nur wer die Musik bestellt hat, bezahlt auch”.

    Da der
    Arbeitgeber in Frankfurt den Eddy Mager nicht zum Vorstellungsgespräch aufgefordert hat und auch sonst keine Kostenübernahme zugesagt hat, bleibt Eddy auf seinen Kosten sitzen.


3. Vorstellungsgespräch nach Aufforderung

    Etwas anderes gilt dann, wenn ein Arbeitgeber den Bewerber auffordert, zu einem Vorstellungsgespräch in den Betrieb oder an einen anderen Ort zu kommen. Immer dann, wenn eine solche
    Aufforderung vorliegt, muß der Arbeitgeber generell die dadurch entstandenen Vorstellungskosten tragen.

    In der Aufforderung des Arbeitgebers Bruno, nach Erfurt zum Vorstellungsgespräch zu kommen, liegt
    nämlich eine stillschweigende, konkludente vertragliche Kostenübernahme. § 670 BGB bestimmt, daß der Auftraggeber die Aufwendungen zu ersetzen hat, die durch den Auftrag entstehen.

    Dies gilt insbesondere für
    die Bahnkosten des Bewerbers Albert Klein von Marburg nach Erfurt.

    Der Erstattungsanspruch für die entstehenden Fahrtkosten besteht jedoch nicht unbeschränkt. Er ist durch den Grundsatz der
    Verhältnismäßigkeit limitiert. Soweit unverhältnismäßige oder nicht erforderliche Kosten entstehen, muß Bruno nicht zahlen. Fährt also Hansi Fesch “standesgemäß” mit dem gemieteten BMW vor, so muß ihm Bruno
    gleichwohl nur die Bahnkosten Zweiter Klasse von Marburg nach Erfurt bezahlen.


4. Verdienstausfall/Verzehr- und Übernachtungskosten

    Der Arbeitgeber, der einen Bewerber zum Vorstellungsgespräch auffordert, muß alle notwendigen Aufwendungen ersetzen, die dem Bewerber durch seine Fahrt zum Vorstellungsort erwachsen.

    Die Erforderlichkeit von Aufwendungen ist danach zu beurteilen, was ein vernünftiger und gerecht denkender Mensch an Aufwendungen richtigerweise getätigt hätte.

    Dazu gehören – wie schon ausgeführt – die
    angemessenen Fahrtkosten. Dazu können aber auch Übernachtungskosten zählen bei weiter entfernten Vorstellungsorten, insbesondere auch zusätzliche Verzehrkosten.

    Taxikosten sind nur zu ersetzen, wenn der
    Vorstellungsort ohne Taxi lediglich mit einem unverhältnismäßig hohen Zeit- oder Kostenaufwand zu erreichen gewesen wäre.

    Zu den zu ersetzenden Aufwendungen kann auch der Verdienstausfall zählen. Da Albert
    Klein regulär Urlaub genommen hat, hatte er keinen Verdienstausfall erlitten, er kann keinen Ersatz verlangen.

    Willi Fett dagegen mußte unbezahlte Freizeit nehmen. Er hatte also Verdienstausfall. Im Zweifel
    müssen seine Aufwendungen ersetzt werden. Der Arbeitslose Eddy Mager dagegen hat keinen Verdienstausfall durch das Vorstellungsgespräch. Auch ihm muß der Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung leisten.


5. Vereinbarungen

    Bewerber und Arbeitgeber können vor Antritt einer Fahrt zum Vorstellungsgespräch generell vereinbaren, wer welche Kosten zu ersetzen hat. Es ist deshalb zulässig, daß der Arbeitgeber
    Lothar Cleverle Arbeitslose oder Arbeitnehmer zum Vorstellungsgespräch auffordert, von vornherein aber jeden Kostenersatz ablehnt.

    Deshalb ist es denkbar und zulässig, daß Lothar Cleverle dem Albert Klein
    Fahrtkostenersatz nach Heilbronn anbietet, aber die Hotelkosten ablehnt.

    Ein solcher Kostenausschluß oder eine Kostenbegrenzung muß jedoch von den Parteien im vorhinein klar und möglichst schriftlich
    vereinbart sein. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine Kostenbeschränkung oder einen Kostenausschluß, muß er dies im Zweifel beweisen.


6. Arbeitsamt

    Nach § 53 der “Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der Arbeitsaufnahme” kann das Arbeitsamt Vorstellungskosten im Einzelfall übernehmen. Das
    Arbeitsamt kann auch in bestimmten Fällen dem Bewerber einen Zuschuß auf die Vorstellungskosten geben.

    Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen das Arbeitsamt eine Vorstellung vermittelt. Deshalb ist es
    möglich und empfehlenswert, vor Antritt eines Bewerbungsgespräches mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Arbeitsamtes die Frage der Kostenübernahme zu besprechen. Wenn Willi Fett dies tut, kann er mit einer
    Kostenübernahme rechnen, wenn ihm sonst aufgrund seiner Einkommenslage das Vorstellungsgespräch und die entstehenden Kosten nicht möglich oder zumutbar wäre.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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