Der Fall:
Arbeitnehmer Alf Bio ist aus dem Arbeitsverhältnis im Streit ausgestiegen. Wegen des vom Arbeitgeber Max Henkel erstellten Zeugnisses stritten beide Parteien erbittert. Schließlich
konnten sie sich auf einen Zeugnisinhalt einigen.
Arbeitgeber Max Henkel schickte dann den Zeugnisbogen an den ausgeschiedenen Alf Bio und benutzte einen Umschlag DIN-lang (1/3 DIN-A-4). Aus diesem Grunde
war das Zeugnis zwei Mal gefaltet.
Der Zeugnistext endete mit dem maschinengeschriebenen Namen des Arbeitgebers. Alf Bio behauptete, daß die Unterschrift aber nicht vom Arbeitgeber, sondern von seinem
Faktotum und Geschäftsführer Karl Napf stamme.
Außerdem beanstandet Alf Bio die zweimalige Faltung des Zeugnisses.
Die Lösung:
1. Der Zeugnisanspruch
Der Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers ergibt sich aus § 630 BGB, aus dem Tarifvertrag oder aus dem Arbeitsvertrag. Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein qualifiziertes oder
wunschweise auf ein einfaches Zeugnis.
Vorliegend hat Arbeitgeber Max Henkel den Zeugnisanspruch erfüllt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Inhalt des Zeugnisses von seiten des ausgeschiedenen
Arbeitnehmers nicht zu beanstanden war.
2. Äußere Form des Zeugnisses
Die äußere Form des Zeugnisses muß den im Verkehr üblichen Gegebenheiten entsprechen. Dies bedeutet insbesondere
– Erstellung auf dem üblichen Firmen- oder Geschäftsbogen,
–
saubere äußerliche Form, vor allem keine Fettflecken, Essensreste, Zeichnungen etc.,
– anständiges Schriftbild, soweit es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar ist,
– anständige Rechtschreibung, soweit der
Arbeitgeber diese beherrschen müßte,
– keine Eselsohren, Verknitterungen, Übermalungen oder Wasserränder.
Die äußere Form muß so gestaltet sein, daß beim Leser nicht der Eindruck erweckt wird, der
Arbeitgeber distanziere sich vom Wortlaut seiner Erklärung und teile durch die äußere Form mit, daß der Wahrheitsgehalt des Zeugnisses vom Arbeitgeber selbst in Frage gestellt werde.
3. Falzungen und Knicke im Zeugnisbogen
Alf Bio macht geltend, daß aus den Falzungen des Zeugnisses deutlich werde, daß das Zeugnis nicht ihm persönlich ausgehändigt, sondern zugesandt worden sei. Diese Form der
Zeugnisübermittlung lasse auf Unstimmigkeiten mit dem früheren Arbeitgeber schließen. Die Falzungen seien ein unzulässiges Geheimzeichen.
Diesen Argumenten des Arbeitnehmers ist jedoch nicht zu folgen. Auch
wenn der Arbeitnehmer wegen des Arbeitszeugnisses eine Holschuld im Sinne von § 269 BGB hat, stellt die Versendung eines Zeugnisses kein negatives Merkmal dar.
Der Arbeitgeber ist zwar nicht
verpflichtet, dem Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis nachzuschicken. Er muß das Zeugnis nur im Büro zur Abholung bereithalten. Andererseits aber ist die Versendung eines Zeugnisses heutzutage sozialadäquat und
normal.
Es besteht insbesondere keine Verpflichtung des Arbeitgebers, das Zeugnis offen auszuhändigen oder das Zeugnis in einem DIN-A-4-Umschlag ungefaltet und in besonderer Weise durch Verstärkung geschützt
zu übersenden.
Im Ergebnis ist festzuhalten, daß das Übersenden des Zeugnisses in einem normalen Briefumschlag regelmäßig kein Anlaß ist, um auf einen Streit zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zu
schließen. Insbesondere werden dadurch regelmäßig nicht die Bewerbungschancen eines Arbeitnehmers beeinträchtigt.
Allerdings muß das Originalzeugnis kopierfähig sein. Es muß sichergestellt werden, daß
saubere Kopien hergestellt werden können, bei denen die Falzungen sich nicht in der Kopie durch eine Schwärzung abzeichnen.
Schriftlichen Bewerbungen werden regelmäßig Zeugniskopien beigefügt. Es muß
sichergestellt sein, daß solche Kopien ordnungsgemäß zu erstellen sind. Bei einer normalen Falzung ist dies jedoch unproblematisch.
4. Persönliche Unterzeichnung
Wenn der Arbeitgeber am Schluß des Zeugnisses maschinenschriftlich persönlich genannt ist, oder der Geschäftsführer einer GmbH, so muß auch die dort genannte Person das Zeugnis selbst
unterschrieben haben. Die Rechtsansicht des Arbeitnehmers Alf Bio ist richtig.
Zwar ist für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, die der Schriftform unterliegen, anerkannt, daß auch ein bevollmächtigter
Vertreter die Urkunde unterzeichnen darf. Dies ist aber für das Zeugnisrecht nicht uneingeschränkt zu übernehmen:
Sofern der Arbeitgeber durch einen Erfüllungsgehilfen das Zeugnis erstellen und unterschreiben
läßt, ist dies möglich. Dann ist jedoch das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichneten sowie dessen Name am Ende des Zeugnisses lesbar wiederzugeben.
Dies ist deshalb wichtig, weil das
Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichneten einerseits für die Richtigkeit des Zeugnisses und andererseits für die Wertschätzung des Arbeitnehmers in der Firma aufschlußreich sein kann. Ein Fehlen
dieser Angaben kann sich deshalb für den Arbeitnehmer als nachteilig erweisen.
Deshalb gilt der Grundsatz:
Der Arbeitgeber muß sicherstellen, daß derjenige das Zeugnis persönlich unterschreibt, der als
Aussteller ausdrücklich im Zeugnis genannt wird.
Wenn der Arbeitgeber selbst im Zeugnis als Aussteller genannt wird, gleichwohl aber nicht unterschreibt, so distanziert er sich gegenüber einem Dritten
scheinbar oder tatsächlich vom Inhalt des Zeugnisses. Es kann der Eindruck erweckt werden, daß der Arbeitgeber Max Henkel selbst nicht hinter dem Zeugnis steht, wenn er nicht selbst unterschreibt.
Sollte der
Einwand von Alf Bio berechtigt sein, so muß der Arbeitgeber Max Henkel ein weiteres Zeugnis unterschreiben mit seiner Unterschrift. Sollte aber Max Henkel selbst unterschrieben haben, so ist das Zeugnis in
Ordnung. Auf die Qualität der Unterschrift kommt es nicht an. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, im Rahmen seiner Zeugnispflichten einen Kalligraphie- oder Schönschreibkurs zu besuchen.
Merke: Sollte Max
Henkel ein weiteres Zeugnis erstellen müssen, so muß dieses weitere Zeugnis gleichwohl mit dem Datum des ersten Zeugnisses erstellt werden!