In vielen Bereichen wird schon von seiten des Gesetzes oder der Berufsgenossenschaft vor der Einstellung eine ärztliche Untersuchung oder die Vorlage eines ärztlichen Attestes gefordert und auch viele Arbeitgeber
haben ein Interesse daran, nur gesunde Arbeitnehmer einzustellen.
Der Fall:
Arbeitgeber Cleverle will nur Bewerber in die engere Auswahl ziehen, die durch den arbeitsmedizinischen Dienst oder seinen Werksarzt untersucht sind. Bewerber Max Mager will sich aber
nur durch seinen Hausarzt untersuchen lassen. Bewerber Albert Otto schwört auf seinen Krankenhausarzt. Müssen sie sich gleichwohl durch den Werksarzt untersuchen lassen?
Cleverle will wegen der jüngsten
Vorfälle stets eine Hepatitis C-Untersuchung und eine HIV-Untersuchung durchführen lassen. Auch Bluter haben im Betrieb nichts zu suchen. Max Mager will hier nicht mitmachen.
Schließlich verlangt Cleverle von
den untersuchenden Ärzten eine genaue Diagnose aller Krankheiten einschließlich der Kinderkrankheiten. Müssen sich das die Bewerber gefallenlassen?
Die Lösung:
1. Die arbeitsmedizinische Untersuchung
Arbeitsmedizinische Untersuchungen vor einer Einstellung sind generell sinnvoll. Sie haben insbesondere die Funktion zu prüfen, ob bestimmte Arbeitnehmer in der Lage sind, die
vertraglich zu erbringende Arbeitsleistung zu verrichten. Es muß geprüft werden, ob nicht ggf. die Arbeit geeignet oder zu schwer ist, um zum Schutz des Arbeitnehmers Langzeitschäden zu vermeiden.
Deshalb hat
Arbeitgeber Cleverle durchaus ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob ein Arbeitnehmer generell geeignet ist, die bei ihm zu verrichtenden Arbeiten auch tatsächlich zu erbringen.
2. Freie Arztwahl
Der Arbeitgeber kann niemanden zwingen, sich gegen seinen Willen vom Werksarzt untersuchen zu lassen. Max Mager ist berechtigt, die notwendige Untersuchung von einem fachlich geeigneten
Arzt durchführen zu lassen.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob jeder praktizierende Hausarzt oder Krankenhausarzt in der Lage ist, die entsprechenden Kriterien medizinisch ordnungsgemäß zu würdigen. Dies
kann sehr fraglich sein, insbesondere dann, wenn der Arzt den Arbeitsplatz gar nicht kennt.
Aus diesem Grunde ist es in der Regel auch vom Bewerber nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber Cleverle ihn
auffordert, sich vom arbeitsmedizinischen Dienst untersuchen zu lassen. Beim arbeitsmedizinischen Dienst handelt es sich nämlich regelmäßig um eine vom Arbeitgeber unabhängige Einrichtung mit entsprechend
ausgebildeten Ärzten.
Sofern Bewerber Max und Otto sich weiter weigern, sich der Untersuchung des unabhängigen arbeitsmedizinischen Dienstes zu unterwerfen, kann Cleverle sie nicht zu der Untersuchung
zwingen. Andererseits aber müssen Otto und Max Mager damit rechnen, daß dann Cleverle sie aus der Bewerberliste streicht und nicht einstellt.
3. Das Untersuchungsverlangen
Da ein sachlicher Grund für eine Einstellungsuntersuchung bei einem neu zu besetzenden Arbeitsplatz besteht, hat der Arbeitgeber Cleverle ein berechtigtes Interesse an der Untersuchung.
Sie ist generell zulässig.
Die Untersuchung kann jedoch nicht unbeschränkt vorgenommen werden. Cleverle muß die rechtlichen Grenzen beachten.
Zunächst einmal muß die Untersuchung auf das geplante
Arbeitsverhältnis und die dort zu erbringenden Arbeitsleistungen sowie die sonstigen Anforderungen des Arbeitsplatzes beschränkt werden. Dies gilt auch, sofern gesetzlich eine Einstellungsuntersuchung
vorgeschrieben ist. Nach § 32 Jugendarbeitsschutzgesetz muß der Arbeitgeber bei der Einstellung von Jugendlichen (bis 18 Jahren) grundsätzlich immer eine ärztliche Untersuchung vornehmen. Vorher darf der
Jugendliche gar nicht beschäftigt werden. Auch viele Berufsgenossenschaften verlangen für bestimmte gefährliche oder schwierige Bereiche eine Einstellungsuntersuchung.
4. Kosten
“Wer die Musik bestellt, bezahlt”. Soweit der Arbeitgeber eine Einstellungsuntersuchung verlangt, muß er die Kosten tragen.
Will der Arbeitnehmer dagegen die Untersuchung von einem
anderen Arzt vornehmen lassen, so muß der Bewerber ggf. die Kosten selbst tragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber z.B. mit dem arbeitsmedizinischen Dienst eine entsprechende Pauschalvereinbarung
getroffen hat.
5. Auskunft des Arztes
Cleverle will zwar auf Nummer Sicher gehen. Der untersuchende Arzt hat jedoch die ärztliche Schweigepflicht zu beachten.
Soweit der Bewerber Max Mager oder Otto in eine ärztliche
Untersuchung einwilligen, befreien sie den untersuchenden Arzt lediglich von der ärztlichen Schweigepflicht wegen des Ergebnisses der Untersuchung gegenüber dem Arbeitgeber. Der Arzt darf dem Arbeitgeber deshalb
nicht die Diagnose
und die verschiedenen Ergebnisse mitteilen.
Der Arzt darf dem Arbeitgeber Cleverle nur mitteilen, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Position gesundheitlich geeignet ist oder
nicht.
Sofern der Arzt ohne entsprechende Einwilligung des Arbeitnehmers Diagnosen, Krankheitsverläufe etc. dem Arbeitgeber mitteilen würde, würde er sich schadenersatzpflicht, evtl. sogar strafbar machen.
Der Arzt – egal ob Werkarzt, Hausarzt, arbeitsmedizinischer Dienst oder Krankenhausarzt – teilt dem Cleverle deshalb nicht mit, ob ein Bewerber an Hepatitis, an HIV oder an anderen Erkrankungen leidet!
Im
übrigen ist festzuhalten, daß nach herrschender Ansicht an einer generellen HIV-Untersuchung bei Einstellung des Arbeitnehmers kein berechtigtes Interesse besteht. Eine solche Untersuchung ist nicht generell
vorzunehmen.
Auch Kinderkrankheiten gehen den Arbeitgeber regelmäßig nichts an.